Filme der Woche

Von Hans-Ulrich Pönack |
Ein frühes Meisterwerk des bekannten japanischen Animationsfilmers Hayao Miyazaki kommt mit "Das Schloss im Himmel" in unsere Kinos. Im Mittelpunkt des Fantasy-Abenteuers steht das Mädchen Sheeta, das einen magischen Kristall besitzt. "Wenn die Flut kommt" erzählt die simple wie superbe Schmunzelgeschichte: Märchenprinz wird Frosch.
"Das Schloss im Himmel"
Japan 1986, Regie: Hayao Miyazaki, Animationsfilm, ab 6 Jahre

In seinem Heimatland Japan bricht er regelmäßig Besucherrekorde, aber auch bei uns im Westen werden mittlerweile seine großartigen Animationswerke verstärkt vorgezeigt, nachgeholt, viel beachtet, gefeiert ("Prinzessin Mononoke", "Nausicaä - Prinzessin aus dem Tal der Winde", "Kikis kleiner Lieferservice" - DVD-Erstveröffentlichung im November 2005).

"Chihiros Reise ins Zauberland" wurde 2002 mit dem "Goldenen Berlinale-Bären" sowie im Jahr darauf mit dem "Oscar" prämiert. Und Miyazakis jüngster Film "Das wandelnde Schloss" heimste 2005 erneut eine "Oscar"-Nominierung ein. Während der 1941 in Tokio geborene Regisseur, Drehbuchautor, Grafiker und Zeichner "für sein Lebenswerk" bei den Filmfestspielen von Venedig im Vorjahr mit dem "Goldenen Löwen" geehrt wurde.

Jetzt kommt ein frühes Meisterwerk in unsere Kinos: "Das Schloss im Himmel" stammt von 1986 und ist die dritte Arbeit von Hayao Miyazaki. Das Fantasy-Abenteuer nimmt das Motiv der fliegenden Insel Laputa aus Jonathan Swifts "Gullivers Reisen" auf und formt daraus eine ganz eigenständige, von vielfachen Quellen und Vorlagen inspirierte Vision. Dabei reichen die Einflüsse von der deutschen Romantik über die technischen Utopien eines Jules Verne bis zur Ästhetik des französischen Zeichentrickfilmers Paul Grimault (1905-1994).

Miyazaki erzählt die spannende, atmosphärische Geschichte des Waisenmädchens Sheeta, das einen magischen Kristall besitzt, der eine Verbindung zum mysteriösen, seit langem verschollenen Himmelskönigreich Laputa darstellt. Vor allem der bösartige Regierungsbeamte Musca aber will den Kristall um jeden Preis in seinen Besitz bringen. Doch mit Unterstützung von Pazu, einem mutigen Jungen aus einem Bergarbeiterdorf, gelingt es Sheeta immer wieder, die Verfolger abzuschütteln. Eine Piratenbande unter Führung der tollkühnen Chefin Dora mischt mit seinen tollen Flugmaschinen auch mit, doch dieser wilde Haufen entpuppt sich nach einiger Zeit auch als gutmütig und hilfsbereit.

Natürlich geht es um das Abenteuer, erwachsen zu werden. Und wie immer in den Filmen von Miyazaki steht ein kleines Mädchen (zwischen 8 und 12 Jahren) im Mittelpunkt des Geschehens. Thema: Einsamkeit, Lebensgefahr, wachsende Verantwortung und erwachende Sexualität. Die ewige Suche nach Orientierung und Halt in einer "ungeordneten" Welt. Dazu natürlich: Spiel, Spaß, Spannung, Atmosphäre, Abenteuer um Natur, Technik (= außergewöhnliche Maschinen), Märchen. Ein grandioses Feuerwerk an Action und optischen Visionen.

Toller Animationsfilm, der die Gewalt verherrlichenden japanischen "Manga"-Stoffe und -Filme glatt in den Schatten stellt, aber auch so manchen "realen" Fantasy-Film (gerade: Remake von "Das Omen") um viele intelligente, unterhaltsame Spaß- und Show-Längen abhängt. Auf die Frage nach seinem Zielpublikum antwortete Hayao Miyazaki einmal salomonisch: Er drehe Filme "für Menschen, die 10 Jahre alt waren, und für die, die 10 Jahre alt werden".


"Wenn die Flut kommt - Quand la mer monte"
Frankreich/Belgien 2004, Regie: Yolande Moreau und Gilles Porte, Hauptdarsteller: Yolande Moreau, Wim Willaert, ohne Altersbeschränkung

"Wenn die Flut kommt" zählt für mich zu den derzeit schönsten Entdeckungen für das Off-, Arthouse-Kino. Erhielt zahlreiche Auszeichnungen (u.a. zwei "französische Oscars", die "Cesars" als "Bester Debütfilm" und für die "Beste Darstellerin": Yolande Moreau) und erzählt die ebenso simple wie superbe Schmunzelgeschichte: "Märchenprinz wird Frosch".
Ausgangspunkt: Die Schauspielerin Yolande Moreau, bekannt als Concierge in "Die fabelhafte Welt der Amelie", hat sich als Co-Regisseurin und Co-Drehbuchautorin einen Film auf den üppigen Leib geschrieben, in dem sich (Liebes-)Leben und Kunst feinsinnig begegnen und imitieren. Die Idee dazu kam der ausgebildeten Clown-Artistin, als sie in den 80er Jahren mit einer schrillen One-Woman-Show durch Nordfrankreich tingelte.

Im Film erzählt sie von Iréne. Die ist Bühnenschauspielerin. Mit ihrem satirischen Ein-Frau-Stück "Sale Affaire" ("Eine schmutzige Geschichte") tourt sie durch die kleinen Bühnensäle im ländlichen Norden von Frankreich. Skurril verkleidet, mit Maske und Kittelkleid, spielt sie tagaus tagein eine in die Jahre gekommene Frau, die auf der Suche nach d e r großen Liebe ihren jeweiligen Liebhaber umbringt. Dargestellt wird dieser "tägliche Liebhaber" von einem spontan ausgewählten Gast aus dem Zuschauerraum. Als sie dabei eines Tages auf den Belgier Dries (Wim Willaert) trifft, einem Vagabunden und Tagträumer, weicht der nicht mehr von ihrer Seite.

In der Zeit "bis die Flut kommt" (Zeile aus dem Titelsong, der Liebeskummer mit Ebbe und Flut vergleicht) erleben beide eine stille, sanfte, unspektakuläre Romanze. Für Iréne bleibt es aber ein Traum, ein Urlaub vom Alltag. Ihre Realität ist bei ihrem Ehemann und ihrem Kind. Eine ganz wunderbar-leise, zärtliche, verspielte Poesie. Ein Liebes- und Road-Movie mit Seelentiefe und auch als Hommage an die sympathisch-herbe Landschaft um das französisch-belgische Grenzgebiet berührend. Ein mit liebenswert-verschrobenem Personal durchsetzter toller kleiner Stimmungsfilm.
Die französische Schauspielerin Yolande Moreau mit dem Cesar für die "Beste Darstellerin" in ihrem Film "Wenn die Flut kommt".
Yolande Moreau mit dem Cesar für die "Beste Darstellerin" in "Wenn die Flut kommt".© AP Archiv
Mehr zum Thema