Filmfestival Locarno ehrt Wolf-Eckart Bühler

Es wird viel geredet, getrunken und geraucht

Der Filmemacher Wolf-Eckart Bühler (r.) und Hella Kothmann auf dem roten Teppich beim Locarno Festival 2018
Erst Filmkritiker und dann Filmemacher: Wolf-Eckart Bühler (r.) auf dem roten Teppich in Locarno im Jahr 2018. © Locarno Festival / Marco Abram
Wolf-Eckart Bühler im Gespräch mit Shanli Anwar |
Wolf-Eckart Bühler hat nur drei Kinofilme gedreht. Als in München eine Retrospektive zu seinem Werk geplant wurde, war das gar nicht so einfach: "In einem Fall wusste ich nicht einmal, wo sich das Negativ befindet." Nun bekommt er in Locarno den Preis fürs Lebenswerk.
Die Liebe zum Film sei schon früh in sein Leben gekommen, sagt Wolf-Eckart Bühler im Deutschlandfunk Kultur: Weil "À bout de souffle" von Jean-Luc Godard im Kino kam, habe er die Tanzstunden geschwänzt. Wegen des Kinos habe er sein Leben lang nie tanzen gelernt.
Wolf-Eckart Bühler hat in seinem späteren Leben über Filme geschrieben und ein Dutzend TV-Dokumentarfilme und drei Kinofilme gedreht. Nun wird er beim Filmfest Locarno für sein Lebenswerk geehrt.
Er selbst findet die Ehrung in Locarno "wunderbar" und sagt, er habe sie vor allem dem Leiter des Münchner Filmmuseums zu verdanken. Stefan Drößler habe die Filme gezeigt, als er einen kleinen Filmclub in Bonn geleitet habe. Und als er sich in München etabliert hatte, habe er die Filme unbedingt auch dort zeigen wollen.

Einzige Kopie rotstichig

"Und das war gar nicht so einfach", berichtet Bühler: "Denn zumindest in einem Fall wusste ich nicht einmal, wo sich das Negativ befindet. Und die einzige vorhandene Kopie war derart rotstichig, dass sie nicht mehr zu zeigen war."
Nach einer Weile habe er das Negativ aufgetrieben und dann habe es die Retrospektive fast aller seine Film gegeben, so Bühler: "Schon das war natürlich sehr schön, aber wenn ein Filmfest wie Locarno kommt, das macht natürlich nochmal mehr Spaß."
"Ein guter Film beeinflusst einen nicht auf der intellektuellen Schiene, sondern auf der emotionalen", sagt Bühler. Das heiße aber nicht, dass man nur die Gefühle ansprechen könne, man könne durchaus auch den Intellekt ansprechen: "Aber das muss subtil sein."
Zum Filmemacher sei er geworden, weil ein WDR-Redakteur ihn mehrfach angesprochen habe:
"Ich würde doch so schöne Sachen schreiben über Regisseure und auch Interviews machen, ich sollte doch einfach mal die Kamera danebenstellen – was natürlich ein Unsinn ist, was er aber auch selbst wusste."
"Irgendwann habe ich mir gedacht, ich mache mal einen Witz und sage 'Ich möchte einen kommunistischen Filmemacher aus den USA porträtieren', also einen, der zwischen den 30er, 40er und 50er Jahren ausschließlich kommunistische Filme gemacht hat. Und zu meiner Überraschung sagte dieser bewusste Redakteur: 'Ja, machen wir!' – Da konnte ich natürlich nicht mehr Nein sagen."

Protagonist Sterling Haydn

Auf seinen Protagonisten in "Leuchtturm des Chaos", Sterling Haydn, sei er schon in der Schulzeit aufmerksam geworden. Haydn hatte in der McCarthy-Ära Schauspiel-Kollegen verraten, womit er immer haderte.
Bühler zieht Parallelen zum Radikalenerlass von 1972 in Deutschland, von dem viele seiner Freunde betroffen gewesen seien. Viele hätten ihre Anstellung verloren oder erst gar keine bekommen – wenngleich es nicht die Dimensionen wie in den USA gehabt habe.
Zu "Leuchtturm des Chaos" mit Sterling Hayden sei es gekommen, weil er die Filmrechte an dessen Buch haben wollte. Sie hätten sich also getroffen:
"Wir haben sehr viel geredet und sehr viel getrunken und sehr viel geraucht und irgendwann am zweiten Tag sagte er, 'Ach, es wär doch eigentlich schön, unsere Gespräche aufzuzeichnen.'"
Er sei also zurück nach München gefahren, so Bühler, habe sich Geld geliehen und Freunde angesprochen und sei mit Team und Kamera nach einer Woche zurückgekommen.
Der öffentlich-rechtliche Sender WDR habe ihm in die Hand versprochen, das Material abzunehmen. Die Filmredaktion habe den Film zeigen wollen, aber nicht allein entscheiden können.
"Das ging bis zum Programmdirektor und der hat dann gesagt: 'Nein, ein Zwei-Stunden-Film mit einem Säufer, der ständig vor der Kamera trinkt und raucht und Haschisch raucht und obszöne Worte spricht'."
So habe er den Film fürs Fernsehen auf 45 Minuten gestutzt, sagt Bühler.

Geplatzte Spielfilmprojekte

Nach seinen insgesamt drei Filmen, habe er Lust gehabt, einen echten Spielfilm zu machen, berichtet Bühler nun rückblickend. Er habe fünf Jahre an verschiedenen Drehbüchern gearbeitet, zwei oder drei seien fast durchgegangen, zweimal habe er schon ein Team zusammen gehabt und dann habe ein Produzent kurz vor Drehbeginn noch alles abgesagt.
"Ich hatte einfach die Nase voll, und sagte mir, ich bin nicht davon abhängig, unbedingt Filme machen zu müssen. Ich habe auch andere Möglichkeiten, Geld zu verdienen, und auf spaßiger Weise vielleicht."
So wurde Bühler zum Autor des ersten Reiseführers auf Deutsch über Vietnam.
(mf)
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