Oscar-Preisträgerin Ellen Burstyn für Lebenswerk geehrt
Mit "Alice doesn’t live here anymore" schrieb Ellen Burstyn 1974 Filmgeschichte. Am Montag wird die Oscar-Preisträgerin beim Filmfest München für ihr Lebenswerk geehrt. Im Interview spricht sie über die Frauenquote beim Film und die US-Wahl - und zeigt sich zuversichtlich und kampfbereit.
Bei der Oscar-Verleihung 1975 nahm der Regisseur Martin Scorsese den Academy Award für die beste Hauptdarstellerin in seinem Film "Alice doesn't live here anymore" entgegen. Die Ausgezeichnete selbst, stand währenddessen auf der Bühne in New York.
41 Jahre später ist sie nach München gekommen. Gelassen und heiter sitzt die heute 83-jährige Ellen Burstyn in einer Hotelsuite. Sie trinkt schwarzen Tee und streicht sich ab und an die silbergrauen Strähnen aus dem Gesicht, aufmerksam und kritisch sieht sie mich an. Der scharfe Blick und die raue Stimme sind es, die diese Schauspielerin so unvergleichlich machen und unwillkürlich die Rolle ihres Lebens heraufbeschwören. Die, der kämpferischen Witwe Alice.
Mit "Alice doesn't live here anymore" schrieb Burstyn 1974 Filmgeschichte. Das Drehbuch wählte sie selbst aus. Zusätzlich zur Hauptrolle die Regie zu übernehmen lehnte sie jedoch ab, lieber wollte sie mit einem jungen talentierten Regisseur namens Martin Scorsese zusammen arbeiten, der damals mit seinem Film "Mean Street" für Aufregung in Hollywood sorgte. An das erste Treffen mit Scorsese erinnert sich Ellen Burstyn noch gut.
"Ich sagte: Ich mag deinen Film aber es kommt nur eine Frau darin vor und deshalb kann ich nicht sagen ob du etwas von Frauen verstehst, denn ich will, dass diese Geschichte aus der Sicht einer Frau erzählt wird. Ich frage: Verstehst du was von Frauen? Und er sagte: Nein, aber ich würde gerne alles lernen. Ich dachte, das ist die beste Antwort, die jemand geben kann. Also haben wir zusammen gearbeitet und offensichtlich habe ich die richtige Entscheidung getroffen."
"Der Prozentsatz der Frauen beim Film ist peinlich"
In "Alice doesn't live here anymore" verkörperte die damals 42-jährige Schauspielerin die mutige Witwe Alice, die sich gemeinsam mit ihrem Sohn auf eine Reise durch die Staaten begibt, Arbeit als Sängerin sucht, an die falschen Männer gerät und schließlich zu sich selbst findet. Ein Meisterwerk des New Hollywood das den Aufbruch in der Frauenbewegung wiederspiegelt, ein Thema, das der aktiven Frauenrechtlerin Burstyn besonders wichtig ist.
"Alice war der erste Film, der aus der Sicht einer Frau erzählt wurde, seitdem hat sich einiges getan aber, wie sie wissen, haben wir das Wahlrecht erst seit 100 Jahren in Amerika. Es gibt Fortschritte aber es ist immer noch ein langer Weg. Der Prozentsatz der Männer die in der Filmindustrie arbeiten im Vergleich zu dem Prozentsatz der Frauen ist peinlich. Vielleicht kommen wir irgendwann in der Gleichberechtigung an aber da sind wir noch lange nicht."
Burstyn selbst arbeitete als Model und Broadway-Schauspielerein bevor sie in den Sechziger Jahren eine Ausbildung am renommierten Actors Studio bei Lee Strasberg in New York absolvierte und 1971 dem breiten Publikum als gelangweilte Ehefrau Lois Farrow in Peter Bogdanovichs New Hollywood-Klassiker "The last picture show" bekannt wurde.
Erste Bühnenerfahrungen sammelte die, in Detroit geborene Ellen Burstyn bereits als Schülerin.
"Im Internat bin ich zum ersten Mal auf einer Bühne gestanden und rezitierte "Little Miss Moffatt", das ist ein Kinderstück. Ich stand auf der Bühne und sah in die Dunkelheit. Ich konnte niemanden erkennen aber ich spürte ihre Anwesenheit, ich spürte, wo meine Mutter saß. Ich habe mich ein bisschen gefürchtet, aber gleichzeitig, wenn ich jetzt daran denke, war das wohl mein Schicksalsmoment, ein sehr vertrautes Gefühl, obwohl es das erste Mal war."
Schicksalshaft sind in Burstyns Rollenauswahl die Mutterfiguren, besonders beeindruckend ist ihre Darstellung als Chris McNeil in William Friedkins mehrfach ausgezeichneten Film "The Exorcist", die der alternde Witwe Sarah in Darren Aronofskys "Requiem for a dream" und selbst die amerikanische Polit-Serie "House of Cards" bereichert Ellen Burstyn als todkranke Mutter der First Lady Claire Underwood. Apropos House of Cards. Wenn die politische Ellen Burstyn über die aktuellen Entwicklungen in ihrer Heimat spricht, dann beginnen ihre Augen zu funkeln.
"Was in der Realität passiert ist so bizarr, dass nichts in 'House of Cards' unmöglich scheint. Ich habe am Anfang gedacht, die gehen zu weit, aber jetzt? Ich glaube nicht, dass Trump gewinnt. Ich glaube nicht, dass die Mehrheit der amerikanischen Wähler so dumm ist, ihn zu wählen. Und Hillary ist eine großartige Kandidatin, egal was die Leute sagen."
Zuversicht und Kampfgeist verkörpert Ellen Burstyn auch als Schauspielerin in jedem Moment.