Feuer und Flamme

Von Peter Kaiser |
In dieser Nacht werden im ganzen Land Osterfeuer entfacht. In den Kirchen wird das Licht der neuen Osterkerzen weitergegeben. Aber auch sonst geht es im christlichen Glauben heiß her: In vielen Zusammenhängen ist das Feuer ein Symbol für das Göttliche, das Transzendente.
"Auf Hawai wird über die glühende Lava gelaufen. Auf den Fidschi-Inseln wird über heiße Steine, die vier Tage in einem Kohlebett lagen, gelaufen. - Auf Bali wird gelaufen, in Griechenland, in Spanien, in Afrika sowieso."

"Das ist das, was man auch ordal nennt, also Gottesprobe. Das ist insbesondere in Griechenland noch üblich."

Man muss vielleicht nicht über einen 700 Grad heißen Glutteppich barfuß gehen, um Gott näher zu sein oder den Mitmenschen Wahrhaftigkeit zu beweisen. Manche der Feuerläufer, sagt die Feuerlauftrainerin und Mutter von fünf Kindern, die Berliner Heilpraktikerin Elke Wiget, sind nur neugierig auf das Element Feuer, und was es mit ihnen macht.

"Dass sozusagen darüber gezeigt wird, ihr habt euren Geist so erweitert, über Beten, oder weiß ich nicht was, dass ihr dazu in der Lage seid."

Die Elemente dieser Welt sind in allen Religionen vertreten: Luft, Wasser, Erde und Feuer. In der christlichen Bibel gibt es im Alten Testament viele Feuerszenen und hunderte Wortfunde zu Feuer und Flamme. Am bekanntesten ist vielleicht die des brennenden, aber nicht verbrennenden Dornenbuschs:

"Als aber der Herr sah, dass er hinging, um zu sehen, rief Gott ihn aus dem Busch und sprach: Mose, Mose! Er antwortete: Hier bin ich. Gott sprach: Tritt nicht herzu, zieh deine Schuhe von den Füßen; denn der Ort, auf dem du stehst, ist heiliges Land." (2. Buch Mose)
Christoph Markschies, Professor für ältere Kirchengeschichte an der Berliner Humboldt Universität, beschreibt noch eine weitere andere, ebenso eindringliche Szene aus dem Alten Testament:

"In dem fast kontrastierend Elia erlebt, dass Gott nicht im Feuer ist, sondern wie es bei Martin Buber heißt: "...in der leisen Stimme verschwebenden Schweigens...", also einer Art Wind. Das Feuer ist gleichzeitig schon in der hebräischen Bibel ein Ort der besonderen Präsenz Gottes, aber natürlich auch etwas Vernichtendes."

Feuer und Flamme sind sowohl ein weltliches Element, als auch ein Medium der göttlichen Präsenz zugleich. Dass Gott als Flamme erscheint, ist tiefsinnig, denn alles, was in der Welt ist, ist flüchtig und vergänglich. Gott aber, sagt der Brandenburger Theologe Uwe Czubatynski, ist nicht vergänglich, er ist wie eine lodernde Flamme, die niemals verlischt.

"Unser Gott kommt und schweiget nicht. Fressendes Feuer geht vor ihm her, und um ihn her ein mächtiges Wetter."

In der Bibel wird das göttliche Feuer aber auch noch als Werkzeug der Strafe und der Zucht beschrieben:

"Der Herr ließ Schwefel und Feuer regnen vom Himmel herab auf Sodom und Gomorra."

Doch nicht nur Gott selbst, sagt Professor Markschies, ist das Feuer, auch seine Engel tragen Flammen mit sich.

"Das Alte Testament hat ein sehr feines Gespür dafür, dass Gott mit Materie zu tun hat. Das ist anders, als wir uns das vorstellen, aber mit besonderer Materie, also mit Feuer, was nicht verbrennt, mit einem Flammenschwert, was in den Flammen nicht zerschmilzt. Und dieses agiert, dass Gott beides ist, gnädig, aber auch sich dem Unrecht, dem Versagen in den Weg stellend."

Am Medium Feuer forscht im Archäologischen Zentrum Berlin, einem kargen klimatisierten Kubus in Berlin-Mitte, die stellvertretende Direktorin Alix Hänsel schon seit langem.

"Natürlich gibt es gewisse Zusammenhänge mit der christlichen Religion und Religionen, die davor existierten oder neben dem Christentum existierten. Und ganz sicher sind auch Riten übernommen worden. Aber es gibt ja auch einen ganz entscheidenden Unterschied: Das Feuer in der Totenbestattung ist im Christentum verpönt. Der Tote geht als Körper ins Grab, weil ja sonst das ewige Leben nicht stattfinden kann."

Christliche Feuerbestattungen sind eine Erfindung der Neuzeit. In Europa fand die erste Feuerbestattung im Jahre 1752 auf Schloss Roßwald in Schlesien statt. Die Gattin des Grafen wurde auf einem Scheiterhaufen eingeäschert. Für die Archäologin Alix Hänsel steht die christliche Feuerbestattung in einem gleichen religiösen Kontext wie die Feuerbestattungen in vorchristlichen Religionen.

"Da steckt im Grunde der gleiche Gedanke hinter. Das nämlich durch das Verbrennen, durch die Entäußerung alles Irdischen überhaupt die Möglichkeit entsteht, dass das in einer jenseitigen Welt ankommt. Nur durch die Zerstörung des Körpers, also des irdischen Seins ist es möglich, das in eine jenseitige Welt zu transferieren."

Ist dann der Tote eingeäschert, ist es womöglich immer noch nicht vorbei für ihn mit dem Feuer. Denn da ist eventuell noch das Höllenfeuer. Aber muss man das wörtlich nehmen?

"Einer der größten Theologen der Antike, der hat gesagt, naja, vielleicht kann man sich das als vernünftig denkender Mensch vorstellen, dass meine eigenen Gewissensqualen und das Brennen der Gewissensqualen das eigentlich schreckliche Höllenfeuer sind. Origenes, so hieß der Theologe, der in Alexandria lebte, der hatte die Vorstellung, ich werde sozusagen nach meinem Tode mit einem Mal plötzlich mit allen meinen Fehlern und Versäumnissen konfrontiert, und das schmerzt unendlich. Aber Origenes hatte auch die tröstliche Vorstellung, das brennt das dann auch weg."

In manchen Religionen ist die Hölle eine Art brennend läuternde "Durchgangsstation" auf dem Weg ins Paradies. Im Christentum hingegen ist sie der Ort "ewiger Verdammnis", mit einem Feuerfluss und einem Höllenberg. Für die ins dortige Fegefeuer Geworfenen herrscht nur noch, wie es in Matthäus 8, Vers 12 heißt,

"Heulen und Zähneklappern".

Oft ist viel zu wenig klar, dass bis zum Ende der Spätantike das Opfer zu jeder Religion, auch der christlichen, gehörte.

"Und zwar nicht das Opfer, wie wir es kennen, es kommt ein Klingelbeutel vorbei, (…) sondern Opfer in dem Sinne, dass ich ein makelloses Tier kaufe, und dieses makellose Tier geschlachtet und verbrannt wird."

"Und als die Flamme aufloderte vom Altar gen Himmel, fuhr der Engel des Herrn auf in der Flamme des Altars." (Hiob 15, Vers 30)

Für viele hochkarätige Maler aller Epochen, sagt Direktor Bernd Lindemann von der Berliner Gemäldegalerie, war das Darstellen von Feuer und Licht eine Herausforderung:

"Das Höllenfeuer zum Beispiel wird im 15. Jahrhundert als wunderbar lodernde Glut, als heftig züngelnde Flammen wiedergegeben. Es ist dann ab der Mitte des 16. Jahrhunderts auch ein Teil des Paragone, des Vergleichs zwischen den Malern und den Bildhauern, die Maler behaupten nämlich nicht zuletzt, dass sie gerade deswegen eine besonders hohe Kunst produzieren, weil sie Dinge darstellen können, die man zwar sieht, aber nicht berühren kann, wie etwa das Feuer und den Rauch. Und da spielt da Feuer in der Malerei eine große Rolle, genauso wie die Wolken. Die Bildhauer machen es ihnen dann aber nach. Von Gian Lorenzo Bellini gibt es einen berühmten Laurentius auf dem Rost, wo drunter glühende Kohlen liegen, und Bellini schafft es dann tatsächlich, Flammen aus Marmor wiederzugeben."

Von den vielen biblischen Höllen-, Fege-, Schwefel und Pechfeuern, den Flammenschwertern der Engel, Opferfeuer und Feuersbrünste ist sicherlich das friedlichste das Osterfeuer. Dessen Tradition ist bis heute lebendig.

"Wenn Sie mal gesehen haben, wie die Osternachtliturgie früher funktionierte. Die ganz dunkle Kirche, und dann wird, ich entsinne mich an viele eigene Erlebnisse, Sie stehen frierend draußen und dann wird um 5 Uhr morgens in einem Kohlenbecken Feuer entzündet. Und es wird die Osterkerze entzündet.

Die Osterkerze wird durch den Raum getragen, und man hört draußen das Knistern der Flammen und fühlt sich gleich angewärmt. Und dann werden Sie durch einen bestimmten Hymnus: "Lumen Christi", das wird immer höher angestimmt, Sie werden sozusagen immer mehr aufgebaut und immer fröhlicher, und das Licht erfüllt Sie regelrecht. Nein, Feuer spielt eine große Rolle."

"Wenn du durch Wasser gehst, will ich bei dir sein. Wenn du ins Feuer gehst, so sollst du nicht brennen."

Nein, das Element Feuer wird nicht aus den Kirchen verschwinden. Nicht als Kerzenlicht zu Ostern oder Adventslicht, nicht als Osterfeuer oder sonst wo. Denn womöglich bringt uns dieses Element mehr als die anderen näher zu uns hin, lässt die Ursubstanz in uns erfahrbar werden. Davon spricht auch Elke Wiget, die Feuerlauf-Lehrerin:

"Wenn man einen Wunsch dem Feuer übergibt, also direkter kann man ihn nicht zum Universum übertragen, weil heißer wird nirgendwo."