Vom Wohl und Wehe der Injektion
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Impfen, das ist grob zusammengefasst: Jemandem einen Stoff verabreichen, sich eine Substanz unter die Haut jagen oder etwas "eingespritzt" bekommen. Das Objekt dabei: eine Nadel, also ein Utensil mit Ambivalenz. Injektionen schrieben Filmgeschichte.
Platz 5 - "Die Reise ins Ich" von Joe Dante (1987)
Es ist nur ein kleiner Stich mit der Nadel für Jack. Alles dient der Forschung. Ein wegweisender Mikrochip soll den abgehalfterten Piloten Tuck in miniaturisierter Form in ein weißes Kaninchen bringen. Doch er landet – oops! - im Körper des tollpatschigen Supermarktkassierers Jack alias Martin Short.
Das Mäandern durch Blutbahnen im Mini-U-Boot hat in dieser Komödie das Zeug zum Bio-Thriller, der Jack allerdings in den Wahnsinn zu treiben droht. Und alles nur wegen eines sanften Stichs in die Pobacke. Ergo: Der Inhalt einer Ampulle kann viel in Gang setzen, nicht nur die Immunreaktion.
Platz 4 - "Pulp Fiction" von Quentin Tarantino (1994)
Dieser andere Stich bei Tarantino, der allerdings alles andere als sanft ist, hat die Energie einer Dampframme. Auftragskiller Vincent haut der Frau des Bosses – Überdosis! - die Adrenalinspritze zwecks Wiedererweckung direkt ins Herz, und zwar, nachdem John Travolta und Uma Thurman im Kneipenwettbewerb den Twist tanzten.
Man darf sich nun fragen, ob aus diesem Kapitel von "Pulp Fiction" eher die Bewegungen von Tänzer und Tänzerin inklusive der über die Augen gezogenen Hände mit den beiden gestreckten Fingern in Erinnerung geblieben sind oder die – ohne Übertreibung - brutal lange Spritze, die er ihr durch die Brustplatte jagt? Für solche mit Spritzenphobie eine wohl eher rhetorische Frage.
Platz 3 – "Requiem for a Dream" von Darren Aronofsky (2000)
Der Kontrapunkt zur ironisch popkulturellen Überhöhung der Nadel bei Tarantino ist die Spritze als Dämon bei der Höllenfahrt in den Junkie-Abgrund. Der nächste Schuss als einziges Lebensziel. Alles beginnt mit einer Geschäftsidee. Der Süchtige Harry hat eine durch die ewig verschmutzten Nadeln entzündete Armbeuge; am Ende ist der Arm amputiert. Der Traum scheitert nicht nur an der Sucht, sondern auch an der brutalen Struktur des Geschäfts. Die Violinen bzw. das Violoncello des Kronos Quartet reiben auf unseren Nervenenden, wenn wir diese Totenfeier sehen.
Platz 2 -"Bullhead" von Michaël R. Roskam (2011)
Jacky, zusammen mit seinem Bruder Viehzüchter, wurde als Junge durch Gleichaltrige kastriert. Als Erwachsener kompensiert er das Gefühl der Machtlosigkeit, indem er sich die Hormonpräparate spritzt, mit denen er auch seine Rinder vollpumpt. Jacky wird zu einem "Bullen von Mann".
In der Spritze, die er sich Tag für Tag setzt, steckt eine unheimliche Kraft. Aber sie hat nichts Heilendes, sondern ist wie ein Aphrodisiakum des Hasses – auch Selbsthasses. Am Ende explodiert dieser Mix aus Physischem und Psychischem in einer Orgie von Gewalt. Wie hätte es auch anders kommen können.
Platz 1 – "Contagion" von Steven Soderbergh (2011)
Die Verelendung durch die Spritzen: die Filmspritzen. Und ihr Gegenteil: die Rettung durch eine Injektion. Heute wirkt dieser zehn Jahre alte Film über eine Pandemie auf bedrückende, ja beängstigende Weise prophetisch. Ein Virus, übertragen von der Fledermaus auf den Menschen, rast um den Globus und bringt Millionen Menschen um.
Dann naht die Rettung. Mit einer heute schockierend, damals absurd wirkenden Pointe angesichts eines nicht hinreichend verfügbaren Vakzins: Spritztermine werden in der Fernsehlotterie verlost. Vor zehn Jahren wirkte Steven Soderberghs Spielfilm dabei wie eine kühle Doku. Heute aber das Ende von "Contagion" noch einmal zu sehen, wie Laurence Fishburne als Chef der US-Seuchenbehörde dem Kind des Hausmeisters und seiner eigenen Frau die lebensrettende Injektion gibt, ist dagegen von einer großen emotionalen Intensität. Die Abstraktion, die Nichtnachvollziehbarkeit der Szene hat sich historisch aufgelöst.