"Das schweigende Klassenzimmer", Deutschland 2018, 111 Minuten
Regie: Lars Kraume, Mit: Leonard Schleicher, Tom Gramenz. Lena Klenke, Ronald Zehrfeld, Florian Lukas, Michael Gwisdek
Schweigen als revolutionärer Akt
Eine DDR-Abiturklasse hält im Film "Das schweigende Klassenzimmer" eine Schweigeminute anlässlich der Opfer des ungarischen Volksaufstands 1956 ab. Die solidarische Geste bringt Reaktionen mit sich, mit denen keiner von ihnen gerechnet hat.
Worum es geht:
Im Zentrum der Geschichte steht eine DDR-Abiturklasse, die eine Schweigeminute anlässlich der Opfer des ungarischen Volksaufstands im Jahr 1956 abhält. Die solidarische Geste bringt Reaktionen mit sich, mit denen weder die Schüler, ihr privates Umfeld noch die Schulleitung gerechnet haben. Der Volksbildungsminister interpretiert die Aktion als konterrevolutionären Akt und will ein Exempel statuieren. Der Rädelsführer soll gefunden und verurteilt werden.
Das Besondere:
Schon in "Der Staat gegen Fritz Bauer" gelang es Lars Kraume, durch Ausstattung und Kostüme, die fünfziger Jahre in der BRD zu vergegenwärtigen. Sein neuer Film erfasst wiederum präzise die Textur der DDR, öffnet den Blick für einen Staat, der gerade im Entstehen ist. Schauplatz ist die Vorzeigesiedlung Stalinstadt, in deren Architektur sich die Ideale des Arbeiterstaates manifestieren sollten. Es herrscht Aufbruchsstimmung, doch scheinen die neuen Gebäude kein individuelles Leben zu ermöglichen. In den Musterwohnungen soll nach Plan gelebt werden. In den Schulen tragen die Direktoren Uniform. Ganz anders schaut es hingegen bei dem von Michael Gwisdek gespielten Anarchisten Edgar aus. In seinem Haus herrscht heitere Unordnung, und hier kann man ungestört den RIAS-Sender aus Westberlin hören.
Die Bewertung:
Lars Kraume hält sein großartig aufspielendes Ensemble geschickt zusammen, keine der Figuren ist nur Funktionsträger, alle entwickeln ein Eigenleben. Über die Elterngeneration werden die Utopien der DDR verhandelt, aber auch die deutsche Geschichte, denn auch im Osten konnten Nazis Karriere machen. Die Schüler und Schülerinnen arbeiten sich hingegen an den Ideen des jungen Staates regelrecht ab. Sie rebellieren, weil sie an eine Gerechtigkeit jenseits von Ideologien und politischen Vorgaben glauben. Der auf wahren Begebenheiten beruhende Film ist lebendiger Geschichtsunterricht, der sein Publikum berühren möchte.