„Benedetta“ von Paul Verhoeven
Frankreich 2021, 131 Minuten
mit Virginie Efria, Charlotte Rampling, Daphné Patakia, Lambert Wilson
Neu im Kino: "Benedetta"
Die junge Novizin Benedetta (Virginie Efira) nutzt ihre Machtposition innerhalb der Kirche aus. © capelight pictures / Koch Films
Jesus als Hippie und Nonnen mit Dildos
06:01 Minuten
In "Benedetta" erzählt Paul Verhoeven von weiblicher Selbstermächtigung. Er kritisiere die katholische Kirche und zeige diese Institution als eine verkommene Gemeinschaft, in der Gläubige als tumbe Verfügungsmasse behandelt würden, findet Kritikerin Anke Leweke.
Um was geht es?
Ein Kloster in der Toskana im 17. Jahrhundert: Seit ihrer Kindheit lebt die Novizin Benedetta ihren Glauben in religiösen Fantasien aus. Der am Kreuz hängende Jesus fordert sie auf, seine Frau zu werden und ihn zu umarmen. Als sie aus der Trance wieder aufwacht, bluten sowohl ihre Hände als auch ihre Stirn.
Fortan wird sie als "Auserwählte Gottes" verehrt und löst die Äbtissin des Klosters ab. Diese Stellung ermöglicht der jungen Frau, ihr lesbisches Begehren hinter den Klostermauern auszuleben.
Was ist das Besondere?
Sex und Gewalt sind der rote Faden durch das Werk des niederländischen Regisseurs Paul Verhoeven ("Türkische Früchte", "Basic Instinct", "Total Recall"). In seinem letzten, von der Kritik gefeierten Film "Elle" spielt Isabelle Huppert eine Frau, die ihren Vergewaltiger verführt, um auf diese Weise wieder Kontrolle über ihr Leben zu erlangen.
Auch "Benedetta" erzählt von einer extremen weiblichen Selbstermächtigung. Die junge Novizin eignet sich die christliche Ikonografie an und spielt mit deren Zeichen und Symbolen. Zudem nutzt sie ihre Machtposition innerhalb der katholischen Kirche schamlos aus.
Um diese Geschichte zu erzählen, zitiert Verhoeven mit hochglänzenden Bildern ein in den 1970-er Jahren vor allem in Italien populäres Erotik-Trash-Genre namens Nunsploitation. In Benedettas religiösen Visionen kämpft ein hippiehaft aussehender Jesus mit einem Schwert gegen Schlangen. Eine Marienfigur wird zum Dildo umgeschnitzt, und durch Löcher in der Mauer schaut man Nonnen beim verbotenen Sex zu.
Fazit
So abgefahren, so durchgeknallt die Geschichte und die Machart dieses Films auch sein mögen – Paul Verhoeven betreibt durchaus ernsthafte Kirchenkritik. Er zeigt die katholische Institution als eine verkommene Gemeinschaft, die Benedattas Visionen für Eigenwerbung nutzt und die Gläubigen dabei wie eine tumbe Verfügungsmasse behandelt. Auch mit "Benedetta" möchte der mittlerweile 83-jährige Regisseur sein Publikum im besten Sinne herausfordern.