Fest der Möglichkeiten

Von Blanka Weber · 14.09.2013
Im Jahr der deutschen Wiedervereinigung rief der Bund das Kunstfest Weimar ins Leben. Zwischenzeitlich stand das ganze Unternehmen auch schon mal auf der Kippe. Die letzten zehn Jahre war Nike Wagner Chefin des Kunstfestes, von 2014 an leitet sie das Beethovenfest in Bonn.
Nike Wagner: "Beim Abschied nehmen wird der Mensch im Allgemeinen milde. Und so geht es uns allen. Einen gewissen Ex-Chefredakteur ausgenommen, der mir meine letzten Weimartage noch mit einem brachialen Todeswunsch verschönt hat."

Das hat ihr nicht gefallen. Und es erinnert an den Start des Kunstfestes unter ihrer Intendanz, als es hieß: Hochkultur, abgehoben, weit weg vom Geschmack der Masse. Wo bleibt der gefällige Erfolgsgarant, den man mit dem Namen haben wollte, jedoch nicht mit diesem Inhalt?

Ihre Bilanz nach zehn Jahren ist altersweise und es sind auch sehr dankbare Worte. Aus Stolpersteinen und mangelndem Kulturmanagement vor allem in den ersten Jahren macht sie aber auch kein Hehl:

"Das Kunstfest wurde als zu elitär gescholten, eine Abstimmung mit den Veranstaltungen der anderen Kulturinstitutionen schien fast unmöglich. Das Weinfest oder Open-Air-Konzerte im Schlosshof fielen gern auf den Termin des Konzertes für Buchenwald. Große Sinfoniekonzerte des MDR platzten in unsere Programme. Gewaltige Bürgerreisen fanden statt sobald das Kunstfest anfing und Theaterfest und Kunstfesteröffnung waren oft nicht voneinander zu unterscheiden."

Sie habe Geld gesammelt wie eine Biene, um alle von den hochfliegenden Programmen zu überzeugen. Ein Viertel es Etats ist so zustande gekommen. Land, Stadt und teilweise der Bund haben Mittel gegeben. Ein Drittel der Kosten wurde durch den Ticketverkauf wieder eingespielt. Heute hieß es nicht: Was kostet die Kunst? Sondern: Was hat sie uns gebracht? Die Antwort: Über zehn Jahre geschätzte 24 Millionen Euro in die öffentlichen Kassen der Stadt.

Was bleibt vom Kunstfest der Nike Wagner? Carolin Widmann war mit ihrem Bruder 2010 Artist in Residence:

"Ich wünsche dem Ort, dass so viel vom Kunstfest erhalten bleibt wie nur möglich. Also die Atmosphäre, die wir hier hatten, war ganz außergewöhnlich, weil wir wirklich im schönsten Sinne spinnen konnten. Wir konnten wirklich Programme machen, die sonst nirgends gehen, weil die Besetzung nicht vorhanden ist oder weil es zeitlich nicht klappt, oder probentechnisch. Und wir durften wirklich machen, was wir wollten hier."

Der Pianist Markus Hinterhäuser war 2009 Artist in Residence. Mittlerweile leitet er als Intendant die Wiener Festwochen. Am Abend stand er mit Tabea Zimmermann, András Schiff, den Geschwistern Widmann und anderen auf der Bühne. Kunst, die wir manchen, betont er, ist eben kein Musikantenstadel. Es muss immer eine Forderung sein, der man sich stellen kann als Künstler und als Publikum:

"Und ja das ist eine große Qualität. Ich meine wir sind schon von einer beängstigenden Generalidiotisierung bedroht und da so Enklaven zu finden, wo das eben nicht stattfindet, wo man einen Anspruch folgt, einer Idee, einem Gedanken folgt. Es heißt Kunstfest – ein Fest ist immer auch die Verfolgung einer Idee."

Auch der Nachfolger Nike Wagner als künstlerischer Leiter des Festivals hat eine solche Idee. Eine andere, betont er. Christian Holtzhauer ist 39 Jahre alt, kommt vom Staatstheater Stuttgart wie der neue Intendant des Deutschen Nationaltheater, Hasko Weber. Zuvor hat der Theatermann die Sophiensäle in der freien Szene Berlins gemanagt. Zeitgenössischer Tanz. Zeitgenössische Musik – das hat er sich auf die Fahnen geschrieben für 2014:

"Ich möchte vor allem aber diesen Namen Kunstfest Weimar, zu dem ich als alleinigen Namen zurückkehren möchte, wörtlich nehmen und sagen, es soll ein Festival für alle Künste werden. Also wir wollen gemeinsam die Kunst feiern und über die Kunst miteinander ins Gespräch kommen. Und es soll ein Festival sein, das sich ganz stark mit Weimar und seiner doch sehr komplexen Geschichte beschäftigen soll."

Das Festival wird sich sehr verändern, sagt der Christian Holtzhauer. Mehr Theater und zeitgenössischen Tanz soll es geben. Eine neue Idee. Eine neue Handschrift. Und vielleicht auch ein anderes Publikum.

Am Abend in Weimar stand nicht nur Carolin Widmann auf der Bühne – es wird emotional werden, sagte sie vor dem Auftritt.

Und Nike Wagner? Was nimmt sie mit aus den zehn Jahren in Weimar - wird sie zur Pressekonferenz gefragt:

"Also ich stelle fest, dass ich an dieser Stadt hänge. Aber eher aus diesen geschichtlichen und topografischen Gründen der Aura. Ich nehme einige Freunde mit. Ich nehme für mich das Glück mit, ohne das Weimar-Engagement hätte ich den Musiker Franz Liszt nicht so ausgiebig entdeckt, dazu bin ich zu sehr von der Bayreuther Wagnerei geprägt gewesen und so addiert sich eines ans andere. Und ich freue mich, wenn es jetzt die Bemühungen um eine Liszt-Biennale gibt, die ist erfolgreich auf dem Weg, eine Liszt-Biennale für Thüringen, so dass ich Grund und Ursache habe, dort immer mal aufzutauchen."
Mehr zum Thema