Ein Lachen, das befreit

Wann ist Schluss mit lustig? Kann man auch über den Holocaust Witze machen? Diese Fragen verfolgt die Regisseurin Ferne Pearlstein in ihrem Film "The Last Laugh". Antworten geben einige der besten jüdischen Komiker der USA wie etwa Mel Brooks.
Hitler auftreten zu lassen, ist die leichteste Sache der Welt. Es braucht nur den Schnurrbart und eine "deutsch" grüßende Hand. Mel Brooks macht es in seinem Büro vor, grüßt allerdings fälschlich mit links – auch das ein immergrüner Witz. Der amerikanische Produzent, Komiker und Regisseur der einschlägigen Komödie "Frühling für Hitler" macht solche Faxen gern. Mel Brooks ist auch der wichtigste Interview-Partner in Ferne Pearlsteins Film "The Last Laugh", der beim Filmfest München erstmals in Deutschland gezeigt wurde.
Wer zuletzt lacht, lacht am besten – und das sind eben nicht die Nazis, sondern Leute, die der deutschen Katastrophe mit Humor begegnen. Aber ist auch irgend etwas am Holocaust lustig? Sind Witze erlaubt, wenn es um Judensterne, Deportation, Konzentrationslager, Gaskammern geht? Wo ist Schluss mit lustig, welche Tabus gelten (noch) für Komiker und ihr Publikum? Zahlreiche amerikanische Stand-Up-Comedians, Filmemacher und Schauspieler hat Ferne Pearlstein dazu befragt. Die New Yorker Kamerafrau und Regisseurin verfolgte das Projekt seit 1991:
"Es ist sehr stark der Film geworden, den ich damals im Kopf hatte. Was sich geändert hat, war die Wahrnehmung der Leute und ihre Bereitschaft, diese Dinge zu sehen und darüber zu sprechen. Als ich vor 25 Jahren mit einem Agenten erstmals darüber redete, war es schwierig, alle diese Comedians zu interviewen, denn jeder sagte: Großartige Idee, sag mir Bescheid, wenn jemand anders den Anfang macht! Aber heutzutage ist Satire sehr bedeutsam, wenn es darum geht, komplizierte Themen anzusprechen. Es ist einfacher geworden, deshalb konnte ich den Film heute so machen."
Ein Glücksfall für den Film ist die 90-jährige Renee Firestone, eine Auschwitz-Überlebende. In warmherzigen, würdevollen Auftritten umklammert sie diese grandiose Montage von Filmausschnitten, künstlerischen Statements und – erzählten Witzen. Renee strahlt nicht nur Lebensfreude und Güte aus, sondern ist auch die erste Kritikerin für allerlei Humor-Erzeugnisse, nämlich am Laptop ihrer Tochter. "Not funny" findet sie manches, was die respektlosen Comedians vom Stapel lassen. Aber dass Lachen gegen das Leid hilft, würde Renee wohl unterschreiben. Schließlich gab es auch in den Gettos und Lagern musikalische Kabaretts, wie seltene Archivaufnahmen in "The Last Laugh" belegen.

Die New Yorker Filmemacherin Ferne Pearlstein beim Filmfest München© Sven Crefeld/Deutschlandradio Kultur
In München war Regisseurin Ferne Pearlstein gespannt auf die Reaktion eines überwiegend deutschen Publikums:
"Es war sehr anders, vor allem dann, wenn gelacht wurde. Ich wäre nicht überrascht gewesen, wenn die Reaktion hier düsterer ausgefallen wäre. Ich fand interessant, dass das Publikum gelacht hat, wenn Renee und ihre Freunde Witze gemacht haben. Das hieß für die Leute: Wenn die Holocaust-Überlebenden Witze machen können, dürfen wir lachen. Die eigentlichen Holocaust-Witze waren schwieriger. – Einen riesigen Lacher bekam Charlie Chaplin, wenn er am Ende von ,Der große Diktator’ seine Rede hält und lächerliche Dinge sagt, weil er kein Deutsch versteht. Da fühlte sich das Publikum auf der sicheren Seite. Natürlich verstehen Deutsche die Wörter wie ,Sauerkraut’ und wie komisch die Szene ist."
Über tumbe Nazis zu lachen, fällt 71 Jahre später fast niemandem mehr schwer. Ambivalenter wird es, wenn man auf antisemitische Klischees und ihre Ironisierung kommt – dann geht es auch für Ferne Pearlstein, deren Vorfahren russische Juden waren, ans Eingemachte:
"In diesem Film treten zumeist jüdische Comedians auf, und es gibt einen ganzen Abschnitt über die Frage, wer das Recht hat, bestimmte Witze zu machen, weil er auf dem eigenen Gelände ist. Das betrifft ja auch afro-amerikanische Komiker. Jeder Comedian spricht über seine persönliche ,rote Linie’. Was er lustig findet und was nicht. Ich bin sicher, dass jeder eine solche Linie hat, ich habe selber auch eine. Es gibt einen Witz in dem Film, der mir als Jüdin immer etwas Unwohlsein einflößt, wenn Sarah Silverman fragt: What did the Jews hate most about the Holocaust? – The cost! (Was haben die Juden am Holocaust am meisten gehasst? – Die Kosten.) Das bekam einen großen Lacher hier in München. Aber die Leute lachen ja nicht über einen Holocaust-Witz, sondern über einen Witz über geizige Juden! Das hat mir ein wenig Unbehagen bereitet."
Robert Edwards, der Ko-Drehbuchautor des Films und Ehemann von Ferne Pearlstein, weist darauf hin, dass alles vom Kontext abhänge:
"Derselbe Witz kann sehr unterschiedlich klingen, je nachdem, wer ihn erzählt. Der Film sagt nicht: Alles ist möglich, alles ist Spielmaterial. Sobald wir sagen, wir können dieses unglaublich schwierige Thema in manchen Fällen mit Humor behandeln, besteht das Risiko, dass andere Leute glauben, sie dürften damit destruktive Dinge veranstalten. Wir sagen nicht: Macht es, sondern wir sagen: In dem Maße, wie die Zeit vergeht und Einstellungen sich ändern, gibt es auch neue Gefahren, vor denen wir stehen."
Den nächsten spannenden, aber bestimmt auch heiklen Auftritt erlebt "The Last Laugh" schon diese Woche – beim Filmfestival von Jerusalem. Ferne Pearlstein freut sich darauf, denn sie weiß: Das befreiende Lachen ist am Ende, dem Schrecken und der Trauer zum Trotz, immer möglich.
"Es gibt bestimmte Witze, bei denen man sich unwohl fühlt. Wenn es dann aber einen leichteren Witz gibt, kann man einfach lachen."