Neu im Kino: "Verlorene Illusionen"

Opulenter Kostümfilm mit rasantem Tempo

06:11 Minuten
Filmstill aus "Verlorenen Illusionen" von Xavier Giannoli, 2021.
"Verlorenen Illusionen": Ein junger Provinzler kämpft um seinen Platz in einer nur auf sich bezogenen, überhitzten urbanen Gesellschaft. © Cinemien
Von Anke Leweke · 22.12.2022
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Meinungen werden gekauft und manche Inhalte erfunden: Xavier Giannolis Verfilmung des Balzac-Romans "Verlorene Illusionen" zeigt das Zeitungswesen vor 200 Jahren. Schon damals ging es um so etwas wie Klicks. Ein Sittengemälde mit aktuellen Bezügen.

Worum geht es?

Balzacs Romanvorlage ist eine so scharfsinnige wie gnadenlose Analyse des französischen Pressewesens während der Restauration, das Sittengemälde einer Epoche, in der der Adel wieder die alte Ordnung herstellen will. Mit dem jungen Provinzler Lucien als Medium tauchen wir in eine nur auf sich bezogene, überhitzte urbane Gesellschaft ein.
Der Idealist ist nach Paris gekommen, um seinen Gedichtband zu veröffentlichen. Als er keinen Verleger findet, nimmt er einen Job bei einer Tageszeitung an. Schnell macht er sich mit seiner scharfen Feder und seiner Fabulierkunst einen Namen, ist gern gesehener Gast in den Redaktionsstuben, wo man mit Feder und Tinte um die Wette schreibt, in denen Umschläge mit Scheinen den Besitzer wechseln, weil Meinungen und Kritiken gekauft werden. Doch Lucien möchte noch höher aufsteigen, auch vom Adel anerkannt werden.

Was ist das Besondere?

Wir lernen ein Pressewesen kennen, das uns mit allerlei aktuellen Bezügen überrascht. Lucien ist Medienstar, Tonangeber, Chefkritiker. Titelblätter werden gekauft, Zeitungen tun sich zusammen, um Meinungskartelle zu bilden. Enten, die hier tatsächlich über den Tisch laufen, werden produziert, um die Verkaufszahlen zu steigern. Es geht um die Vorläufer der Klicks, um die Meinung, die - wie uns der Erzähler im Film einmal wissen lässt -, dem Leser schmeichelt.

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Gérard Depardieu gibt einen Buch- und Zeitungsverleger, der weder lesen noch schreiben kann, und mit Nebengeschäften – etwa dem Ananashandel – sein Imperium permanent vergrößert. Geht man ins Theater, spielt das Geschehen auf der Bühne keine größere Rolle. Es geht um das Gesehenwerden, um den Klatsch und Tratsch in den Pausen. Und Lucien aus der Provinz ist ein dankbares Opfer für so manche Ränke- und Machtspiele. Seinem Hochmut soll eine Lektion erteilt werden.

Fazit

„Verlorene Illusionen“ ist ein opulenter, aufwändig inszenierter Kostümfilm. Sowohl das rasante Tempo, als auch die Erzählung selbst vertreiben jegliche Gediegenheit aus den Bildern. Und natürlich darf dieser Film glänzen, weil Lucien in der schönen Illusion lebt, dazuzugehören.

„Verlorene Illusionen“
Frankreich 2021, 150 Minuten
Regie: Xavier Giannoli nach dem gleichnamigen Roman von Honoré de Balzac
Mit: Benjamin Voisin, Cécile de France, Vincent Lacoste, Xavier Dolan, Jeanne Balibar

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