Zeit und Zahl sind relativ
Zum 150. Geburtstag des Pianisten und Komponisten Ferruccio Busoni wiederholen wir eine Aufnahme seiner Oper "Die Brautwahl", die Daniel Barenboim mit der Staatsoper Berlin zu Beginn seiner Amtszeit eingespielt hat.
Es scheint, als habe Busoni seine Oper nach dem "serapiontischen" Prinzip E.T.A. Hoffmanns gestaltet, das besagt: "Die Zeit ist ein ebenso relativer Begriff wie die Zahl!" Somit kann der Komponist sagenhaft alte Gestalten wie selbstverständlich in die Handlung seiner Oper integrieren, ohne dass störende Brüche entstehen.
Ferruccio Busoni, geboren am 1. April vor 150 Jahren in Italien und gestorben 1924 in Berlin, war Pianist, Komponist, Dirigent, Librettist, Essayist und Musikpädagoge. Zugleich war er immer auch begeisterter Leser – die Oper "Die Brautwahl" ist Ausdruck seiner Verehrung, die er für das Schaffen E.T.A. Hoffmanns empfand. Sie ist eine Spieloper, die dem Geist der italienischen commedia entspricht: "In der Opera buffa wäre es also recht eigentlich das Fantastische, was an die Stelle des Romantischen tritt…und nun soll das Abenteuerliche, …was den Personen begegnet, auf uns so wundersam wirken, als gehe ein toller Spuk durchs Leben und treibe uns unwiderstehlich in den Kreis seiner ergötzlichen Neckereien!"
Die beiden Künstler E.T.A. Hoffmann und Ferruccio Busoni verbindet eine ähnliche ästhetische Haltung, ein spitzfindiger Humor und die Faszination für geistige und körperliche Abnormitäten.
Im Mittelpunkt der Oper steht der alte Kampf zwischen dem Guten und dem Bösen, fokussiert auf die Figuren Leonhard und Manasse.
Im zweiten Jahr seiner Amtszeit als Generalmusikdirektor der Staaatsoper Berlin hat Daniel Barenboim im Herbst 1993 die Oper Busonis aufgeführt. Er fühlt sich Busoni, dem bedeutenden Erneuerer der Musik Europas, auch persönlich verbunden, weil er als Kind bei einem Schüler Busonis in Buenos Aires Unterricht gehabt hat.
Staatsoper Berlin
Aufzeichnung vom November 1993
Ferruccio Busoni
"Die Brautwahl"
Musikalisch-phantastische Komödie (Berliner Fassung)
Libretto: Ferruccio Busoni
Kommissionsrat Voswinkel - Siegfried Vogel, Bass
Albertine, seine Tochter - Carola Höhn, Sopran
Thusman - Graham Clark, Tenor
Edmund Lehsen - Vinson Cole, Tenor
Baron Bensch - Pär Lindskog, Tenor
Leonhard - Roman Trekel, Bariton
Manasse - Günter von Kannen, Bass
Chor der Staatsoper Berlin
Staatskapelle Berlin
Leitung: Daniel Barenboim