Skurrilitätensammler und Pferdeversteher
Rösser, die rammeln, und menschliche Beobachter, die staunend in der Landschaft stehen - herzlich willkommen in der Welt des isländischen Regisseurs Benedikt Erlingsson, dessen Debütfilm "Von Pferden und Menschen" diese Woche ins Kino kommt.
"Sie hieß Roshildur. Ich nannte sie nach meiner Großmutter, die sehr stolz darauf war. Sie hatte sich immer gewünscht, dass eine Enkelin ihren Namen trägt. Ich nannte mein Pferd nach ihr. Großmutter war sehr zufrieden, denn es war ein sehr gutes Pferd."
Benedikt Erlingsson bekam sein erstes Island-Pferd als Teenager, als Bezahlung, nachdem er im Sommer auf einer Farm im Hochland ausgeholfen hatte. In der unwegsamen Wildnis dort ist das Pferd bis heute unverzichtbar: Straßen oder Wege gibt es nicht. Die treue Stute Roshildur begleitete ihn 32 Jahre lang. Als er sie unlängst wegen Altersschwäche einschläfern lassen musste, war es ein sehr schmerzhafter Verlust. Sie war wie eine Schwester für mich, sagt der große, schlanke 45-Jährige.
"Mein Film erzählt von diesen Beziehungen. Er handelt natürlich von Menschen, aber aus der Perspektive des Pferdes. Denn das Island-Pferd ist nicht einfach nur ein Nutztier. Es ist auch ein Familienmitglied."
In "Von Pferden und Menschen" ist eine der Hauptfiguren Benedikt Erlingssons Onkel nachempfunden: Dieser zog sich fürs Reiten immer sehr schick an. Das machte großen Eindruck auf den kleinen Benedikt, der als Kind von Schauspielern quasi im Theater in der Hauptstadt Reykjavik aufwuchs. Schon seine Großeltern seien Poeten und Geschichtenerzähler gewesen, sagt Erlingsson, seine Berufswahl also wenig originell.
Erlingssons Spielfilmdebüt beginnt mit dem sonntäglichen Ritt von Kolbeinn. Auf seiner ebenso wunderschönen wie wilden Schimmelstute Grána geht es im rasanten Tölt zum Hof von Solveig, der Witwe. Unter den neugierigen Augen der übers Tal verstreuten Nachbarn, die das romantische Geschehen durch ihre Ferngläser beobachten.
Die Romanze nimmt für Grána ein schlimmes Ende. Aber auch die menschlichen Protagonisten in Erlingssons rabenschwarzer Komödie zahlen jeweils einen hohen Preis für Hochmut, Rachsucht, Suff und Unbedarftheit. Die Frauen sind starke, unbeugsame Charaktere, Islands Machos dagegen kriegen ihr Fett weg.
Pferdeleute mit eigener Religion
Benedikt Erlingsson ist mit der Darstellerin der schönen Solveig verheiratet und Vater von drei Kindern. Mit seinem Glatzkopf, den schwarzen Klamotten und seinem coolen, selbstbewussten Auftreten könnte er auch im hippen Berlin zu Hause sein. Doch Erlingsson ist auch Teil der eingeschworenen Reitergemeinschaft auf seiner Heimatinsel am Polarkreis, die ohne zu zögern in seinem Film mitgemacht hat.
Erlingsson hatte als junger Mann überlegt, Farmer zu werden. Heute besitzt er fünf Pferde, und wenn er mit der Arbeit als Schauspieler oder Regisseur am Theater von Reykjavik fertig ist, geht er ausreiten.
"Darum rankt sich eine ganze Kultur, wir Pferdeleute haben eine eigene Lebensweise, ja, eine Religion. Es ist eine sehr alte Kultur, wir sind von Anbeginn an Pferdemenschen: Wir kamen im achten Jahrhundert hier an, auf diesen offenen Wikingerschiffen, mit Pferden."
Dieser alten Kultur und auch der wilden Natur seiner rauen Heimatinsel hat Benedikt Erlingsson mit seinem auf vielen Festivals preisgekrönten Film ein liebevolles und bildmächtiges Denkmal gesetzt. Gleichzeitig sei "Von Pferden und Menschen" aber universell und berichte vom Wesen des Menschen überall auf der Welt, betont er.
"Das Pferd ist ein primitives Element, das sehr tief in uns etwas berührt: Eine Erweiterung Deines Selbst mit vier Beinen. Es verkörpert eine erdhafte Energie, in die Du eintauchst. Für mich und viele andere Pferdemenschen ist das Reiten eine spirituelle Praxis: Du musst an Dir arbeiten, an Deinem Charakter, Deinem Egoismus. Du musst mit Deinen persönlichen Problemen fertig werden, um ein besserer Reiter zu werden. Denn die Pferde hören Dir zu."