Michael Wolff: "Feuer und Zorn"
Rowohlt, 2018, 480 Seiten, 19,95 Euro
"Der größte Hochstapler, der je im Weißen Haus gesessen hat"
Seit Wochen ist das Buch "Fire and Fury" das Gesprächsthema in den Medien. "Trump hat keine Ahnung von Politik", so der Autor Michael Wolff. Daran lässt seine schonungslose Abrechnung mit Donald Trump als US-Präsident und als Mensch keinen Zweifel.
Er habe nicht die geringste Ahnung von Politik, sagt der Journalist Michael Wolff über Donald Trump. Der Autor des Buches "Feuer und Zorn" hatte während seiner Recherchen im Weißen Haus reichlich Gelegenheit, den US-Präsidenten aus verschiedensten Blickwinkeln zu betrachten. Das Ergebnis könnte kaum vernichtender sein.
Trump habe nicht nur keinen blassen Schimmer davon, was Politik eigentlich bedeute. Er sei vermutlich auch der bekannteste Frauenbelästiger in den Vereinigten Staaten, sagt Wolff, der im Deutschlandfunk Kultur kein Blatt vor den Mund nimmt.
(mkn)
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Das Interview im Wortlaut:
Liane von Billerbeck: Eins kann man sagen, der Autor Michael Wolff hat es geschafft, was die US-Demokraten seit Langem versuchen und woran sie bisher gescheitert sind, nämlich Donald Trump einen richtigen Schlag zu versetzen, und zwar mit seinem Buch "Fire and Fury", das jetzt auf Deutsch unter "Feuer und Zorn" erschienen ist. "Sie wünschten, das wären Fake News", wirbt der deutsche Verlag dafür. Michael Wolff ist mit seinem Buch in Deutschland unterwegs. Wir haben mit ihm gesprochen über die Recherche, die Folgen des Buches und auch die Kritik, dass der weltbekannte Autor unsauber gearbeitet habe. Michael Wolff, ich grüße Sie!
Michael Wolff: And I say hello!
von Billerbeck: Sie schreiben in Ihrem Buch, dass Sie während der Recherche eine Art Stammplatz auf einem Sofa im Westflügel des Weißen Hauses hatten. Warum sind Sie da nicht als Gefahr erkannt worden, warum hat Sie dort niemand weggescheucht?
Wolff: Sie haben in der Tat die Gefahr nicht erkannt. Keiner hatte Angst vor meinem Buch oder überhaupt vor einem Buch, weil alles, was sie damals interessiert hat, waren News, waren Nachrichten, das waren unmittelbare Dinge. Aber ein Buch, das schien so weit weg zu sein – das interessierte sie nicht. Sie fragten ab und zu, wann erscheint dieses Buch noch mal, und ich sagte immer, na ja, irgendwann im nächsten Jahr. Und dann waren sie ganz cool, das hat sie total beruhigt. Sie haben es überhaupt nicht als irgendwie eine politische Bedrohung aufgefasst, und ich glaube, ich bin ein guter Zuhörer, und irgendwann fühlten sie sich mit mir eigentlich relativ wohl.
von Billerbeck: Trump hat Sie also offenbar recherchieren lassen. Was hat er, was hat auch das System Trump, also die Leute um ihn herum, sich von Ihrer Recherche vielleicht versprochen?
Trump hat das Buchprojekt überhaupt nicht interessiert
Wolff: Ich glaube, dass Donald Trump nicht mehr als ein paar Minuten überhaupt darüber nachgedacht hat, ob er irgendwas davon hätte, dass ich dieses Buch schreibe. Und wie gesagt, dieses Buch, das hat ihn absolut nicht interessiert. Wir kannten uns ein wenig, weil wir beide aus New York stammen, und ich hatte im "New York Magazine" eine Kolumne, und Donald Trump hat ab und zu versucht, in diese Kolumne mit hineinzukommen. Dann habe ich eine Art Profil über ihn geschrieben im Juni 2016, das ihm wohl ganz gut gefallen hat, zumindest hat es ihm nicht missfallen. Ob er es je gelesen hat, weiß ich jedoch nicht. Ich war einfach für ihn jemand, dem er relativ freundlich verbunden war, und ich muss es noch mal betonen, das Chaos, das da im Weißen Haus geherrscht hat, sorgte einfach dafür, dass man mich da gar nicht richtig wahrgenommen hat.
von Billerbeck: Stephen Bannon ist ja eine zentrale Figur in Ihrem Buch, und der hat es ja hinterher bereut, so offensichtlich Stellung bezogen zu haben. Hatten Sie eigentlich nach der Veröffentlichung des Buches noch Kontakt zu ihm?
Wolff: Wir sind nicht noch einmal in Kontakt getreten. Aber ich glaube nicht wirklich, dass er das bereut hat, was er da gesagt hat. Er wusste ganz genau, was er sagt, und er wusste ganz genau, was er tat. Er hat ja auch im Nachhinein nichts in irgendeiner Form abgestritten. Er ist einfach ein gewiefter Stratege, und er sieht die Dinge wirklich auf lange Zeit. Ich bin sicher, er hat eine Strategie – ich weiß nur nicht, welche.
von Billerbeck: Das "Time Magazine" hat geschrieben, Sie hätten die Fähigkeit, den Wald zu sehen, ohne jeden einzelnen Baum erkennen zu können. Das sozusagen ein Lob an Ihre Art, zu recherchieren. Andererseits haben Ihnen Kritiker vorgeworfen, nicht faktentreu gewesen zu sein. Dass Sie aus Gesprächen zitieren, bei denen Sie gar nicht dabei gewesen sind, die Ihnen eben nur erzählt worden sind. Sie haben ja von dem Chaos erzählt, also während Sie da auf dem Sofa saßen, dass erst die einen aus Trumps Umfeld kamen und dann die anderen und gefragt hätten, was die jeweils anderen erzählt hätten. Und im Vorwort schreiben Sie auch, dass Sie nicht wissen, ob alle Informationen und Anekdoten der Wahrheit entsprechen. Wäre es da nicht besser gewesen, darauf zu verzichten?
"Ich bin kein politischer Schriftsteller"
Wolff: Die massivste Kritik kam von den Mitgliedern des Washingtoner Press Corps, also die Journalisten in Washington, die sich täglich mit dem Weißen Haus beschäftigen. Ich bin kein Mitglied von diesem Washingtoner Press Corps. Ich bin New Yorker. Ich bin nicht mal wirklich ein politischer Schriftsteller, sondern eher ein Medienjournalist. Ich glaube, dass die Washingtoner auch in gewisser Weise irritiert waren, dass ich ihnen ihre Story geklaut habe. Und mein Buch war extrem erfolgreich, und das hat sie sehr verwirrt, diese Reporter, die sich täglich eben mit den Geschichten des Weißen Hauses beschäftigen, weil ich anscheinend das geschrieben habe, was die Leser wirklich lesen möchten. Aber ich stehe zu allem, was ich in meinem Buch schreibe. Ich stehe auch zu meiner Methode, die, glaube ich, sehr offen und transparent ist. Ich bin ins Weiße Haus gegangen und habe gesagt, ich bin im Weißen Haus, weil ich ein Buch schreiben möchte. Es war nicht klar, ob das ein negatives Buch wird. Das war mir auch nicht klar, als ich es geschrieben habe. Ich kann nur sagen, anscheinend habe ich die Leser mit meinem Buch angesprochen, und ich habe einfach nur meinen Job gemacht.
von Billerbeck: In einem Interview haben Sie sich auch zu der Frage geäußert, und das fällt mir jetzt ein, weil Sie gesagt haben, Sie sind kein politischer Autor, es ging um die Frage, ob Trump Affären haben könnte. Ist das denn für die Berichterstattung relevant, oder sehen Sie Ihr Buch letztlich gar nicht als ein politisches Buch an?
Eine Fluglinie kaufte Trump wegen der hübschen Stewardessen
Wolff: Hier sind ja eigentlich zwei Fragen. Kommen wir erst mal zur zweiten Frage, ob mein Buch ein politisches Buch ist. Nein, es ist kein explizit politisches Buch. Es ist ein Buch über den Präsidenten der USA, es ist ein Buch über das Weiße Haus. Und natürlich spielt Politik eine ganz starke Rolle, aber es ging mir eher um die Leute im Weißen Haus, um diese Figuren, um ihren Charakter, um ihre Motivationen. Und natürlich setzen sie sich mit Politik auseinander. Ob Trump Affären hatte, ob er jetzt konkret eine Affäre hatte, das weiß ich nicht. Aber er hat immer Frauen nachgestellt, das ist einfach in seiner Natur, und das hat sein Leben in einer gewissen Weise und auch seine Karriere immer wieder determiniert. Er hat sich immer wieder mit Modelagenturen, mit Schönheitswettbewerben und so weiter befasst. Er hat auch mal eine Fluglinie gekauft, die übrigens kurz danach pleite gegangen ist, und hat erklärt, er hätte sie nur gekauft, weil die Stewardessen so schön gewesen seien. Also, es ist einfach so, dass das in seinem Leben eine ganz große Rolle einnimmt, dass er Frauen hinterhersteigt, und das hat er auch nie abgestritten. Insofern geht es jetzt gar nicht darum, ob er konkrete Affären hat oder nicht, aber man kann, glaube ich, sagen, und ich glaube, man ist da nicht unfair, dass er zurzeit in den USA der bekannteste Mann ist, der Frauen belästigt.
von Billerbeck: Beim Lesen, da muss man ja zwangsläufig denken, Trump ist ein Trottel, er ist ichbezogen, unfähig, ohne Verständnis für Zusammenhänge und auch ungehobelt. Wenn wir uns erinnern, neulich das Treffen mit Angehörigen der Opfer des Attentats auf die Schule in Florida, wo ein Zettel gezeigt wurde, auf dem Stand "I hear you". Ist das so einfach mit Donald Trump, also what you get is what you see?
Wolff: Das trifft es ziemlich. Er ist wirklich der transparenteste US-Präsident, der je im Weißen Haus war. Er ist weit weniger kompliziert als seine Kritiker und auch seine Anhänger behaupten. Wenn der Kaiser keine Kleider trägt, wenn das in irgendeiner Weise berechtigt ist, dann trifft das total auf Trump zu. Der ist mit Sicherheit der größte Hochstapler, der je im Weißen Haus gesessen hat.
von Billerbeck: Beim Erscheinen des Buches, da wurde ja spekuliert, ob es möglicherweise das Potenzial habe, das Ende von Trumps Präsidentschaft einzuleiten. Davon ist inzwischen nicht mehr die Rede. Trump hat die Kritik irgendwie einfach ausgesessen. Ist er also zwar unfähig, aber auch auf erstaunliche Weise nicht verletzbar?
Wolff: Ich glaube, das Gegenteil ist der Fall. Durch das Buch hat man sich wirklich die Frage gestellt, ist dieser Mann überhaupt fit für diesen wichtigen Job da im Weißen Haus? Wenn man sich anschaut, wie die Machtzentralen zurzeit in Amerika beschaffen sind, wenn man sich anschaut, was mit der Justiz gerade geschieht, was in den Medien geschieht, diese permanenten Fragen nach seinem Frauenbild, der Zustand der republikanischen Partei. Jede dieser Kräfte in sich hat das zerstörerische Potenzial, das Ende von Trump einzuläuten, und ich glaube, irgendwann wird er deshalb diesen Job einfach hinschmeißen, weil er einfach erschöpft ist.
"Er interessiert sich nicht für Politik"
von Billerbeck: Da stellt man sich die Frage, ob Ihr Buch nicht doch ein politisches Buch ist, Herr Wolff. Aber was meinen Sie, wie werden die Vereinigten Staaten am Ende von Trumps Präsidentschaft aussehen, wann immer sie denn enden mag?
Wolff: Ich kann natürlich nur meine subjektive Meinung zu geben. Ich weiß natürlich nicht, was da am Ende stehen wird, aber ich glaube, man muss das einfach wie ein ganz großes Experiment sehen. Und für viele, die desillusioniert waren mit Politikern, war er Teil dieses Experiments. Er ist kein Politiker, er hat keine Ahnung von Politik. Er interessiert sich nicht einmal für Politik, und er kommt nicht im Entferntesten an irgendetwas heran, was einen Politiker ausmacht. Und deswegen denke ich, haben die Leute sich für ein gewisses Risiko entschieden, und am Ende dieser Amtszeit wird man feststellen, dass dieses Experiment gescheitert ist. Und Trump als Präsident, das ist irgendwie wie so ein riesengroßer Asteroid. Er ist auf jeden Fall der größte Irrtum der amerikanischen Geschichte, wenn es um die Präsidentschaft geht.
von Billerbeck: Kurze Frage zum Schluss, Michael Wolff. Wird es jemals einen Buchautor geben wieder im Westflügel des Weißen Hauses, solange Trump dort regiert?
Wolff: Ich halte das für total glaubwürdig, dass da wieder jemand sich in den West Wing begeben darf, weil Trump ist jemand, der denkt überhaupt nichts durch, der lebt wirklich nur im Moment, und ich kann allen Journalisten empfehlen, ruft doch mal an und fragt, ob ihr ins Weiße Haus gehen dürft.
von Billerbeck: Michael Wolff war das, Autor des Buches "Fire and Fury", auf Deutsch jetzt als "Feuer und Zorn im Weißen Haus von Donald Trump" bei Rowohlt erschienen, von acht Übersetzern übersetzt. 480 Seiten kosten 19,95 Euro. Besten Dank, Michael Wolff, für das Gespräch, das mein Kollege Jörg Taszman übersetzt hat.
Wolff: Thank you!
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio Kultur macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.