Image-Botschafterin für das Land der Täter
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Belina ist polnische Jüdin. Die Nazis ermorden ihre Eltern im KZ. Nach Frankreich gelingt der Musikerin der Durchbruch auch in Deutschland, sie wird zur Image-Botschafterin des Landes. Marc Boettcher hat auch deshalb einen Film über sie gedreht.
Die Biografie von Lea-Nina Rodzynek liest sich wie ein Roman: Geboren wird sie 1925 als polnische Jüdin in der Nähe von Treblinka. Die Eltern werden im KZ uumgebracht, sie selbst überlebt zunächst unter falschen Namen als Zwangsarbeiterin in einer deutschen Rüstungsfabrik. Sie wird dann denunziert, kommt ins Gefängnis, und überlebt nur, weil sie sich bei einem Pastor verstecken kann.
Nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs geht Lea-Nina Rodzynek nach Frankreich und beginnt dort eine Laufbahn als Sängerin und Schauspielerin. Der große Durchbruch gelingt Belina – so ihr Künstlername – in den 60er-Jahren aber ausgerechnet in Deutschland – in dem Land, das ihr so viel angetan hat. Sie wird sogar zu einer Image-Botschafterin.
Image-Botschafterin für das Land der Täter
Über das Leben von Belina hat Marc Boettcher einen Film gedreht, "Belina – Music for Peace", der coronabedingt aber noch nicht uraufgeführt wurde. Schon heute gibt es aber eine neue CD "Belina - Music for Peace" mit 22 Stücken, die die Karriere der Sängerin noch einmal Revue passieren lassen.
"Ich glaube, das Belina nicht unbedingt zum Mainstream gehörte und sich auch nicht in einem populären Schlagergeschäft zu Hause fühlte." So erklärt Boettcher, dass Belina beim deutschen Publikum weithin in Vergessenheit geraten ist. "Und da sie als musikalische Botschafterin die ganze Welt bereiste, war sie nicht so präsent im eigenen Land."
Im Auftrag des Goethe-Instituts reiste Belina in zahlreiche Länder – trotz ihrer tragischen Familiengeschichte. "Für sie war es wichtig zu erinnern und zu verzeihen, obwohl sie selbst sagte: Vergessen kann man das nicht", so der Filmemacher.
"Die europäische Joan Baez"
"Das Land der Täter zu repräsentieren, in über 120 Ländern in 17 Sprachen zu singen und immer wieder auf Deutschland hinzuweisen, das war ein absolutes Phänomen", findet Boettcher. Auch deswegen habe er Belina näher kennenlernen wollen:
"Ich kenne niemandem, der so etwas auf sich genommen hat und so bewegend gelebt hat und uns das nähergebracht hat: das Judentum einerseits und andererseits die Weltmusik. Sie war so etwas wie die europäische Joan Baez."
Boettcher berichtet, er habe Belina 2006, kurz vor ihrem Tod in Hamburg kennenlernen dürfen. "Ich war von ihrer großen Ausstrahlung fasziniert. Und von ihren Geschichten, die sie mir da erzählt hat. Und wir hatten vor, einen Film über sie zu drehen."
Realisiert hat er diesen Film dann ohne sicheren Abnehmer. Mit Crowdfunding habe er ein Startkapital organisiert, weil er keinen Sender mit ins Boot habe holen können:
"Ich habe mich in all den Jahren immer mehr geärgert und gesagt: Jetzt erst recht! Jetzt zeige ich mal, was in diesem Frauenschicksal zu finden ist und was in ihm steckt."
Sein Team habe zunächst ohne Gage gearbeitet, so habe er den Film machen können.
Vorläuferin der so genannten Weltmusik
Bei ihren Konzerten habe sie sich den Menschen im Publikum genähert, indem sie auch immer einen Song aus deren Ländern einstudierte, sagt Boettcher: "Sie war begeistert, wie die Leute sie aufgenommen haben."
Schwerer habe sie es in ihrer eigenen Heimat Polen gehabt, dort habe sie weniger Akzeptanz gefunden. "Da hat man eher gesagt 'Ja, was sucht sie plötzlich in Deutschland und was sucht sie in der Welt?'"
Boettcher hält Belina für eine Vorläuferin der heutigen so genannten Weltmusik: "Für sie war es sehr wichtig zu zeigen, dass Musik eine universelle Sprache ist, die verbindet - also ganz fern ab von Herkunft, Religion und Hautfarbe."
Es gebe nur "Mensch" - an diese Überzeugung von Belina wolle er auch mit dem Film erinnern: "Ein nordkoreanisches Wiegenlied geht genauso zu Herzen wie ein südamerikanisches oder ein amerikanisches Lullaby - und das wollte sie zeigen!"
(mfu)