Festival "Beyond Beirut", 4. bis 7. Mai 2016 im Künstlerhaus Mousonturm in Frankfurt am Main.
Ein politischer Trümmerhaufen
Libanons Hauptstadt Beirut ist ein Flickenteppich religiöser und machtpolitischer Einflusssphären. Ein Kunst- und Politikfestival im Künstlerhaus Mousonturm in Frankfurt am Main versucht eine Standortbestimmung linker Intellektueller in der Millionenstadt.
Leicht sarkastisch äußert die Libanesin Lina ein Problem. Sie will sich nach ihrem Tod einäschern lassen. Eine Erdbestattung kann sie sich nicht vorstellen. Doch im Libanon ist die Feuerbestattung verboten. Was tun? Lina spielt gedanklich ein paar Möglichkeiten durch: Sie könnte den Totengräber bestechen, dass er die Leiche heimlich ausgräbt und verbrennt. Sie könnte eine Scheinehe mit einem Europäer eingehen, damit die Einäscherung dort stattfinden könnte.
Doch Lina befürchtet Scherereien mit ihrem jetzigen Ehemann. Oder solle man sich in die Hände der Medizin begeben und sich durch großzügige Organspenden schon zu Lebzeiten selbst entleiben, bis vom Körper quasi nichts mehr übrig bleibt, was begraben werden könnte? Der Ehemann gibt zu jedoch bedenken, dass eine solche Selbstverstümmelung ihr Sexualleben beeinträchtigen könnte.
Plädoyer gegen Bevormundung
Der satirische Theatermonolog von Lina Majdalanie ist ein Plädoyer gegen Bevormundung durch staatliche oder religiöse Autoritäten. Die 50 Jahre alte Dramaturgin stammt aus Beirut, der Stadt, um die sich noch bis Sonntag alles beim Kulturfestival im Künstlerhaus Mousonturm in Frankfurt am Main steht. Lina Majdalanie hat das Festival "Beyond Beirut" kuratiert, es ist gleichzeitig der Auftakt für die theaterwissenschaftliche Hölderlin-Gastprofessur der Goethe-Uni Frankfurt am Main.
Als roter Faden für "Beyond Beirut" dient die Frage: Wo stehen die linken Intellektuellen der libanesischen Hauptstadt fünf Jahre nach dem arabischen Frühling? Für den Beiruter Journalisten Khaled Saghieh ist der Fall klar: die Linke in Beirut stehe vor einem politischen Trümmerhaufen.
Die Parolen des arabischen Frühling passen nicht
Die Ideen und Parolen des arabischen Frühlings von 2011 passten nicht zu den kulturell und religiös segmentierten Verhältnissen von Beirut. Deswegen mussten alle Versuche, die Tahir-Bewegung von Kairo in die libanesische Hauptstadt zu exportieren, zwangsläufig scheitern, so Khaled Saghieh:
"Wir haben eine multi-religiöse Verfassung. Die Leute gingen auf die Straße und forderten den Fall dieses Systems. Es dauerte nicht lange, bis diese Bewegung scheiterte. Auch deswegen, weil in diesem Protest keine neuen politischen Akteure sichtbar wurden, sondern es waren die alten linken Gruppen plus säkulare Individuen, die nicht mit einem konfessionellen Regime einverstanden sind."
Seit Sommer 2015 melden sich nun andere zivilgesellschaftliche Gruppen in Beirut zu Wort, so Khaled Saghieh. Es begann mit dem Protest gegen Mängel bei der Müll-Beseitigung und setzt sich bis heute in öffentlich geäußerten Forderungen nach weniger Korruption in den Verwaltungen oder mehr Mitgestaltungsrechten von Bürgern bei lokalen Angelegenheiten fort. Auch feministische Stimmen seien vermehrt zu hören.
Gedämpfte Hoffnungen
Der libanesische Anthropologe Fadi Bardawil dämpfte jedoch in Frankfurt die Hoffnungen, politische Erneuerung in Beirut oder gar im gesamten arabischen Raum könnte nun über die Wiederentdeckung des Lokalen stattfinden. Dafür mischen in den streng konfessionell zerteilten Bezirken der Stadt auch zu viele internationale Interessen mit, so Fadi Bardawil:
"Im Falle des Libanon gibt es enge Verbindungen einer Teil-Gemeinschaft mit dem Iran, andere wichtige Führer sind eng mit Saudi-Arabien verbunden, Russland und die vereinigen Staaten mischen ebenfalls bei diesem politischen und wirtschaftlichen Spiel um Einfluss mit. Das Lokale ist also ein Feld, auf dem konkret agiert werden kann, aber man muss auch die Zerrissenheit sehen, die es dort gibt."
Der Politikwissenschaftler Samer Frangie wiederum zweifelte daran, das Europa oder der Westen Orientierung für eine Erneuerung der politischen Kultur in der arabischen Metropole Beirut bieten könne. "Die Libanesen hätten es mit der Orientierung an Europa im Grunde nie ernsthaft versucht", warf an dieser Stelle Festival-Kuratorin Lina Majdalanie ein.
Die Türkei wiederum hat unter ihrem Potentaten Erdogan als Vorbild ausgedient. In welcher Himmelsrichtung "Jenseits von Beirut" also blicken? Das ist zurzeit für die linken Intellektuellen der libanesischen Hauptstadt offener denn je.