Fernsehen

Wie Kulenkampff zur Legende wurde

Showmaster Hans-Joachim Kulenkampff in schwarzem Anzug hält seine Assistentinnen Doris Steinmüller links und Elke Müller rechts im Arm.
Quizmaster Hans-Joachim Kulenkampff mit seinen Asisstentinnen in "Einer wird gewinnen", Doris Steinmüller (links) und Elke Müller. © picture alliance / dpa/ Manfred Rehm
Von Jürgen Bräunlein |
Vor 50 Jahren startete in der ARD die Quizshow "Einer wird gewinnen". Die Raterunde mit Kandidaten aus acht Ländern machte Showmaster Hans-Joachim Kulenkampff als "Kuli" zum König der Fernsehunterhaltung der folgenden Jahrzehnte.
Hans-Joachim Kulenkampff, 1921 in Bremen geboren, ausgebildeter Schauspieler, hätte am liebsten im Charakterfach brilliert. Stattdessen muss er zunächst Soldat spielen und feiert sein Debüt am Theater mit Verspätung. Nach dem Krieg gibt er in Frankfurt am Main den Orest, den Ferdinand in "Kabale und Liebe" und die Hauptrolle in Carl Zuckmayers "Des Teufels General".
Doch mit der Kunst allein lässt sich keine Familie ernähren. Als "Garderobenkomiker" empfohlen, ersetzt Kulenkampff bei Radio Frankfurt einen erkrankten Quizmaster und fällt auf, so witzig ist er. Als Belohnung bekommt er 1953 sein erstes Quiz im Fernsehen: "Wer gegen wen?". Viele weitere folgen und Auftritte in Heile-Welt-Komödien, oft an der Seite von Heinz Erhardt. Doch zur Showlegende wird Hans Joachim Kulenkampff erst mit "Einer wird gewinnen". Am 25. Januar 1964 hat die Quizsendung im Ersten Deutschen Fernsehen Premiere.
Fast ohne Vorbereitung
"Guten Abend meine Damen, guten Abend meine Herren. Fürchten Sie sich nicht, es passiert Ihnen gar nichts. Wir werden Sie mit Gold und Geld überschütten. Leider kann nur einer gewinnen, sonst würde die Sendung heißen: alle gewinnen. Aber ein bisschen gewinnen alle. Und wenn es Erfahrung ist."
"EWG", so die Abkürzung von "Einer wird gewinnen", steht für die damalige "Europäische Wirtschaftsgemeinschaft" und ist eine Show zur Völkerverständigung. Kandidaten aus acht Ländern treten gegeneinander an, absolvieren Geschicklichkeitsspiele und zeigen, was sie wissen. Es geht um die richtige Zuordnung von Baudenkmälern, die Frage, wann der Kugelschreiber erfunden wurde und wie viele seiner Ehefrauen Heinrich der Achte verschont hat. Wo andere Showmaster sich abstrampeln, betört Kulenkampff, bald nur noch "Kuli" genannt, sein Publikum ohne Krampf und Anstrengung. Zur Überraschung seines Teams geht er fast ohne Vorbereitung in die Sendung und quasselt einfach drauf los.
"Ich habe zwar meinen besten Anzug angezogen, aber wenn ich hier so hinunterblicke in das Parkett und sehe die vielen Frauen in ihren schönen bunten Kleidern, muss ich sagen, wir Männer sind doch noch etwas übel dran. Gleichberechtigung hin, Gleichberechtigung her, was die Mode anbelangt, haben wir Männer noch viele Kämpfe zu bestehen, bis wir so weit sind wie die Frauen. Sie sehen aus wie die Blumen und wir wie die Mistbeete."
Bedürfnis nach Zerstreuung und Vergessen
Wenn am Samstagabend "EWG" kommt, schalten regelmäßig 25 Millionen Zuschauer ein, sogar Universitätsprofessoren, weil "Kuli" die Rolle des belesenen Intellektuellen beherrscht und auch die des Kosmopoliten überzeugend ausfüllt. Er bedient das Bedürfnis einer Nachkriegsgesellschaft nach Zerstreuung und Vergessen, nimmt aber auch kein Blatt vor den Mund. So spricht er von der "DDR" und nicht von "der Zone". Jede Show endet mit einer Schlusspointe. Martin Jente, der Produzent, kommt als Butler verkleidet auf die Bühne, reicht dem Showmaster Mantel, Schal und Hut und kommentiert den Abend.
"Lieber Herr Martin, ich begrüße Sie herzlich. Nett, dass Sie auch hier sind."
"Guten Abend, Herr Kulenkampff."
"Haben Sie sich auch etwas umgesehen in Wien?"
"Ja, das habe ich."
"Und hat es Ihnen gefallen?"
"Ich finde Wien sehr schön, Herr Kulenkampff."
"Wien, sehr schön?! Wien ist doch mehr. Wien ist eine weltoffene Stadt, finde ich. Wien ist auch eine Stadt mit einer sehr toleranten Bevölkerung. Wien hat Charme, Wien hat, möchte ich sagen, eine geistige Flexibilität!"
"Wenn ich mir die Bemerkung erlauben dürfte, Herr Kulenkampff, man kann es auch kürzer ausdrücken. Wien hat alles, was Ihnen fehlt, Herr Kulemkampff ."
"Mozart des Plaudertons"
"EWG" läuft mit Unterbrechungen über 23 Jahre. Als die Show im November 1987 eingestellt wird, bleibt Kulenkampff dem Fernsehen erhalten. Doch weder seine Talkshow "Feuerabend", für die ihm der journalistische Hintergrund fehlt, noch die Bildungsshow "Zwischen Gestern und Morgen" zünden beim Publikum. Als er dann fünf Jahre lang bei der ARD kurz vor Sendeschluss Nachtgedanken rezitiert, ist das die elegante Fußnote einer großen TV-Karriere, die vor allem mit "Einer wird gewinnen" verbunden ist.
Hans Joachim Kulenkampff stirbt am 14. August 1998 im Alter von 77 Jahren. "Der Mozart des Plaudertons" ist tot, schreibt "Der Spiegel". Im selben Jahr erlebt "EWG" eine Neuauflage mit Jörg Kachelmann, wird jedoch nach drei Folgen wieder eingestellt. Es kann eben nur einen "Kuli" geben.
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