Feuerstein führt Klassik ein

Herbert Feuerstein ist ein musikkundiger Komödiant, hat das Mozarteum in Salzburg besucht - Klavier, Cembalo und Komposition belegt - ist also Kenner und Könner, auch wenn er die Einrichtung vor Abschluss verließ. Seit einigen Jahren macht er die Konzertsäle zwischen Bremen und Wien mit seiner Art von Klassik-Präsentationen unsicher. Für den 30. Mai hat er einen Haydn-Spaß angedroht.
Ein Gespräch mit Herbert Feuerstein, das Stefan Lang führte:
Herr Feuerstein, Sie haben am Salzburger Mozarteum studiert, 1959 aber trennten sich die Wege -im "Linzer Volksblatt" haben Sie gegen den Salzburger Hochschulpräsidenten Bernhard Paumgartner gestichelt, war das der Anfang oder das Ende Ihrer Karriere?

Es ist ja so, dass ich mir diesen Tritt mehr oder weniger selber gegeben habe. Es war eine kritische Zeit, ich habe mich dem Schreiben schon sehr verbunden gefühlt, habe immer in anderen Zeitungen unter anderem Namen Musikkritiken über Kollegen geschrieben. Das macht man ja eigentlich nicht, die haben das auch sofort rausgefunden, haben mich auch mal geohrfeigt deswegen. Da hab ich gedacht: Meine Zeit ist gekommen! Ich muss da so langsam gehen. Das war für mich nachgerade sehr gut, wie so oft ... das war ein Anstoß dafür, was völlig Neues zu probieren. Wäre ich geblieben, wäre ich ein ganz schlechter Musiker oder vielleicht einer von den ganz bösartigen Komponisten der zweiten Reihe geworden, die immer warten, dass jemand an sie denkt und ihnen einen Preis verpasst. Oder noch schlimmer für die Menschheit: Ich wäre heute Festspielpräsident in Salzburg. So hab ich gemerkt: Die Welt hat genug schlechte Musiker, die braucht mich nicht auch noch.

Musik hat Sie aber dann nie losgelassen. Es gab immer Zeiten in Ihrem Leben, in denen Sie auf die musikalischen Wurzeln zurückgekommen sind?

Wenn man mich lässt, bin ich bereit, alles Mögliche zu machen! Ich habe, als ich 15 Jahre alt war, mein erstes Werk komponiert, eine Messe im alten lateinischen Stil, die wurde auch in der Schule aufgeführt, der Direktor schüttelte mir die Hand. Dann habe ich am Mozarteum auch viele Sänger begleitet - für einige habe ich auch Lieder geschrieben. Ich habe da schon kräftig dilettiert. Das hat aber dann schnell aufgehört. 40 Jahre war dann Schluss! Jetzt, seit einigen Jahren, fängt das wieder an. Ich entwickle Programme, die natürlich auch Erinnerungsprogramme sind. Mit Mozart kann man gut in eine absurdere Ecke gehen, oder: Die schönsten Krankheiten der größten Komponisten, oder: Kompositionen für Tiere! Ein Thema, dem ich mich besonders gerne gewidmet habe: Liebe und Sex von Komponisten - am liebsten hätte ich dieses Programm genannt: "Die schönsten Werke der geilsten Komponisten". Das kann man aber so nicht tun, ich habe es dann "Herz-Rhythmus-Störungen" betitelt.

Über solche Themen verschafft man einen relativ unverstellten Zugang zur Klassik, oder?

Ich mein das auch. Ich selber sehe mich da als Journalist, als Klatsch-Journalist, man ist ja da immer Transporteur von solchen Dingen und eine "Klatsch-Tante", egal auf welchem Niveau.
Hinter jedem Komponisten steht nun mal der Mensch, steht ein Schicksal - das rührt einen an. Ich glaube, für einen, der jetzt akademisch nicht vorgebildet ist oder der keine musikalische Grunderfahrung hat, für den kann es eine interessante Brücke sein, über das Leben des Komponisten etwas zu erfahren, das macht neugierig. Wir leben nun mal in einer Zeit, wo man sich um neues Publikum Gedanken machen muss und da freue ich mich, wenn man mich als Transporteur von solchen Sachen benutzt.

Man muss der Musik vielleicht etwas die Keuschheit nehmen?

Das ist ja das Wichtige an der Keuschheit: Die Keuschheit funktioniert nur, wenn man die Lust kennt - wenn man nicht die Sünde kennt, da kann man doch nicht keusch bleiben.

Man muss also die Formen aufbrechen! Es braucht so einen wie den Feuerstein, der auf abwegige Gedanken kommt, um die Klassik-Szene etwas zu erden?

Ich glaube man braucht einen, der nicht feige ist, die akademischen Schranken zu überwinden.
Man ist ja in der Hingehensweise als Dilettant und Profi bemüht, in seinen Kreisen zu bleiben. Wenn man dann populistisch wird, hat jeder gleich die Angst, das wäre jetzt billig und platt. Die Angst habe ich jetzt mehr und mehr abgelegt. Es bedarf eben eines gewissen Alters und braucht vielleicht auch die Erfahrungen im Show-Geschäft, um das zu schaffen. Ich glaube, die Bereitschaft populär zu sein, auf der gleichen aber fordernden Ebene mit den Leuten zu sprechen, ist zu wenig ausgeprägt. Mir hilft da die große Erfahrung, die ich im Umgang mit dem Publikum habe. Man muss da oft während der "Show" probieren, muss Haltungen wechseln, muss experimentieren - was klappt und was nicht. Ich freue mich, wenn herzhaft gelacht wird, das ist ja kein Antirespekt, sondern ist Ausdruck von großer Nähe.


Radialsystem V Berlin
Aufzeichnung vom 30.5.2008
"Feuerstein führt Klassik ein – Ein Haydn Spaß!"

Ausschnitte aus Sinfonien von Joseph Haydn und

Wolfgang Amadeus Mozart
"Der Schauspieldirektor", Ouvertüre KV 486

Ludwig van Beethoven
"Die Wut über den verlorenen Groschen" op. 129
(Orchesterfassung von Viatcheslav Oulanovski)


Herbert Feuerstein, Moderation
Rundfunk-Sinfonieorchester Berlin
Leitung: Catherine Rückwardt