Filmemacher Burhan Qurbani

"Kino ist mein Haus, meine Kirche, mein Altar"

35:04 Minuten
Portrait des Regisseurs Burhan Qurbani, im weißen Pullover vor weißen Vorhängen.
Romanklassiker auf die Leinwand gebracht: Regisseur Burhan Qurbani hat Alfred Döblins Buch "Berlin Alexanderplatz" verfilmt. © picture alliance / dpa / Britta Pedersen
Moderation: Katrin Heise |
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Sein Film über Jugendliche in Rostock-Lichtenhagen eröffnete 2014 das Filmfest in Rom. Jetzt ist Burhan Qurbani mit einer Neuverfilmung von "Berlin Alexanderplatz" im Wettbewerb der Berlinale. Hauptfigur: ein Geflüchteter aus Guinea-Bissau.
Er habe die Hosen gestrichen voll, sagt Burhan Qurbani kurz vor der Premiere seines neuen Films. Mit "Berlin Alexanderplatz", einer Neuverfilmung von Alfred Döblins berühmtem Roman, legt der deutsch-afghanische Regisseur seinen dritten abendfüllenden Spielfilm vor - an der Aufregung ändert seine reiche Festivalerfahrung aber wenig.

Der Geburtsschmerz einer Filmpremiere

"Ich nehme das halt alles so persönlich", sagt der 39-Jährige. Die Sorge, das Publikum könne nicht mitgehen, der Humor nicht verstanden werden oder die internationale Filmkritik hart über sein "Baby" urteilen – das alles mache ihn nervös.
"Stellen Sie sich vor, sie kommen gerade aus dem Kreissaal und jemand sagt: ‚Tja, sieht nicht so gut aus. Könnte bisschen kürzer sein und bisschen größer. Warum hat das jetzt schwarze Haare? Und lustig finden wir es auch nicht!‘"
Es dauere immer eine Weile, bis dieser "Geburtsschmerz" vorüber sei. "Man muss das Kind bisschen loslassen, bis es laufen lernt. Dann ist es auch wieder gut."

Die Geschichte der Eltern fortschreiben

Seinen Abschlussfilm an der Filmakademie Baden-Württemberg "Shahada" hat Qurbani vor zehn Jahren über drei muslimische Jugendliche gedreht, die in eine Lebens- und Glaubenskrise geraten. Schon dieser erste Film lief ebenfalls auf der Berlinale.
Vor fünf Jahren zeigte der Regisseur mit "Wir sind jung. Wir sind stark" dann die rassistischen Ausschreitungen in Rostock-Lichtenhagen aus der Perspektive einer Gruppe rechtsextremer Jugendlicher. In seiner Adaption von "Berlin Alexanderplatz" schlägt sich nun, anders als bei Alfred Döblin, kein aus der Haft entlassener Lohnarbeiter durch den Großstadtdschungel, sondern ein Geflüchteter aus Guinea-Bissau – wiederum ein Außenseiter.
"Ich glaube, alle meine Filme handeln von diesen Außenseitern. Meine Eltern kommen aus Afghanistan, sie sind 1979 geflüchtet. Ich kann nicht anders, als ihre Geschichte fortzusetzen."
Filmszene mit dem Hauptdarsteller Welket Bungué, der bewusstlos in den Armen von Jelle Haase liegt.
Welket Bungué und Jella Haase in "Berlin Alexanderplatz" von Burhan Qurbani.© Stephanie Kulbach / 2019 Sommerhaus / eOne Germany
Es geht für Qurbani immer um eine Suche und um einen Platz in der Welt, so auch bei seinem Helden Francis, der in Deutschland sein Glück sucht. "Meine Figur, und ich glaube auch die Figur in dem Buch, versteht lange nicht, dass das, was sie will, nicht das ist, was sie braucht", sagt der Regisseur.
"Meine Figur will gerne den Flachbildfernseher, sie will die Wohnung, das Auto – all die Dinge, die einem Deutschland immer verspricht. Aber was Francis eigentlich braucht, was er eigentlich suchen muss und was er finden muss, ist eine Heimat." Das sei eben nichts Materielles: "Das ist Liebe, das ist Freundschaft, das Gefühl von Sicherheit."

Wie ein Vogel ohne Beine

Das Gefühl, seinen Platz finden zu müssen, kennt auch Qurbani. Ein Jahr, nachdem seine Eltern aus Afghanistan geflohen waren, kam er 1980 in Erkelenz zur Welt. Seine Verwandten, die erst später nach Deutschland kamen, fragten ihn, ob er überhaupt Afghane sei, so schlecht wie er Afghanisch spreche.
Er stehe in der Hinsicht "immer auf wackligem Boden": "Bei meinen Verwandten bin ich der Deutsche und bei den Deutschen bin ich der Afghane." Man sei gefangen zwischen beidem. "Man weiß nicht, zu wem gehöre ich jetzt. Das versuche ich in meine Filme zu tragen, weil am Ende kennen wir das alle: Wir gehören nie komplett zu irgendwas."
Sein Großvater befand einmal, er sei wie ein Vogel ohne Beine: Er könne nirgendwo landen. "Das ist sehr traurig. Denn irgendwann geht einem die Luft aus und man kann nicht mehr fliegen."
Andererseits bekomme man dadurch auch einen anderen Blick, den er für seine Arbeit fruchtbar macht: "Man guckt anders und sieht andere Dinge. Das ist gar nicht so schlecht, wenn man schreibt oder Filme macht."

Das Kino als Zuhause

Kino, sagt Qurbani, "das ist mein Haus, meine Kirche, mein Altar." Er lade mit seinen Filmen dazu ein, sich verführen zu lassen und sich für zwei Stunden eine andere Wirklichkeit anzusehen.
"Ich habe ziemlich lang gekämpft, um zu verstehen, was ich eigentlich zu suchen habe in dieser Filmwelt. Und ich glaube, langsam, langsam jetzt im Jahr 2020 komme ich darauf."
(era)
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