Fieser Fadenwurm bedroht deutsche Kiefern

Frank Setzer im Gespräch mit Ute Welty |
Die Kiefernholznematode stammt eigentlich aus Nordamerika, richtet dort aber durch jahrtausendelange Anpassung von Wurm und Kiefer keine Schäden an. In Portugal schädigt der Fadenwurm ganze Kiefernholzwälder, und auch in Deutschland könnte er, durch den Klimawandel begünstigt, sich ausbreiten.
Ute Welty: Da ist der Wurm drin, im Wald – zwar noch nicht im deutschen, aber bereits im portugiesischen. Seit zehn Jahren wütet dort die sogenannte Kiefernholznematode, ein fieser Fadenwurm, der es eben besonders auf Kiefern abgesehen hat. Wissenschaftler aus der ganzen Welt diskutieren zurzeit in Braunschweig darüber, wie man dem Wurm Einhalt gebieten kann, und Aufklärung erhoffen wir uns hier in Deutschlandradio Kultur von Frank Setzer, Experte für Forstpolitik und Umweltrecht an der Fachhochschule Erfurt. Guten Morgen!

Frank Setzer: Guten Morgen!

Welty: Macht Ihnen der Wurm auch so Sorgen wie den Kollegen?

Setzer: Ja! Der Wurm macht mir noch erhebliche Sorgen. Er ist schon sehr gefährlich, das darf man an der Stelle ruhig mal sagen. Er kommt bei uns Gott sei Dank noch nicht in Deutschland vor, aber wir haben gute Voraussetzungen, dass er sich auch bei uns zukünftig sehr wohl fühlen wird.

Welty: Was würde der Wurm denn machen, wenn er da wäre?

Setzer: Er würde die Kiefernbestände, die bei uns in Deutschland immerhin 23 Prozent der gesamten Waldfläche einnehmen, doch erheblich schädigen können. Er führt zusammen mit einem Bockkäfer zur Kiefernwelke, also zum Absterben des Baumes. Maßnahmen dagegen gibt es eigentlich nur, indem man die Bestände dann großflächig fällt, und das würde doch enorme wirtschaftliche Konsequenzen für die deutsche Forst- und Holzwirtschaft bedeuten.

Welty: Warum ist das so? Man würde ja meinen, dass die Hochzeit des Kiefernholzregals doch vorbei ist.

Setzer: Nun ja, wir haben in Deutschland 23 Prozent der gesamten Fläche aus Kiefern und die Kiefer hat eine ökologische Nische, wo sie nur in Brandenburg, Niedersachsen und so besonders stark vorkommt. Die Böden dort sind so schlecht, dass dort kaum andere Baumarten wachsen.

Welty: Also wenn die Kiefer da nicht mehr wächst, wächst da gar nichts mehr?

Setzer: Doch, dann wachsen auch andere Baumarten, zum Beispiel die Eiche, die ähnliche Ansprüche an den Boden hat. Aber auch die Eiche macht uns aus Forstschutzgründen sehr große Sorgen, Stichwort Eichensterben.

Welty: Wie lange braucht denn so ein Fadenwurm von Portugal bis nach Deutschland? Oder anders gefragt: Warum ist Deutschland bislang verschont geblieben?

Setzer: Das hängt mit Sicherheit mit den klimatischen Bedingungen bei uns zusammen. Er braucht um die 20 Grad, um sich entwickeln zu können. Das sehen Sie: Er fühlt sich in den südeuropäischen Ländern wohl, er kommt aus China, Japan, Nordamerika, wo es deutlich wärmer ist als bei uns. Man sagt, er braucht ungefähr 20 Grad, und das haben wir bisher jedenfalls nur an wenigen Tagen in Deutschland. Das wird sich mit dem Klimawandel aber mit Sicherheit ändern, sodass er eben hier dann optimale Voraussetzungen findet: große Kiefernbestände, warm, was will der Fadenwurm mehr?

Welty: Was kann man denn konkret tun gegen den Wurm? Sie haben eben gesagt, wenn er einmal da ist, hilft nur Abholzen. Aber es muss doch irgendeine Maßnahme geben im Vorfeld.

Setzer: Im Vorfeld – und da sind die Waldbesitzerinnen und Waldbesitzer und die Forstleute in Deutschland schon aktiv dabei – ist es sinnvoll, diese Kiefern-Reinbestände, die bei uns großflächig vorkommen, in stabile Mischbestände umzuwandeln. Dadurch sinkt natürlich das Risiko. Wir haben schlichtweg weniger Kiefernbäume dann, indem wir Eiche beimischen, und natürlich der Fadenwurm braucht praktisch einfach länger, um sich zu verbreiten.

Welty: Aber Sie haben ja eben schon gesagt, dass auch die deutsche Eiche nicht mehr das ist, was sie mal war.

Setzer: Ja, Stichwort Eichensterben. Die Eiche macht uns seit mehreren Jahren eigentlich schon immer große Sorgen. Woran es letztlich liegt, da gibt es sehr viele Untersuchungen. Es ist eine Komplexkrankheit, die sowohl von, ich sage mal, biotischen Dingen, also alles lebende, abiotischen Dingen abhängt wie Trockenheit. Der Eiche wird von mehreren Seiten sehr stark zugesetzt momentan und sie ist eigentlich, wenn man auch den Waldzustandsbericht sich anschaut, doch sehr, sehr krank.

Welty: Borkenkäfer, Prozessionsspinner und jetzt die Kiefernholznematode – welches possierliche Tierchen könnte danach dem Wald zusetzen?

Setzer: Das vermag ich jetzt nicht zu sagen. Wissen Sie, das Problem ist: der Wald, der braucht sehr lange, um zu wachsen, und wer heute sagen kann, was in 50 oder 100 Jahren im deutschen Wald los ist, ich glaube, der würde ein reicher Mann sein. Das Problem ist: Der Wald ist durch sein langsames Wachstum nur sehr langsam auch fähig, sich auf veränderte Rahmenbedingungen einzustellen. Und das Stichwort Klimawandel zeigt uns doch, wie schnell sich eigentlich die Umwelt ändert und der Wald sich da eigentlich nicht anpassen kann.

Welty: Inwieweit bedroht dieses ganze Szenario den Wirtschaftsfaktor Wald?

Setzer: Den beeinträchtigt er sehr stark. Nur mal so ein paar Eckzahlen: Nur alleine die Forstwirtschaft in Deutschland macht ungefähr vier Milliarden Euro. Nehmen wir dort die Holz be- und verarbeitende Industrie dazu, also die Sägewerke, das Baugewerbe, Papiergewerbe alles dazu, kommen wir auf einen Jahresumsatz von um die 168 Milliarden Euro, und da hängen also auch ein ganzer Teil Beschäftigte dran. Wir reden da so von 1,2 Millionen Beschäftigten. Der Forstsektor, der ist so ein bisschen aus dem öffentlichen Bewusstsein entrückt, aber er ist ein sehr, sehr großer, ein sehr, sehr starker Sektor, und geht es der Forstwirtschaft nicht gut, dann geht es auch der Volkswirtschaft in Deutschland nicht gut. Das muss man einfach sagen.

Welty: ... , sagt der Forstexperte Frank Setzer über den Wurm im Wald, mit dem gar nicht gut Kirschenessen ist. Ich danke für diese Informationen.

Setzer: Danke Ihnen auch – auf Wiederhören!

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