Fieslinge aus besten Kreisen
Die Familien Melrose hat zu einem festlichen Diner in ihr südfranzösisches Domizil geladen. Gastgeber und Gäste nutzen die Gelegenheit, um sich verbale Gefechte auf höchstem Niveau zu liefern. "Schöne Verhältnisse" von Edward St. Aubyn ist der erste Teil einer mittlerweile auf vier Bände angewachsenen Familiensaga und nun auf Deutsch erschienen.
Es ist eine feine Gesellschaft, die sich an diesem Septembertag im südfranzösischen Domizil der Familie Melrose zu einem festlichen Diner samt rituellem Austausch von Gemeinheiten zusammenfindet.
Da wäre zunächst der Hausherr, David Melrose, enterbter Generalsspross, begabter, aber gescheiterter Pianist, Doktor der Medizin, der sich, statt zu praktizieren, von seiner reichen amerikanischen Gemahlin Eleanor aushalten lässt, wofür er ihr zum Dank das Leben zur Hölle macht. In "Schöne Verhältnisse", dem ersten Teil dieser auf mittlerweile vier Bände angewachsenen Familiensaga von Edward St Aubyn, bereits 1992 in England, aber erst jetzt auf Deutsch erschienen, nachdem der Autor letztes Jahr mit "Mother’s Milk" einen Bestseller landete und für den renommierten Booker Prize nominiert wurde, erleben wir diesen Fiesling aus besten Kreisen wie er gleich zu Beginn eine Ameisenkolonie ersäuft, das Personal schikaniert, später dann seinen Sohn quält und schließlich schändet. Die Gattin wiederum bekämpft ihren Kummer mit Alkohol und anderen Betäubungsmitteln, treibt sich mit einer Freundin in einem Western-Park herum oder füllt Schecks fürs Kinderhilfswerk aus, statt sich um ihren Trost suchenden Sohn zu kümmern. Wen wundert’s, dass sich der fünfjährige Patrick in allerlei selbstmörderischen Spielen und Gewaltphantasien ergeht?
Für den Jungen, der, wie Edward St Aubyn einem Interviewer gestand, durchaus stark autobiographische Züge trägt, sind die Erwachsenen ausnahmslos eine verlogene Bande: "Alle gebrauchten seinen Namen, aber keiner wusste, wer er war. Eines Tages würde er mit den Köpfen seiner Feinde Fußball spielen." Das gilt auch für Anne, die vielleicht noch sympathischste Figur dieses Buches, eine amerikanische Journalistin und Lebensabschnittsgefährtin von Sir Victor Eisen, ein Schulfreund von David und namhafter Philosoph, der unter Schreib- und Denkblockade leidet, dafür aber die Kühnheit besitzt, mit einem speckigen Pullover zum Abendessen im Haus der Melroses zu erscheinen. Was ihm denn auch prompt mit spitzer Zunge von Nicholas Pratt vorgehalten wird, einem Baronet und stinkreichen Großgrundbesitzer, der sich mit seiner jungen Geliebten Bridget, ihres Zeichens Partygirl und Vertreterin des Swinging London, zum Diner im Süden Frankreichs einfindet. Aber auch er entpuppt sich letztlich nur als Kriecher und tumber Nichtstuer, der sich beim Gastgeber einschmeicheln, ihm seinerseits mit Gemeinheiten gefallen will und dennoch nicht mit dessen erlesener Grausamkeit mithalten kann.
Dabei zeichnet Edward St Aubyn, der selbst aus einer Aristokratenfamilie stammt, die Figuren seines Romans keineswegs als Zerrbilder oder bloße Karikaturen. Ohne vordergründige Psychologisierung, aber mit präzisem, elegantem Stil und geschliffenen Dialogen entwirft er durchaus vielschichtige Persönlichkeitsprofile. Denn diese Ungeheuer mit ihren verbalen Florettfechtereien, die jederzeit zu einem gemeinen Hauen und Stechen ausarten können, sind letztlich auch nur Getriebene, Opfer ihrer Herkunft, geprägt von der auf britischen Eliteschulen gepflegten menschlichen Kälte und den Schindereien so genannter Initiationsrituale.
So endet der Roman denn auch mit einem Alptraum, aus dem der fiese David Melrose hochfährt, einem von vielen offenbar, wundert er sich doch: "Warum zum Teufel sagte man immer ‚Es war nur ein Traum‘? Seine Träume räderten und vierteilten ihn. Sie schienen sich zu einer tieferen Schicht der Schlaflosigkeit zu öffnen, als wollte man ihn nur einlullen, um ihm dann zu zeigen, dass er keine Ruhe finden würde."
Man darf gespannt sein, wie es mit der Familie Melrose weitergeht.
Rezensiert von Georg Schmidt
Edward St. Aubyn: Schöne Verhältnisse
Aus dem Englischen von Ingo Herzke
DuMont Literatur und Kunst Verlag, Köln
188 Seiten, 17,90 Euro
Da wäre zunächst der Hausherr, David Melrose, enterbter Generalsspross, begabter, aber gescheiterter Pianist, Doktor der Medizin, der sich, statt zu praktizieren, von seiner reichen amerikanischen Gemahlin Eleanor aushalten lässt, wofür er ihr zum Dank das Leben zur Hölle macht. In "Schöne Verhältnisse", dem ersten Teil dieser auf mittlerweile vier Bände angewachsenen Familiensaga von Edward St Aubyn, bereits 1992 in England, aber erst jetzt auf Deutsch erschienen, nachdem der Autor letztes Jahr mit "Mother’s Milk" einen Bestseller landete und für den renommierten Booker Prize nominiert wurde, erleben wir diesen Fiesling aus besten Kreisen wie er gleich zu Beginn eine Ameisenkolonie ersäuft, das Personal schikaniert, später dann seinen Sohn quält und schließlich schändet. Die Gattin wiederum bekämpft ihren Kummer mit Alkohol und anderen Betäubungsmitteln, treibt sich mit einer Freundin in einem Western-Park herum oder füllt Schecks fürs Kinderhilfswerk aus, statt sich um ihren Trost suchenden Sohn zu kümmern. Wen wundert’s, dass sich der fünfjährige Patrick in allerlei selbstmörderischen Spielen und Gewaltphantasien ergeht?
Für den Jungen, der, wie Edward St Aubyn einem Interviewer gestand, durchaus stark autobiographische Züge trägt, sind die Erwachsenen ausnahmslos eine verlogene Bande: "Alle gebrauchten seinen Namen, aber keiner wusste, wer er war. Eines Tages würde er mit den Köpfen seiner Feinde Fußball spielen." Das gilt auch für Anne, die vielleicht noch sympathischste Figur dieses Buches, eine amerikanische Journalistin und Lebensabschnittsgefährtin von Sir Victor Eisen, ein Schulfreund von David und namhafter Philosoph, der unter Schreib- und Denkblockade leidet, dafür aber die Kühnheit besitzt, mit einem speckigen Pullover zum Abendessen im Haus der Melroses zu erscheinen. Was ihm denn auch prompt mit spitzer Zunge von Nicholas Pratt vorgehalten wird, einem Baronet und stinkreichen Großgrundbesitzer, der sich mit seiner jungen Geliebten Bridget, ihres Zeichens Partygirl und Vertreterin des Swinging London, zum Diner im Süden Frankreichs einfindet. Aber auch er entpuppt sich letztlich nur als Kriecher und tumber Nichtstuer, der sich beim Gastgeber einschmeicheln, ihm seinerseits mit Gemeinheiten gefallen will und dennoch nicht mit dessen erlesener Grausamkeit mithalten kann.
Dabei zeichnet Edward St Aubyn, der selbst aus einer Aristokratenfamilie stammt, die Figuren seines Romans keineswegs als Zerrbilder oder bloße Karikaturen. Ohne vordergründige Psychologisierung, aber mit präzisem, elegantem Stil und geschliffenen Dialogen entwirft er durchaus vielschichtige Persönlichkeitsprofile. Denn diese Ungeheuer mit ihren verbalen Florettfechtereien, die jederzeit zu einem gemeinen Hauen und Stechen ausarten können, sind letztlich auch nur Getriebene, Opfer ihrer Herkunft, geprägt von der auf britischen Eliteschulen gepflegten menschlichen Kälte und den Schindereien so genannter Initiationsrituale.
So endet der Roman denn auch mit einem Alptraum, aus dem der fiese David Melrose hochfährt, einem von vielen offenbar, wundert er sich doch: "Warum zum Teufel sagte man immer ‚Es war nur ein Traum‘? Seine Träume räderten und vierteilten ihn. Sie schienen sich zu einer tieferen Schicht der Schlaflosigkeit zu öffnen, als wollte man ihn nur einlullen, um ihm dann zu zeigen, dass er keine Ruhe finden würde."
Man darf gespannt sein, wie es mit der Familie Melrose weitergeht.
Rezensiert von Georg Schmidt
Edward St. Aubyn: Schöne Verhältnisse
Aus dem Englischen von Ingo Herzke
DuMont Literatur und Kunst Verlag, Köln
188 Seiten, 17,90 Euro