Frauen erobern die Nordische Kombination
In Sachsen trainieren Mädchen für Wettkämpfe in der Nordischen Kombination. Sie sind Pionierinnen ihrer Sportart und könnten belohnt werden: Der Skiweltverband plant, für Frauen einen Weltcup einzuführen.
"Meine Name ist Lilli. Ich bin Nordische Kombiniererin und bin dazu gekommen durch meinen Bruder, der hat den Sport auch gemacht. Dann musste ich immer mit zu Wettkämpfen und dann habe ich irgendwann gesagt: 'Wenn ich immer mit muss, kann ich auch mal selber mitmachen.' Und hab dann mit vier Jahren angefangen."
"Ich heiße Anne Hecker und mache Nordische Kombination. Ich bin zu dem Sport wegen einer Freundin gekommen, weil sie etwas kräftiger war, und meine Mutti hat mich mit angemeldet, damit sie nicht allein hingehen muss."
Lilli und Anne sind erst 13 Jahre alt, aber schon länger als ihr halbes Leben Nordische Kombiniererinnen. Nichts Außergewöhnliches im sächsischen Klingenthal, einer Kombinierer-Hochburg, betont die gleichaltrige Klara.
"Ich würde schon sagen, in Berlin oder so kennen sie das einfach noch nicht, aber in Klingenthal, denke ich, kennt jeder 'ne Jenny Nowak, die in der Nordischen gut ist und ich denke schon, dass so langsam Frauen-Nordische-Kombination schon bekannter wird, vielleicht auch irgendwann olympisch."
Kombiniererinnen brechen mit Traditionen
Doch Olympia und Weltcup sind noch weit entfernt. Die etwas älteren Kombiniererinnen treten seit wenigen Jahren im Continentalcup gegeneinander an, also quasi in der "zweiten Liga" des Wintersports. In Mitteleuropa wetteifern sie vor allem im sogenannten Alpencup um den Sieg. Beispielsweise in Schonach im Schwarzwald.
16 junge Mädchen zwischen 15 und 18 Jahren machen sich startklar für die Langlauf-Loipe. Die jungen Athletinnen müssen einen Rundkurs von 2,5 Kilometern zweimal durchlaufen. Die Loipe liegt knapp 1000 Meter über dem Meeresspiegel, an einem Ort mit großer Wintersport-Tradition. In Schonach haben schon vor 50 Jahren die besten männlichen Nordischen Kombinierer um den Schwarzwaldpokal gekämpft.
Für die Zuschauer eine reizvolle Strecke: Gut 90 Prozent der Loipe, die auf welligem Gelände verläuft, lassen sich problemlos vom Ziel aus überschauen. Gut erkennbar, wer gerade wen in der Loipe überholt. Im März wird diese Strecke beim Männer-Weltcup wieder gut 10.000 Fans anlocken. Bei Frauenkonkurrenzen hingegen geht es familiär zu: Nur ein paar Dutzend Freunde und Bekannte sind an die Strecke gekommen.
Pionierinnen wie einst die Skispringerinnen
Das erinnert sehr an die Pionierzeiten der Skispringerinnen. Vor knapp zehn Jahren gab es auch für sie weder TV-Übertragungen noch Weltcup-Punkte. Die Zuschauer waren damals irritiert wenn sie Skispringende Frauen sahen, zum Beispiel Jenna Mohr vom SK Willingen.
"Es gibt noch ganz viele, die beim Training unten stehen: 'Oh guck mal, ein Mädchen, die traut sich das!' Und wenn die dann fragen: 'Wie alt sind Sie, wie lange machen Sie?' Und ich dann erzähle: 'Ich bin 23.' 'Und wie lang machen Sie das?' '17 Jahre!' Dann wissen die gar nichts mehr drauf zu sagen."
Inzwischen ist Jenna Mohr 31 und hat die Sprungski an den Nagel gehängt. Skispringerinnen sind keine Exotinnen mehr – nach fünf Weltmeisterschaften, zwei Olympischen Spielen und unzähligen Fernseh-Übertragungen der Weltcup-Wettbewerbe. Die Nordische Kombination der Frauen fristet hingegen noch ein Mauerblümchendasein. Hierzulande begeistern sich nur etwa 50 Mädchen und Frauen für den eigenwilligen Zweikampf aus Skisprung und Langlauf. Sophia Maurus aus dem Allgäu und Anna Jäckle aus dem Schwarzwald gehören dazu.
"Ich bin zum Skispringen gekommen durch so ein Schnuppertraining, habe auch mit Langlauf angefangen. In unserem Verein macht eigentlich jeder Langlaufen. Dadurch hat mich das motiviert weiterzumachen."
"Mein Bruder macht auch Nordische Kombination, da habe ich mir das eigentlich abgeguckt. Ich finde auch die Abwechslung toll, dass wir nicht nur eins trainieren müssen."
Die 15-jährige Anna Jäckle stammt aus einer typischen Wintersportfamilie in Schonach. Ihr Vater war einer der besten deutschen Spezialspringer.
Mit 15 Jahren von einer 100-Meter-Schanze springen
Nur gut zwei Stunden, bevor Anna in die Loipe geht, hat sie schon den ersten Teil der Kombination absolviert: den Sprung von der Langenwardschanze, einer imposanten 100–Meter-Schanze. Gerade die jungen Kombiniererinnen begeistern sich oft mehr für das Skispringen als für den Kampf in der Loipe, sagen Klara, Anne und Lilli.
"Ich finde, interessanter ist das Skispringen, weil einfach dieses Feeling durch die Luft zu springen, einfach frei zu sein wie so ein Vogel."
"Beim Sport kann ich meine Gedanken komplett abschalten. Deswegen ist danach mein Kopf freier."
"Nach so einem Sprungtraining , muss ich sagen, dass die Probleme dann weg, wie die Anne schon gesagt hat, aber ich könnte mich nicht auf Schule konzentrieren, wenn ich 'ne halbe Stunde nach dem Training Schule machen müsste."
Die 13-jährigen Klingenthalerinnen springen bereits 60 bis 70 Meter weit! Drei Jahre älter und viel wettkampferfahrener sind Daniela Dejori aus Südtirol sowie Maria Gerboth aus Thüringen.
"Für mich ist sehr schön, dass man zwei Sportarten hat, die man kombinieren kann. Deshalb kann man den Fehler, den man vielleicht beim Springen gemacht hat, sehr gut in der Loipe wieder aufholen. Oder umgekehrt: Man kann den Vorsprung oder die Platzierung halten."
"Wenn man mal 'nen schlechten Sprung gemacht hat, wenn man mal unglücklichen Wind hatte oder grad nicht so gut drauf ist, dass man trotzdem im Laufen seine Position noch verbessern kann und trotzdem aufs Treppchen laufen kann."
Die Juniorenweltmeisterschaft, eine Premiere
Aufs Treppchen möchten heute alle in Schonach – ob Sophia Maurus, Anna Jäckle, Maria Gerboth oder Daniela Dejori. Zugleich träumen sie vom ersten großen internationalen Kombinationswettkampf 2019: der Premiere der Juniorenweltmeisterschaften im finnischen Lahti. Der Alpencup ist so etwas wie die Generalprobe. DSV-Trainer Klaus Edelmann:
"Wir haben jetzt acht Mädchen, die in Richtung Junioren-Weltmeisterschaft gearbeitet haben. Davon waren sechs hier am Start, beziehungsweise sieben."
Das Leistungsniveau im Alpencup kann sich sehen lassen. Bis auf die starken Japanerinnen, eine Top-US-Amerikanerin und die Norwegerinnen ist die ganze europäische Spitze versammelt – aus Slowenien, Deutschland, Österreich, Italien, Frankreich und Polen. Aktuell sind dreizehn Nationen weltweit in der jungen Sportart vertreten. Spannend für Zuschauer ist, dass Sportlerinnen aus vielen Nationen fürs Siegerpodest infrage kommen.
"Schanze frei!"
Ein starker Kontrast zur Pionierzeit der männlichen Kombinierer. Um 1900 war die Nordische Kombination eine ur-norwegische Domäne! Langlaufski dienten im hohen Norden Europas im Alltag als Fortbewegungsmittel in der tief verschneiten Landschaft. Kein Wunder, dass sich ambitionierte Skilangläufer schon bald zum Kombinationswettkampf trafen - vor fast 120 Jahren, so der Kölner Sporthistoriker Ansgar Molzberger:
"Wie der gesamte Nordische Skisport geht das nach Skandinavien insbesondere auf Norwegen zurück ins späte 19. Jahrhundert, als es sich zu Wettkampfsportarten hin entwickelte. In Skandinavien hat es dann auch auf internationaler Wettkampfebene Fuß gefasst, weil - bevor es Olympische Winterspiele gab - gab es bereits die sogenannten Nordischen Spiele, 1901 erstmals durchgeführt."
Schon 1924 in Chamonix, bei den ersten olympischen Winterspielen, steht die Nordische Kombination auf dem Programm. Doch es dauert fast 40 Jahre, bis es 1960 dem Schwarzwälder Georg Thoma gelingt, die Phalanx der Skandinavier zu durchbrechen und Olympiagold zu holen. Während bei den Kombiniererinnen die Standard-Langlaufstrecke generell fünf Kilometer umfasst, haben sich die Wettkampf-Formate der männlichen Kombinierer im Laufe der Zeit geändert, so Ansgar Molzberger.
"Wir haben jahrzehntelang erst mal eine gewisse Kontinuität, dass wir den Sprunglauf haben und den Langlauf - zunächst 18 km auf olympischer Ebene und dann lange Zeit 15 km. Eine größere Änderung ist zum einen nach dem Zweiten Weltkrieg, dass die Reihenfolge geändert wurde. Früher ist man zuerst gelaufen, dann gesprungen und nach dem Zweiten Weltkrieg hat man es umgestellt auf: erst Springen, dann Laufen. Die zweite große Änderung ist 1988: Da wird zum einen erst 1988 ein Mannschaftswettbewerb eingeführt, und zum zweiten wird die sogenannte Gundersen-Methode als Regel eingeführt: Die besagt, dass die Sprungleistung umgerechnet wird in einen Zeitvorsprung und dass dann dadurch versetzt beim Lauf gestartet wird in Relation zur Sprungleistung und der Zuschauer dadurch auch sofort erkennen kann, derjenige, der als Erster ins Ziel kommt, hat auch gewonnen insgesamt."
Wer weit springt, läuft als erste los
Auch beim Frauenwettbewerb in Schonach folgt der Ablauf der sogenannten Gundersen-Methode. Das heißt: die Startreihenfolge ergibt sich aus den Weiten-Abständen des Sprungwettbewerb. So geht die zweitbeste Springerin, Anna Jäckle, gut 20 Sekunden nach der besten Springerin auf die Strecke. Eine aus dem deutschen Lager der Kombiniererinnen, viele sagen – wohl die beste, fehlt diesmal krankheitsbedingt: Die 16-jährige Jenny Nowak aus Klingenthal. Ihre Konkurrentinnen wissen, was sie im gesunden Zustand so stark macht:
"Im Wettkampfsprung macht sie immer ihren besten Sprung, egal wie es im Training nicht so gut läuft. Das zeichnet sie schon aus."
"Ich sage, die Jenny trainiert schon hart, aber die bleibt dann bei bestimmten Wettkämpfen auch locker. Sie macht sich keinen Druck, die springt einfach voll raus, weil sie weiß, was sie kann."
Als sächsischer Stützpunkttrainer coacht Uwe Schuricht Jenny Nowak, die für den SC Sohland in der Lausitz startet.
"Sie hat Talent für beide Disziplinen. Auch im Spezialspringlauf ist sie nach wie vor ganz vorne, und genauso besteht die Möglichkeit, dass sie sich für die Junioren-Weltmeisterschaft im Spezialsprunglauf qualifiziert."
Ein Teenager als Stammgast auf dem Treppchen
An Erfolgen kann Jenny schon einiges vorweisen:
"Jetzt in der letzten Wintersaison, wo der Demonstrationswettkampf bei der J-WM in Kandersteg war, den habe ich ja gewonnen. Das war eigentlich mit der größte Erfolg, den ich hatte. Und dann natürlich im Alpencup, wo ich gestartet bin, in der Nordischen Kombination, die habe ich ja auch gewonnen – die Gesamtwertung und auch Einzelwettkämpfe. Und COC, das war letztes Jahr zum ersten Mal dabei in der Nordischen Kombination, da bin ich ja Dritte und Zweite geworden."
Jennys Erfolgsrezept?
"Sie hat die Gabe, dass sie immer noch, wenn sie eine Startnummer dran hat, immer noch einen Zahn zulegt und speziell im Wettkampf auch dann die besten Sprünge macht."
Im Skisprung wird die 16-Jährige von Henry Glass, dem Olympia-Dritten von 1976, trainiert:
"Jenny ist eigentlich ein sehr schnellkräftiger Typ schon von Kind an, dass sie sehr gute Sprungwerte mitbringt, die sie an der Schanzentischkante auch schon gut umsetzt, die Werte sind nicht weit entfernt von den Bestwerten zu den Damen im Deutschen Skiverband. Und wenn Jenny diese Kraft, die sie besitzt, auch richtig umsetzt an der Kante, weil sie meist noch ein bisschen spät ist vom Zeitpunkt her, dann funktioniert das Springen richtig gut."
Zur Weltspitze fehlt Jenny jedoch noch ein gutes Stück. An das Niveau von Tara Gerathy-Moats kommt sie noch nicht heran, sagt DSV-Trainer Klaus Edelmann:
"Die derzeit weltbeste ist die Tara aus USA, die ist aber neun Jahre älter als die Mädels aus Deutschland. Die ist Jahrgang 94. Klarer Vorteil – hat Biathlon gemacht, wird in der USA im Mixed-Team starten. Sie ist schon ein Stück weiter noch."
Die Kombiniererinnen absolvieren auch Krafttraining
Zurück in Klingenthal im Erzgebirge. Heute steht Krafttraining auf dem Programm. Kombiniererinnen brauchen schnellkräftige Beine für den Absprung und die Landung. Eine Übung dafür: Kniebeugen mit Hantelstange. Anne Hecker zählt weitere auf:
"Für die Arme so was wie Rollbrettziehen, oder Dipps, also Liegestütz rücklings, Liegestütz oder Unterarmstütz und Unterarm-Halten. Wir machen generell noch viel Stabi, um das Gleichgewicht zu halten. Und für die Beine eher Sprünge oder Beinpresse, wo man Gewicht wegdrückt."
Wer zwei sehr unterschiedliche Disziplinen trainiert, hat täglich etwas zu tun. Eine ganz normale Trainingswoche sieht bei Jenny Nowak so aus:
"Montags meistens Athletik, halt Schnellkraft. Dienstag meistens eine Ausdauereinheit, entweder Crossen gehen, oder, wenn Schnee liegt, auch langlaufen. Im Sommer gehen wir rollern. Dann wenn Schnee liegt, gehen wir mittwochs Springen, Donnerstag gehen wir meistens entweder eine Athletik machen - oder auch 'ne Ausdauereinheit. Freitag gehen wir auch Springen, sodass wir jede Woche mindestens zweimal Springen gehen, dann am Wochenende auch noch mal 'ne Ausdauereinheit oder Krafteinheit."
Anders als die Spezialspringerinnen müssen Kombiniererinnen auch etwas von Renn-Taktik verstehen, auch schon 13- und 14-jährige wie Klara und Anne:
"Für mich ist Taktik, wenn man halt so vor sich einen hat und wenn man den unbedingt haben will. Du denkst dir so, du willst den unbedingt haben, und dann steckst du eher Power rein."
"Man guckt sich die Zeiten an, guckt sich die Strecke an, guckt sich vielleicht an, wo man überholen kann oder aufholen kann. Und wo man vielleicht was verliert. Da muss man halt gucken, wo man mehr powern kann."
Schnelligkeit und Ausdauer werden verlangt
Genauso wichtig ist, im Training die sportliche Balance zu halten. Es geht um den Spagat von Schnellkraft- und Ausdauertraining. Das bekommen Sophia Maurus und Emilie Schneider oft zu spüren.
"Das ist insofern ein Gegensatz, weil wir zwei Muskeln haben. Der eine ist eher für Ausdauer, der andere eher für Schnellkraft, und die behindern sich ein bissl gegenseitig. Deswegen muss man gucken, dass man das passende Training findet, dass man das Optimale rauskriegt."
"Wenn man zu viel Ausdauer trainiert, dann merkt man das an der Schanze. Und zu viel springen, dann merkt man das auf der Strecke. Da muss man genau die Mitte finden, das ist sehr wichtig!"
Auch Anna Jäckle, die schon zehn Jahre zweigleisig fährt, sucht stets wieder die Balance.
"Definitiv! In diesem Sommer war bei mir im Springen gar nicht viel gegangen, weil wir auf das Lauftraining geschaut haben, da war an der Schanze nicht viel los, da hat das Spritzige gefehlt."
Der Reiz der Nordischen Kombination ist also ihre Gegensätzlichkeit. Nicht umsonst gilt sie als Königsdisziplin des Wintersports. Maria Gerboth, die bei der Juniorinnen-WM Platz Vier belegen wird, spürt viele technische Baustellen:
"Im Springen – so Ausfliegen und den Absprung treffen. Und im Laufen: schneller - stärker."
Nicht zu vergessen das "Drumherum", sprich das Tüfteln an der Ausrüstung. Wer sich um zweierlei Ski – für Loipe und Schanze – sowie den Springeranzug kümmern muss, braucht Zeit und Geld. Hinzu kommt, dass Springerinnen in der Pubertät schubartig wachsen.
Der Springerinnenanzug wächst nicht mit
Sie müssen daher jedes Jahr ihren maßgeschneiderten Springeranzug gegen einen neuen tauschen. Ohne die Unterstützung der Vereine wäre das überhaupt nicht zu stemmen, sagt Anna Jäckle.
"Wir kriegen jedes Jahr neue Ski, neuen Anzug. Da bin ich auch froh drüber, weil das unser Skiclub übernimmt, ich glaube, privat könnte man das alles gar nicht zahlen. Jetzt wie bei uns – mein Bruder. Da müssten unsere Eltern das doppelt zahlen."
Je nach Region und ihrer Nähe zu den Wintersportanlagen ist der Trainingsaufwand immens. So müssen Kombiniererinnen wie Emilie Schneider aus Nordrhein-Westfalen zweimal die Woche stundenlang fahren, um zur nächsten Sprungschanze zu kommen. Im Vergleich dazu haben es Lilli, Jenny und Anne am Sportgymnasium Klingenthal erheblich einfacher. Dort sind die Trainingswege kurz. Gut 50 Leistungssportlerinnen und -sportler besuchen das Klingenthaler Gymnasium, dem gleich nebenan ein Sportinternat angeschlossen ist. Von der Schule zum Kraftraum sind es gerade einmal 30 Meter, denn der liegt im Parterre des Sportinternats. Nur fünf Kilometer sind es zu den Loipen des Erzgebirges, rund sieben Kilometer zur Sprungschanze.
Zurück in Schonach: Die 16 Wettkämpferinnen des Alpencups haben die Hälfte der Strecke hinter sich. Trainer Klaus Edelmann hofft, dass seine Schützlinge den taktischen Anweisungen folgen.
"Passt auf, dass ihr dann in der zweiten Runde schon noch zulegen könnt!"
Als Trainer des Deutschen Skiverbandes kümmert er sich gezielt um den Kombiniererinnen-Nachwuchs. Er nennt die Sportart ein "zartes Pflänzchen", das noch weiterentwickelt werden muss.
"Das ist das Problem gegenwärtig. Wir hängen aus meiner Sicht zehn Jahre hinter Skisprung zurück ungefähr, könnten aber viel schneller aufholen. Wir haben die Olympischen Spiele 2022 nicht bekommen, aber wir haben 2021 die Weltmeisterschaften im eigenen Land, in Oberstdorf. Dahin arbeiten wir. Da wird unsere älteste 19 Jahre alt sein, die wir hier in der Nordischen Kombination haben. Also sehr junge Mannschaft, die wir aufgestellt haben."
Bisher keine Kaderstrukturen für Kombiniererinnen
Bis dahin ist noch viel zu tun: Der Deutsche Skiverband hat noch keine eigenen Kaderstrukturen für die Kombiniererinnen entwickelt, wie sie für die Spezialspringerinnen schon seit Jahren bestehen: Topspringerinnen wie Carina Vogt und Katharina Althaus sammeln seit 2011 Weltcup-Punkte. Den Rücken frei halten ihnen dafür Bundespolizei oder Bundeswehr, wo sich Ausbildung und Leistungssport gut unter einen Hut bringen lassen. Für Kombiniererinnen gibt es nichts Vergleichbares. Fast alle Athletinnen sind allerdings auch noch so jung, dass sie frühestens in zwei Jahren eine Ausbildung starten werden. Doch Vorsorge ist wichtig. Den ersten Entwicklungsschritt muss der Deutsche Olympische Sportbund jetzt einleiten, betont Trainer Uwe Schuricht:
"Dort gibt es noch Probleme vom DOSB, dass es da noch nicht anerkannt ist. Und demzufolge darf es noch keine eigenen Kaderkreise geben. Momentan sind die Mädchen mit bei den Spezialspringerinnen eingegliedert in die Lehrgangsgruppen. Demzufolge ist auch die Förderung seitens des Bundes bzw. vom DOSB noch nicht gegeben. Und die Fachverbände, also der Deutsche Skiverband und auch die Landesverbände, zwacken das Geld halt irgendwo anders ab."
Spannende Frage, wie schnell sich die Sportart professionalisiert und wie viele deutsche Sportlerinnen 2021 in den Startlöchern stehen werden, um den ersten WM-Titel zu holen. Sicherlich werden es nicht nur Athletinnen aus alpennahen Regionen wie Bayern und Baden-Württemberg sein, sondern auch aus Sachsen, Thüringen und Nordrhein-Westfalen. So zumindest die Planung der Trainer. Jens Gneckow vom Westdeutschen Skiverband und Klaus Edelmann vom DSV.
"Das ist auch unsere Intention, dass wir die Mädchen von Grund auf fördern, weil wenn es dann olympisch wird, wenn wir dann erst beginnen würden, dann sind die ersten Medaillen schon mal vergeben. Deshalb müssen wir vorher etwas investieren an Arbeit, an Ausbildung."
"Ich glaube, in jedem Landesverband wird sehr gut in dieser Richtung gearbeitet, ob Bayern, Baden-Württemberg,Thüringen oder Sachsen oder auch Westdeutscher Skiverband. Es bedarf trotzdem noch viel Arbeit, um noch mehr Mädchen für diese Sportart zu begeistern. Die Werbebotschaft ist ganz einfach, solche Events wie letzte Woche in Otepaa: Weltcup Nordische Kombination und Damen Continental-Cup – so etwas nach Deutschland zu holen. Wir werden nächstes Jahr – so ist die Planung – beim Weltcup-Finale in Schonach das erste Mal einen Weltcup der Damen haben."
Vorbild Biathlon?
Also Männer- und Frauenkonkurrenz an einem Ort – nach dem Vorbild im Biathlon!
Mehr Startmöglichkeiten beleben natürlich die Konkurrenz, sagt Sophia Maurus:
"Das finde ich gut, dass dann auch immer mehr Wettkämpfe kommt. Ich denke, dass auch immer mehr mitmachen werden und auch die Leistungsdichte höher wird."
Allerdings muss der sportliche Aufbau behutsam ablaufen. Sachsens Hoffnungsträgerin Jenny Nowak hat schon jetzt einen vollen Terminkalender. Immerhin hegt die 16-Jährige auch noch Ambitionen für den Spezialsprunglauf, so Trainer Uwe Schuricht:
"Zehn Continentalcups alleine, die J-WM, vier oder fünf Alpencups noch dazu. Und dann der ein oder andere Deutschlandpokal. Wir kommen auf 15 bis 18 Wettkämpfe."
Die Aussicht, irgendwann einmal wie die die männlichen Stars, die "Frenzels und Rydzeks oder Wellingers" im sportlichen Rampenlicht zu stehen, spornt an. Klar, dass die 13- und 14-jährige Sportlerinnen Idole haben, denen sie nacheifern:
"Ich habe zum Beispiel bei den Springern Andreas Wellinger. Und ich nehme die Jenny auch als Vorbild für mich. Früher war mein Bruder auch immer das Vorbild."
"Bei den Männern dann auch Andi Wellinger, bei den Damen dann entweder die Jenny oder die Selina Freitag."
Realisiert der Skiverband einen Frauen-Weltcup?
Jenny Nowak und die anderen Pionierinnen ihrer Sportart hoffen, schon im nächsten Winter um Weltcup-Punkte zu kämpfen. Vorausgesetzt, der Zeitplan des internationalen Skiverbandes FIS wird realisiert.
"Das wäre schon cool, wenn das kommen würde. Und dann ist ja auch die WM später 2021 in Oberstdorf. Dann hoffentlich irgendwann auch die Olympischen Spiele, das wäre schon cool."
Der Wettkampf in Schonach geht in die entscheidende Phase für Lokalmatadorin Anna Jäckle:
"Das wird noch einmal spannend. Kann Anna ihr zweites Silber hier einfahren oder muss sie sich heute mit Bronze begnügen?"
Und es klappt mit Silber. Bald darauf geht's aufs Podest.
"Auf dem zweiten Rang, und der bleibt hier in Schonach, Rang Two, represents Germany: Anna Jäckle! Winner Italien."
Eine hübsche familiäre Siegerehrung – mit Amateursport-Flair. So werden die besten drei Kombiniererinnen Mitteleuropas mit einem kleinen Schraubenzieher beschenkt. Die Mädchen schmunzeln und nehmen es gelassen. Für den ganz großen Traum bleibt noch sieben Jahre Zeit. Dann ist Anna Jäckle erst 22 und im besten Wettkampfalter:
"Olympiasiegerin werden, ich glaube, das ist das, was jeder Sportler sich wünscht!"
Vielleicht klappt es ja: 2026 sollen die Nordischen Kombiniererinnen - nach jetzigem Stand - das erste Mal um olympische Medaillen kämpfen.