Brücke zwischen Ost und West
Im Februar begeht Estland den 100. Jahrestag seiner "ersten" Unabhängigkeit – die endgültige kam mit der Auflösung der Sowjetunion. Das Tallinner Konzert war einer der Höhepunkte im Vorfeld des Jubiläums.
Dabei stand mit Paavo Järvi der Vertreter einer Dirigentenfamilie am Pult, die mittlerweile drei Generationen überspannt und bei aller internationalen Wirksamkeit in Europa und den USA nie die Verbindung zu den heimischen Wurzeln verloren hat. Dies nicht zuletzt durch ihren intensiven Einsatz für das kompositorische Schaffen Estlands, über dessen ganz eigene Prägung in der Pause Jüri Reinvere – selbst einer der profiliertesten Vertreter des jüngeren estnischen Komponierens – sprechen wird. Musikalisch kam im Konzert sein 58-jähriger Kollege Erkki-Sven Tüür zu Wort, der neben dem noch eine Generation älteren Arvo Pärt heute der international vielleicht meistgenannte Künstler des jungen Staates mit seinen gerade einmal 1,3 Millionen Einwohnern ist; und eine 9. Sinfonie wie die seinige, die aus diesem Anlass uraufgeführt wurde, steht ja seit Beethovens "Neunter" traditionell unter einer besonderen Erwartungshaltung.
Insofern ist es gewiss nicht zufällig, dass dieses Werk Tüürs genau hier das erste Mal erklang – ebenso wenig wie die Setzung der beiden anderen Stücke aus dem Schaffen eines russischen und eines deutschen Komponisten: stand doch das Baltikum, voran Estland mit seiner reichen und glanzvollen Hansestadt Reval (dem heutigen Tallinn), von jeher für die Vermittlung und den produktiven Austausch zwischen den Kulturräumen Ost- und Westeuropas. Nationalstolz und Weltoffenheit, eine tief verwurzelte Chortradition neben einem hocheffektiv durchdigitalisierten Alltag, wie ihn die "alten" westeuropäischen Demokratien derzeit nur erträumen können: in Estland sind das keine Widersprüche.
Estnischer Konzertsaal Tallinn
Estnischer Konzertsaal Tallinn
Aufzeichnung vom 16.01.2018
Festkonzert 100 Jahre Estland
Erkki-Sven Tüür
Erkki-Sven Tüür
Sinfonie Nr. 9 (Uraufführung)
Johannes Brahms
Violinkonzert D-Dur op. 77
ca. 21.30 Konzertpause
ca. 21.30 Konzertpause
"Musik, die im Geheimnis wohnt"
100 Jahre Estland und eine lange Vorgeschichte
Von Jüri Reinvere
Dmitrij Schostakowitsch
Dmitrij Schostakowitsch
Sinfonie Nr. 6 h-Moll op. 54
Viktoria Mullova, Violine
Viktoria Mullova, Violine
Estonian Festival Orchestra
Leitung: Paavo Järvi