Filmförderung nach den Coronamaßnahmen

Die Weichen werden weg vom Kino gestellt

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Ein Schotterweg endet in einer dürren Landschaft. Das Ende des Weges ist mit einem gelben Schild markiert, das die Aufschrift "End" trägt.
"The End" für die Kinos? Die erhoffte Wiederbelebung der Kinos ist bislang jedenfalls ausgeblieben © Getty Images / Thomas Winz
Von Christian Berndt · 04.06.2022
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Die beiden Coronajahre waren für die Kinos nicht leicht. Nun könnte es bergauf gehen, doch die Aussichten sind trübe. Das liegt auch an einer Entscheidung der deutschen Filmförderung.
Die deutsche Serie „Babylon Berlin“ geht in die vierte Staffel. Den grandiosen Erfolg hat sie nicht zuletzt auch einer Förderung durch den German Motion Picture Fund zu verdanken. Das Förderprogramm des Kulturstaatsministeriums soll, so heißt es, den Filmstandort Deutschland stärken. Dafür wurde das Fördervolumen dieses Jahr auf 90 Millionen aufgestockt.

Falsches Signal an die Branche 

„Diese 90 Millionen entspricht ungefähr dem Etat der Bundesfilmförderung insgesamt“, sagt Björn Hoffmann, Vorsitzender des Verbandes unabhängiger Filmverleiher (AG Verleih).
Für ihn ist diese geballte Förderung ein Skandal. Denn das Geld kommt nicht dem deutschen Film zugute: „Mit dem German Motion Picture Funds wurden in den letzten Jahren bis auf eine Ausnahme ausschließlich Serien gefördert.“
Die AG Verleih hat gegen diese Aufstockung protestiert. Dass ausgerechnet Serien und damit auch die Streamer – die großen Pandemiegewinner – so stark gefördert werden, hält man für ein fatales Signal: „Damit werden kulturpolitisch Weichen gestellt – weg vom Kino und hin zu einer Serienproduktion.“

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Für die deutsche Filmproduktion sind Serien in Pandemiezeiten eine sichere Bank, meint Hoffmann. Denn Kinofilme würden bei erneuten Kinoschließungen hohe Verluste einfahren. Dieser Logik sei anscheinend auch Kulturstaatsministerin Claudia Roth gefolgt. Bei der AG Verleih ist man irritiert, weil man von Roth ganz anderes erwartet hatte:
„Claudia Roth hat auf der Berlinale ganz klar gezeigt, dass sie für das Kino brennt“, sagt Hoffmann. „Ich glaube, es gab dieses Jahr auf der Berlinale kaum einen Wettbewerbsfilm, wo Claudia Roth nicht zu Gast war. Sie hat eine sehr euphorische Rede auf der Berlinale-Eröffnung gehalten.“
Deshalb ist Hoffmann letztlich optimistisch, dass der Protest der AG Verleih bei der Kulturstaatsministerin ankommt. Das Staatsministerium argumentiert, die Mittel für den German Motion Picture Fund stammten aus der wirtschaftlichen Filmförderung und dürften nur für Standortprojekte verwendet werden.

Zuschauer kommen nur zögerlich zurück

Nun sind Gespräche geplant. Für die unabhängigen deutschen Verleiher ist die Situation im Moment äußerst kritisch, denn die Zuschauer kommen nur zögerlich zurück. Das gilt besonders fürs Arthaus-Kinopublikum: „Der Hauptgrund ist für unser Publikum, 40 plus oder 45 plus, die Angst vor Ansteckung“, sagt Hoffmann
Aber auch insgesamt erreichen die Kinos nur 60 Prozent der Auslastung aus der Zeit vor der Pandemie, wie die Vorstandsvorsitzende des Hauptverbandes Deutscher Filmtheater, Christine Berg, erzählt: „Im Moment funktionieren nur die ganz großen Filme. Sobald ein großer Blockbuster kommt, gehen die Leute rein. Das gesamte Mittelfeld und auch Arthaus, da kommen die Leute noch nicht so zurück.“

Sind die Prioritäten richtig gesetzt?

„Top Gun Maverick“ hat beim Kinostart Ende Mai weltweit Rekordergebnisse eingefahren. In Deutschland erreichte Hauptdarsteller Tom Cruise damit seinen besten Filmstart seit 17 Jahren. „Das sehen wir immer wieder“, so Berg, „wenn einer der großen Filme kommt, gehen die Leute auch ins Kino. Aber es hält nicht lange an, danach gehen die Zahlen wieder runter.“
Angesichts der dramatischen Lage hält auch Christine Berg mehr staatliche Unterstützungen für notwendig. Immerhin, sagt sie, wurden die finanziellen Mittel für „Neustart Kultur“ bis 2023 verlängert und die Finanzhilfen für das Kinoförderprogramm aufgestockt. Aber auch sie vermisst die richtigen Prioritäten.
„Die Fakten sind relativ eindeutig, die zeigen ein Ungleichgewicht“, erläutert Berg. „Das Programm für die Serien ist aufgestockt worden – was einerseits gut ist, weil damit natürlich der Produktionsstandort Deutschland gestärkt wird. Vielleicht müssen wir noch etwas lauter schreien und sagen: Hier gibt es auf andererseits einen riesigen Bedarf, und zwar bei Kino und Verleih. Das muss dringend verbessert werden.“

Kleine Kinos bangen ums Überleben 

Ausgerechnet die Aufhebung der Coronabeschränkungen für die Kinos hat die Lage vielerorts verschärft. So wie für das renommierte Programmkino Traumstern im hessischen Lich, wie Mitbetreiber Edgar Langer erklärt.
„Abrupt am Datum, wo die ganzen Auflagen gefallen sind und jeder dachte, jetzt geht’s richtig los, sind die Leute, die vorher gekommen sind, fast nicht mehr gekommen“, sagt Langer. „Das heißt, wir sind über Wochen auf einstelligen Besucherzahlen. Das ist katastrophal.“
Bisher haben in Deutschland nur wenige Kinos schließen müssen, aber fraglich ist, wie lange das so bleibt: „Wir haben diese zwei Jahre überstanden – sensationell – ohne zusätzliche Kredite aufnehmen zu müssen“, berichtet Langer. „Aber sich ständig vorzumachen, es wird besser und es wird nicht besser. Es ist auch kein Land in Sicht. Ich weiß momentan nicht, wie wir uns noch motivieren sollen. Da ist momentan eine große Erschöpfung.“
Jetzt kommt der Sommer – in Deutschland anders als in Frankreich – keine Kinosaison. Im November und Dezember, der traditionell besten Kinozeit des Jahres, findet die Fußball-WM statt.
Den Kinos und unabhängigen Filmverleihen steht ihre schwerste Zeit vielleicht noch bevor.
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