Radioaktives Salz und viel Sehnsucht nach Berührung
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Anke Retzlaff wirft die Dream Machine an: Zum Abschluss des Festivals "Theater der Welt" bringt sie die Träume des Publikums in einer Performance auf die Bühne. Manch dokumentierter Traum sei eher Botschaft als echter Traumbericht, sagt die Regisseurin.
Über 40 Jahre besteht es nun: das Festival Theater der Welt. Im Drei-Jahres-Rhythmus lädt es internationale Produktionen nach Deutschland. Abgesagt werden musste das Festival noch nie, doch wegen Corona hatte man es letztes Jahr verschoben und holt es nun in diesem Jahr nach. Seit dem 17. Juni bereits läuft es in Düsseldorf, zeigt Produktionen aus fünf Kontinenten und 17 Ländern und geht nun zu Ende.
Zum Abschluss des Festivals gibt es noch eine ganz besondere Premiere: "Dream Machine" – eine Performance, die während des gesamten Festivals vorbereitet wurde. Die Besucherinnen und Besucher hatten in einer eigens dafür errichteten altmodischen Telefonzelle von ihren Träumen berichtet, und aus diesen Berichten macht Regisseurin und Darstellerin Anke Retzlaff einen ganz besonderen Abend.
Sehnsucht nach Berühung
Es sind Träume, in denen sich "Menschen nach Berührung sehnen", berichtet Anke Retzlaff, "wo Menschen mit geliebten Personen eigentlich Sex haben wollen, aber niemals ankommen in der Wohnung, bis hin zu – ganz klar – Pandemie-Träumen."
Die aufgenommenen und nun für die Performance verarbeiteten Geschichten haben bisweilen auch einen ziemlich surrealen Charakter. "Einen ganz tollen Traum finde ich, wo jemand ein Stück Salz in der Toilette entdeckt beim Pinkeln und dann feststellt, dass es komische Geräusche macht, und bemerkt, dass wohl dieses Salz radioaktiv ist und sich verwandelt", sagt Anke Retzlaff.
Das Versteckte in den Traumbotschaften
Nicht alle aber hätten die Möglichkeit genutzt, ihre Geschichten aus dem Schlaf ehrlich wiederzugeben, sagt die Regisseurin und räumt ein: "Natürlich werden da auch Botschaften versteckt, die eher als Witz gemeint sind." Die meisten aber seien mit großer Begeisterung darauf eingestiegen. "Was ich so toll finde an diesen Erzählungen – auch wenn in fremden Sprachen erzählt wird–, ist, dass man manchmal spüren kann, dass da ein Mensch wirklich etwas von sich selber teilt, was so intim ist, wie eben nur Träume sein können."
Die unklare Pandemiesituation im Vorfeld des Festivals und der Produktion habe auch sie in den Nächten heimgesucht, so Anke Retzlaff. "Ich habe viele Albträume gehabt in den letzten Monaten von ganz unterschiedlichen Aufführungs-Szenarien, aber es ist komisch, wie man sich ja auch an solche Zustände gewöhnen kann, wo sich ständig alles verändert. Also, im Augenblick klingt es nach einem wunderbaren Traum, der da stattfinden wird."
Die Pandemie und ihre Arbeitsfolgen
Die Pandemie habe das Arbeiten und Planen insgesamt verändert. "Ich glaube, ich habe angefangen, offener zu werden für das, was auf mich zukommt, und auch Kontrolle mehr abzugeben, oder einen Plan zu machen, aber schon mit der Option, dass es sich vielleicht auch wieder ändern kann und dass es vielleicht auch total wunderbar ist, wenn es sich ändert."
Anke Retzlaff kann der Krise also durchaus positive Seiten abgewinnen. "Aus so etwas entsteht ja auch Kreativität, aus so etwas entsteht Energie, entsteht Kraft – im besten Fall zumindest. Und Menschen müssen sich genauer zuhören, Menschen müssen sich genauer auf einander einlassen, damit daraus etwas Gutes wird."