Mr. Turner - Meister des Lichts
Großbritannien 2014 – Regie: Mike Leigh, Darsteller: Timothy Spall, Dorothy Atkinson, Paul Jesson, Marion Bailey, Ruth Sheen – 150 Minuten, ab 6 Jahren
Kunstvolles Epochenporträt und bedrohliche Zukunftsfantasie
Den Wandel einer Epoche aus der Perspektive der Kunst erzählt der Regisseur Mike Leigh mit "Mr. Turner". Christopher Nolan bringt mit "Interstellar" einen pseudo-wissenschaftlichen Blick in eine ungemütliche Zukunft auf die Leinwand.
Mike Leigh erzählt kein Künstlerleben nach, sondern geht in eines hinein und damit auch in eine Epoche. Es ist das England der beginnenden Industrialisierung, das dieser Film mit markanten Alltagsszenen skizziert.
Der Farbenhändler beschwert sich über die Rattenplage in seinem Laden, Turners Vater kauft Schweinsköpfe auf dem Markt, die Haushälterin leidet an einer schrecklichen Hautkrankheit, während man der Kleidung der Figuren anmerkt, das sie nicht jeden Tag gewechselt wird. Betritt der Film jedoch mit seinem Titelhelden die Royal Academy, findet man sich in einer sauberen und feinen Welt wieder, ganz beiläufig wird so die Klassengesellschaft Englands ins Bild gerückt.
Exzentriker auf der Suche
Dabei zeigt Mike Leigh den Maler als einen Exzentriker (gespielt von einem großartigen Timothy Spall), der in keiner dieser Welten zu Hause und stets auf der Suche nach einer anderen Welt zu sein scheint. Immer wieder zieht es ihn ans Meer, auf der Suche nach neuen Motiven, nach einem bestimmten Licht zu einer bestimmten Tageszeit.
Einmal sieht man, wie sich Turner während eines Sturms auf hoher See an einen Mast binden lässt und in den Himmel schaut. Die Kamera zeigt sein Gesicht und scheint sich zu fragen: Was sieht er, was wir nicht sehen? Es ist eine Schlüsselszene, in der Mike Leighs Gespür und Respekt für das Wesen der Kunst zum Ausdruck kommt. Er weiß um ihr Geheimnis, das sich nicht völlig erschließen lässt. Umso konsequenter, dass dieser Film versucht, es einzukreisen und dabei auch das Leben zu porträtieren, aus dem Kunst entsteht.
Wir mögen uns in diesem Film durch fremde Galaxien bewegen, durch schwarze Löcher rasen und auf fremde Planeten begeben, und dennoch sehen wir letztlich einen Western mit einem klassischen Helden. Matthew McConaughey gibt diesen Cowboy namens Cooper, der Farm und Kinder verlässt, weil es ihn in die Ferne zieht. Natürlich in geheimer Mission.
Die USA droht zu verdorren, gigantische Sandstürme fegen über die Felder hinweg, bis auf Mais konnte kein Getreide überleben. Einst war Cooper ein verwegener NASA-Pilot, doch das Programm wurde eingestellt - zumindest offiziell. Im Verborgenen forscht Professor Brand (Michael Caine) mit seiner von Anne Hathaway gespielten Tochter weiter. Nahe dem Saturn haben sie ein sogenanntes Wurmloch entdeckt, durch das man in eine andere Galaxien fliegen kann, hier vermuten sie bewohnbare Planeten. Der draufgängerische und verwegene Cooper ist der geeignete Mann für diese schwere Expedition.
Ein spektakulärer Wettlauf gegen die Zeit
Tränenreich fällt der Abschied von seinem Sohn und der kleinen Tochter aus, Tränen werden immer wieder fließen, denn die Uhr im All tickt langsamer, es ist ein Rennen gegen die Zeit, können Cooper und seine Crew die Menschen überhaupt noch retten, wird Cooper seine Tochter überhaupt wiedersehen? Und wenn, ist sie dann älter als er, wird sie Kinder haben, wird ihre Wut auf den Mann verraucht sein, der sie auf der Erde zurückgelassen hat?
Man kann es nicht anders sagen, die Bilder, die Vision, die Nolan vom Weltall, von der Raumfahrt entwirft, sind spektakulär. Etwa die Riesenwelle auf einem der ersten Planeten, deren Wassermassen eine Stadt wie New York begraben könnte. Ja, man kann staunen und wundern, nur leider möchte man sich dabei die Ohren zuhalten. Zu pseudo-wissenschaftlich sind die Gedankenspiele um Relativitätstheorie, Astro- und Quantenphysik, zu pseudo-philosophisch sind die existenzialistischen und metaphysischen Fragen, die der Film aufwirft.
Nolan zitiert Kubrick
Großartig ist die Szene, wenn "Interstellar" völlig abhebt, man sich in der fünften Dimension wiederfindet, Zeit visualisiert wird. Natürlich zitiert Nolan in diesem Moment Kubricks abgedrehte, psychedelische Traumsequenz aus "2001". Dort gab es dort nur Farben, Licht, Getöse, Musik, bei Nolan hingegen monologisiert der Held. Und es ist ein banaler, esoterischer Monolog über Morsezeichen und Murphys Gesetz, über die Liebe und gute Geister. Während man in "2001" die Transzendenz von Zeit und Raum regelrecht miterlebte, weil sie nicht erklärt wurde, wird sie hier regelrecht tot gequatscht.
Interstellar
USA 2014 – Regie: Christopher Nolan, Darsteller: Matthew McConaughey, Anne Hathaway, Amelia Brand, Jessica Chastain, David Gyasi, Michael Caine – 169 Minuten, ab 12 Jahren