"Festival della valle d´Itria" in Süditalien

Das Festival der vergessenen Opern

Oper "Francesca di Rimini"
Zeitgenössische Darstellung der italienischen Oper "Francesca di Rimini" um 1900. © imago/Leemage
Von Bernhard Doppler |
Im süditalienischen Apulien findet gerade das "Festival della valle d´Itria" statt. Es pflegt die eher unbekannten, vergessenen italienischen Opern. In diesem Jahr ist erstmals die Oper "Francesca di Rimini" von Saverio Mercadante zu erleben.
Ein wenig muss wohl die Geschichte der italienischen Oper im Sommer korrigiert werden. Nach der Entdeckung der fast nie aufgeführten Oper "Amleto" des Verdi-Dirigenten Fabio Faccio bei den Bregenzer Festspielen wird nun beim süditalienischen Festival Valle d´Itria eine eindrucksvolle italienische Oper von Saverio Mercadante "Francesca di Rimini" nun überhaupt zum ersten Mal gezeigt. Weder in Madrid, noch in Mailand kamen die geplanten Aufführungen dieser 1830 komponierten Oper des zwischen Spanien und Italien pendelnden, sonst im 19. Jahrhundert in Italien sehr erfolgreichen Komponisten, zustande.
Seit 40 Jahren bereits nimmt sich das süditalienische Festival in Martina Franca der italienischen Oper an, die nicht wie Rossini, Verdi, Puccini zum internationalen Exportartikel wurde. Und Saverio Mercadante, 1795 im nahen Altamure geboren, ist dafür ein gutes Beispiel, verkörpert er doch den allgemein wieder neu interessierenden Übergang der Belcantooper zu den expressiveren Ausdrucksformen des frühen Verdi. Darüber hinaus ist Mercadants Oper über Francesca, die Tochter des Grafen von Rimini, die mit Paolo, dem Grafen von Ravenna verheiratet wird, aber dessen Bruder Guido liebt, voll unerwarteter Poesie, beim Festival unterstrichen durch die konventionelle, abstrahierende Inszenierung des italienischen Regieveterans Pier Luigi Pizzi – bestimmt von Tüchern und luftigen Kleidern, die immer wieder im Nachtwind im Innenhof des Palazzo Ducale, der Aufführungsstätte, weithin flattern.
Der Erfolg liegt aber vor allem bei den drei Sängern der Hauptpartien – warme Stimmen, und dennoch in den Höhen mühelos: Mert Süngü als Lanciotto, Leonor Bonilla als Francesca und vor allem auch auch Aya Wakizono in der Hosenrolle des Paolo. Vielleicht hätte Mercadante, wenn er selbst eine Aufführung erlebt hätte, das elendslange Werk gekürzt, aber immer wieder betören musikalische, fast frühromantische Nummern und gerade auch die wenig komplexe musikalische Begleitung des Orchesters unter Fabio Luisi berührt.

Mit Festivalbussen weit hinaus aufs Land

Aber auch eines weiteren Komponisten aus der Region wurde gedacht, Giovanni Paisiellos, im 18. Jahrhundert eine Weltberühmtheit, auch in Russland tätig und ein Konkurrent Mozarts. Auch hier ist überraschend eine oft geradezu sentimentale Gefühlstiefe in seinen komischen Opern zu entdecken. Zu "Don Chisciotto della Mancha", also zu einer Oper über Cervantes Helden, musste man mit Festivalbussen weit hinaus aufs Land, in eine Masseria fahren, wo das Publikum dann eine Art ambitionierte Schultheateraufführung mit reduziertem Orchester erwartete: eine moderne Irrenhauskomödie mit Pflegern und Wärterinnen, die mit dem verrückten Helden Don Quichotte ihren Spaß treiben.
Paisiellos "La Grotta di Trofonio", eine Koproduktion mit der Oper San Carlo in Neapel, führt wiederum in die süditalienische "Commedia per musica", in geradezu neapolitanisches Volkstheater ein. Die Sänger sind auch immer als schauspielernde Komödianten gefragt. (Regie: Alfonso Antoniozzi) "La Grotta di Trofonio" spielt im Haus eines in die Philosophie vernarrten Griechen spielt, zu dem auch ein Neapolitaner zu Besuch, aber auch in der Höhle eines Magiers und Philosophen.
Aus Deutschland aber kommt hingegen die Barockoper "Bacchanali" des Italieners Agostini Steffani, zumindest wurde sie 1695 am Hof zu Hannover uraufgeführt: ein Schäferspiel, das italienischen Gesang und französischen Tanz in der Inszenierung von Cecila Ligorio und der musikalischen Leitung von Antonio Geco, vor allem aber durch ein sehr ambitioniertes junges achtköpfiges Sängerensemble zu beeindrucken wusste. Auch dies die erste Aufführung nach über 300 Jahren in neuer kritischen Edition. Sie fand im Innenhof des Chiostro di San Domenico statt, dort wo in Martina Franca auch das musikwissenschaftliche Institut Paolo Grassi, ein Zentrum des Festivals, seinen Sitz hat. Impulse für das europäische Musiktheater gehen also durchaus auch weiterhin von seinen südlichen Rändern aus.
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