Film der Woche: "The Cleaners"

Sie putzen das Internet

Filmstill aus "The Cleaners": Man sieht eine PErson an einem Arbeitsplatz vor einem PC in VogelperspektiveEnthauptungen, Vergewaltigungen, Morde, Bombenexplosionen - "Content Moderatoren" löschen, was uns nicht zumutbar ist
Enthauptungen, Vergewaltigungen, Morde, Bombenexplosionen - "Content Moderatoren" löschen, was uns nicht zumutbar ist © gebrueder beetz filmproduktion
Von Hartwig Tegeler |
Enthauptungen, Vergewaltigungen, Bombenexplosionen: In Manila reinigen Arbeiterinnen und Arbeiter das Internet von "bösen" Inhalten. Sie sind die outgesourcte digitale Zensur der Gegenwart. Der Dokfilm "The Cleaners" macht sie zu Protagonisten und stellt wichtige Fragen.
Welche Realität ist die Realität, die uns das Internet und die Sozialen Netzwerke vermitteln, welche Wahrnehmung bieten sie uns an? Dies ist eine wichtige Frage in Zeiten, in denen die Silicon-Valley-Maschinen ihre Unschuld verloren haben, Wahlen beeinflussen, Filterblasen konstruieren und Mark Zuckerberg vor dem US-Repräsentantenhaus herumeiert.
Die Realität, die sich uns bei YouTube, Facebook oder Google vermittelt, ist aber abhängig von ihrem Inhalt, dem "content", und diesen "content" von seinen Extremen zu säubern, ist die Aufgabe von sogenannten "Content Managern". Sie stehen im Mittelpunkt des Dokumentarfilms "The Cleaners", der in dieser Woche in unseren Kinos anläuft und die Frage stellt, wo gelöscht werden muss und wo da dann Zensur beginnt.

Worum geht es?

In Manila löschen sogenannte "Content Moderatoren" in Zehn-Stunden-Schichten tausende und abertausende Bilder und Videos über das, was uns nicht zumutbar ist: Enthauptungen, Vergewaltigungen, Morde, Bombenexplosionen. Nach monatelanger Recherche konnten die Filmemacher Hans Block und Moritz Riesewieck zu fünf dieser Arbeiter Kontakt herstellen und mit deren Erzählungen einen Blick auf eine gigantische Schattenindustrie werfen. Ein eindrucksvolles Bild über ein digitales Lumenproletariat, das als Alternative nur das Müllsammeln hätte, wie eine Frau in "The Cleaners" sagt.
Moritz Riesewieck, Hans Block und Fillipp Gromov: Die Macher von "The Cleaners" bei der Ehrung für den besten Dkumentarfilm beim Internationalen Filmfestival in Moskau im April 2018
Moritz Riesewieck, Hans Block und Fillipp Gromov: Die Macher von "The Cleaners" bei der Ehrung für den besten Dkumentarfilm beim Internationalen Filmfestival in Moskau im April 2018© picture alliance / Evgenya Novozhenina/Sputnik/dpa

Das Besondere

Dieser Dokumentarfilm bleibt nicht bei der Beschreibung der berührenden Schicksale dieser Männer und Frauen, die selber davon ausgehen, dass sie einen wichtigen Job machen, um der Welt das Böse zu ersparen. "The Cleaners" öffnet vielmehr zusätzlich den Blick auf die Hintergründe der outgesourcten digitalen Zensur, denn die Filmemacher stellen fest, dass die Kriterien der durchgeführten Säuberungen vollkommen undurchsichtig sind und die zum Problem werden, wenn nicht nur Enthauptungs-Videos, sondern auch Kunst, Satire oder kritische politische Stimmen undurchsichtigen Löschentscheidungen zum Opfer fallen. Gesprächspartner wie David Kaye, UN-Sonderbeauftragter für Medien, verleiht in der Doku seiner Befürchtung Ausdruck, dass diese Onlinezensur fatale Auswirkungen auf Meinungsvielfalt und kritisches Denken hat.

Die Bewertung

Der eindrucksvolle Dokumentarfilm "The Cleaners" beginnt mit den Schicksalen der "Content Moderatoren" und ihrer traumatisierenden Arbeit in Manila, um dann jedoch das Bild weiter aufzuziehen. Es wird deutlich, wie die utopische Vision einer vernetzten Internetgemeinde längst zum Albtraum geworden ist. Und wie gigantische globale Konzerne à la Google, Facebook, Amazon und Apple bestimmend werden für unsere Wahrnehmung der Realität, ohne dass irgendjemand die Kriterien dieser Wahrnehmung offenlegt. Es geht in "The Cleaners" - um es mit den Worten des Kritikers des digitalen Kapitalismus, Jaron Lanier, zu sagen - um den "trügerischen Anschein der Neutralität", den Hans Blick und Moritz Rieswieck als Chimäre entlarven.

"The Cleaners" - Dokumentarfilm von Hans Block und Moritz Riesewieck
Deutschland 2018, 88 Minuten

Mehr zum Thema