„Die Schwimmerinnen“ auf Netflix

Schwimmen, um zu überleben

06:25 Minuten
Nathalie Issa als Yusra Mardini (links) und Manal Issa als Sara Mardini im Film "Die Schwimmerinnen"
Nathalie Issa als Yusra Mardini (links) und Manal Issa als Sara Mardini im Film "Die Schwimmerinnen" © NETFLIX / Laura Radford
Von Jutta Heeß · 20.11.2022
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Ihre Geschichte gleicht einem Märchen: Die Schwestern und Leistungsschwimmerinnen Yusra und Sarah Mardini flüchten vor dem Bürgerkrieg in Syrien. 2016 schaffen sie es sogar bis zu den Olympischen Spielen. Nun ist ihre Geschichte verfilmt worden.
Yusra Mardini hat einen Traum: „Eines Tages will ich bei Olympia schwimmen.“ Doch: „Die syrische Armee lässt sich nicht mehr aufhalten.“ Gemeinsam mit ihrer Schwester Sarah verlässt Yusra ihre Heimat mit dem Ziel Deutschland.
Doch vor ihnen liegt das Mittelmeer, das sie in einem überfüllten Schlauchboot überqueren wollen. „Wir sind zu schwer. Es ist zu gefährlich. Wer kann schwimmen? Sarah!“
Die Schwestern springen ins kalte Wasser, damit das Boot leichter wird.

Moderne arabische Frauen

Irgendwann erreicht die Gruppe erschöpft aber wohlbehalten die griechische Küste. Es ist die Schlüsselszene im Film - und im Leben der Mardini-Schwestern. Deren Geschichte ging um die Welt – sie wurden als Heldinnen gefeiert. Auch Regisseurin Sally El Hosaini war fasziniert von der Unerschrockenheit und der Stärke der beiden.
„Ich sah in Yusra und Sarah diese modernen, liberalen arabischen Frauen, die so gut wie nie auf der Kinoleinwand erscheinen. Normalerweise sieht man arabische Frauen in einer Opfergeschichte, es geht um einen Ehrenmord oder etwas Ähnliches. Ich weiß das, weil ich als Regisseurin diese Drehbücher angeboten bekomme. Es war wohltuend, Frauen zu sehen, mit denen ich mich identifizieren kann. Ich hatte die Möglichkeit, vielschichtige Heldinnen aus ihnen zu machen.“

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Sally El Hosaini hat selbst arabische Wurzeln, sie ist in Ägypten aufgewachsen und lebt heute in London. Ihr Film ist kein eindimensionales heroisches Flüchtlings- und Sportdrama, sondern sie lässt Raum für Verzweiflung, Scheitern und Zerwürfnis.

Die meisten Fluchtgeschichten laufen anders

2018 hat Yusra Mardini uns im Interview eine Extremsituation beschrieben: "Ich war dreieinhalb Stunden im Wasser, meine Schwester blieb noch länger, sie gab mir die Kraft dazu, obwohl sie mich am Anfang nicht ins Wasser ließ. Wir haben uns gestritten, aber ich habe ihr gesagt: 'Ich bin eine Profi-Schwimmerin, genau wie du.' Und bin reingesprungen. An der Seite des Boots waren Seile. Ich hielt mich mit einer Hand am Seil fest und versuchte, mit der anderen Hand und den Beinen, das Boot zu bewegen."
Ihr ging es darum, eine große Geschichte zu erzählen, "nämlich die Geschichte des Großteils der Geflüchteten. Denn so inspirierend Yusra und Sarah auch sind, sie sind einzigartig, weil sie nur ein Prozent der Flüchtlingsgeschichten darstellen. Der Film musste auch die anderen 99 Prozent würdigen, denn ich konnte nicht einfach den Ein-Prozent-Film mit einem Happy End machen. Ich hatte die Verantwortung zu zeigen, dass es für so viele andere nicht so ist.“

"Den ganzen Film über geweint"

Sally El Hosainis Film ist mitreißend und einfühlsam, beides im richtigen Maß. Auch Yusra Mardini ist begeistert von der Umsetzung: „Es war wirklich bewegend. Sarah und ich haben den ganzen Film über geweint. Ich wache ja nicht jeden Tag auf und denke darüber nach, was passiert ist. Ich lebe jetzt mein Leben. Es war also ein bisschen verrückt, zu sehen, was seit meiner Geburt bis zu den Olympischen Spielen passiert ist. Es hat mich traurig gemacht, aber auch stolz auf alles, was wir erreicht haben.“
Gelungen ist auch die Besetzung der beiden Hauptdarstellerinnen: Die französisch-libanesischen Schwestern Natalie und Manal Issa spielen Yusra und Sarah. Das einzige Manko: Die beiden mussten erst schwimmen lernen. Natalie wurde von Sven Spannekrebs trainiert – Yusras Trainer von den Wasserfreunden Spandau, der ihr den Weg zu Olympia ermöglichte. Im Film wird er von Matthias Schweighöfer verkörpert.

Yusra Mardini doubelt sich selbst

Und auch Yusra Mardini selbst hat eine kleine Rolle: „Am letzten Set in Berlin habe ich zu Sally gesagt, dass ich vorbeikommen kann. Und dann fragte sie: 'Willst du dich selbst doubeln?' Und dann habe ich gesagt: 'Okay.' Also habe ich Natalie, die mich spielt, gedoubelt. Und das war komisch, weil alle sagten: 'Oh, Yusra Nummer zwei, komm her, mach das.' Und ich sagte: 'Nein, ich bin das Original. Nennt mich nicht so.' Aber ja, es hat Spaß gemacht.“
Das Schwimmen rettete ihr Leben, aber mittlerweile ist es in den Hintergrund getreten: Yusra studiert in Los Angeles. Ihre Schwester Sarah wartet auf einen Gerichtstermin in Griechenland: Sie war als Freiwillige für eine NGO auf Lesbos tätig, nun werden ihr „Spionage und Menschenhandel“ vorgeworfen – zu Unrecht, wie Menschenrechtsorganisationen, z. B. Amnesty International beurteilen. Ziel der Behörden sei es, humanitäre Hilfe zu kriminalisieren. Sarah Mardini drohen 25 Jahre Haft.

"Die Schwimmerinnen"
Ab 23. November 2022 weltweit auf Netflix und in ausgewählten Kinos

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