Psychothriller "Joker" gewinnt den Goldenen Löwen
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Die Filmfestspiele in Venedig sind glanzvoll zu Ende gegangen: Den begehrten Goldenen Löwen hat der US-Film "Joker" gewonnen. Der Italiener Luca Marinelli wurde als bester Darsteller, Ariane Ascaride als beste Darstellerin ausgezeichnet.
Der Goldene Löwe des Filmfestivals Venedig geht an "Joker" des US-Amerikaners Todd Phillips. Damit gewinnt zum ersten Mal eine Comic-Verfilmung den Wettbewerb eines großen Kinofestivals. Die Jury um die argentinische Autorenfilmerin Lucrecia Martel zeichnete damit einen sehr düsteren und depressiven Spielfilm aus. Er erzählt, wie aus einem psychisch kranken Mann der Bösewicht Joker wird. Die Hauptrolle spielt der US-Hollywood Star Joaquin Phoenix.
Kein Film zum Lieben
Unsere Kritiker Anke Leweke und Patrick Wellinski zeigten sich zufrieden mit der Entscheidung. Auch wenn "Joker" kein Film sei ,"den man inständig lieben kann", habe er sich in die Köpfe der Kritiker am Lido eingebrannt, sagt Wellinski. Und für Leweke ist der Film inklusive der bahnbrechenden Performance von Phoenix ein würdiger Nachfolger von "Taxi Driver" von Regisseur Martin Scorsese. "Auch dort wurde eine Figur mit einer Gewalt konfrontiert, an der sie letztlich zerbrach", sagt Leweke.
Historiendrama bekommt "Großen Preis der Jury"
Der zweitwichtigste Preis der 76. Internationalen Filmfestspiele Venedig - der Große Preis der Jury - ging an Roman Polanskis Film "J'accuse" über den jüdisch-französischen Offizier Alfred Dreyfus, erzählt nach dem Roman "Intrige" von Robert Harris.
"Zwar wurde die Entscheidung bei der Preisverleihung verhalten aufgenommen, mit wenig Applaus", sagt Leweke, aber es sei auch eine Entscheidung für einen sehr politischen Film. Der Stoff habe den Regisseur nicht wegen der Kostüme interessiert, sondern viel mehr, weil er viel über die Gegenwart aussage. Als Beispiel nannte Wellinski: "Überwachungsstaat und Hexenjagd - alles Dinge, die uns hier und heute interessieren."
Politische Erklärungen
Der italienische Schauspieler Luca Marinelli bekam den Löwen als bester Darsteller in "Martin Eden", einem Film von Pietro Marcello nach einer Buchvorlage von Jack London.
Die Französin Ariane Ascaride wurde als beste Schauspielerin in "Gloria Mundi" des französischen Regisseurs Robert Guédiguian ausgezeichnet.
Ascaride und Marinelli nutzten ihre Dankessagungen für politische Erklärungen zur Flüchtlingskrise im Mittelmeer. So sagte Marinelli, der einen Seemann im Neapel des frühen 20. Jahrhunderts spielt, er danke allen Seeleuten, die nicht mehr die Fische einholten, sondern versuchten Flüchtlinge zu retten und damit ein menschliches Antlitz Italiens in der Welt vermittelten. Auch Ascaride, die eine Arbeiterin in Marseille spielt, widmete ihre Preis denjenen, die auf dem Grund des Mittelmeeres in den ewigen Schlaf gefallen seien.
Beste Regie und Doku
Für die beste Regie wurde der Schwede Roy Andersson ausgezeichnet, der in seinem Melodram "About Endlessness" in kurzen Episoden in die traurigen Seelen von Menschen blickt. Der in Hongkong lebende Yonfan gewann den Preis für das beste Drehbuch für den Animationsfilm "No. 7 Cherry Lane".
Die Dokumentation "La mafia non è più quella di una volta" des Italieners Franco Maresco bekam den Spezialpreis der Jury. Mit dem Marcello-Mastroianni-Preis für den besten Jungdarsteller wurde Toby Wallace ausgezeichnet, der in "Babyteeth" der Australierin Shannon Murphy einen Drogensüchtigen spielt.
Proteste am Rande des roten Teppichs
Noch vor der Preisverleihung hatten in Venedig mehrere hundert Menschen für mehr Klimaschutz und gegen Kreuzfahrtschiffe demonstriert. Die 300 bis 400 Teilnehmer waren unter anderem Vertreter des Komitees gegen große Schiffe in Venedig sowie der Bewegung "Fridays For Future". Zusammen organisierten sie auch das "Venice Climate Camp", eine Camping-Veranstaltung für das Klima in Italien. Es soll unter anderem darauf hinweisen, dass Venedig als Küstenstadt besonders unter den Konsequenzen des Klimawandels und dem Anstieg des Meeresspiegels leiden wird.
Ein politisches Festival geht zu Ende
Alles in allem gehe ein sehr gutes Festival zu Ende, sagten die Kritiker Wellinski und Leweke. Die Zuschauer reisten mit Bildern zurück, die noch lange nachwirken würden, weniger weil sie gute Laune verbreitet hätten, sondern weil das Kino am Lido sich mit dem Brodeln der Welt auseinandergesetzt habe und davon auf unterschiedliche Art erzählt habe.