Pläne der Kulturstaatsministerin
Die Staatsministerin für Kultur und Medien, Claudia Roth (Grüne), hat die Branche lange warten lassen mit ihrem Reformplan für die Filmförderung. © picture alliance / dpa / Sebastian Gollnow
Was sich bei der staatlichen Filmförderung ändern soll
Kulturstaatsministerin Roth will die Filmförderung reformieren. Das neue Filmförderungsgesetz sieht auch eine Investitionsabgabe für Streamingdienste und TV-Sender vor. Was sich sonst noch ändern soll - und welche Kritik es an der Novelle gibt.
Das Bundeskabinett hat den Entwurf von Kulturstaatsministerin Claudia Roth zur Reformierung des Filmförderungsgesetzes (FFG) im Mai beschlossen. Die Novelle soll noch im Bundestag beraten werden.
Die Branche wartet schon lange auf eine Reform, um die Rahmenbedingungen für Kinofilme aus Deutschland zu verbessern.
Doch es gibt auch Kritik. So wehren sich Verbände gegen Roths Pläne, wonach Streaming-Dienste und Fernsehsender verpflichtet werden sollen, in deutsche Film-Produktionen zu investieren.
Was soll die Reform des Filmförderungsgesetzes leisten?
Bereits vor Jahren, nämlich im Koalitionsvertrag von Ende 2021, hatte die Ampelkoalition eine Reform angekündigt und dabei auch Ziele formuliert: „Mit der Filmförderungsnovelle wollen wir die Filmförderinstrumente des Bundes und die Rahmenbedingungen des Filmmarktes neu ordnen, vereinfachen und transparenter machen, in enger Abstimmung mit der Filmbranche und den Ländern. Wir prüfen die Einführung von Investitionsverpflichtungen und steuerlichen Anreizmodellen und schaffen gesetzliche Rahmenbedingungen, um die steuerliche Behandlung von Filmkoproduktionen rechtssicher zu gestalten.“ Vor mehr als einem Jahr hatte Roth dann Eckpunkte für eine Reform vorgestellt, aber mehr war bisher nicht passiert. Die Filmschaffenden sind längst ungeduldig.
Erst im Januar hatten Branchenverbände in einem Brandbrief Vorschläge gemacht. Hintergrund ist eine trübe Stimmung in der Branche. Die deutschen Film- und Fernsehproduzenten rechnen in diesem Jahr mit einem Rückgang der Auftragsproduktionen von rund zehn Prozent. Der Hauptgeschäftsführer der Allianz Deutscher Produzenten - Film & Fernsehen, Björn Böhning, kritisierte am 12.2.2024 eine Kürzung bei der Filmförderung im Bundeshaushalt um rund 15 Millionen Euro. Im internationalen Vergleich liege das deutsche Förderniveau ohnehin um 10 bis 15 Prozent niedriger.
Die deutsche Filmbranche kriselt. Man rechnet in diesem Jahr mit zehn Prozent weniger Auftragsproduktionen. Andere Produktionsorte in Europa sind längst attraktiver geworden als Deutschland. Die Filmproduktionen in der Bundesrepublik sind zuletzt um etwa ein Fünftel zurückgegangen. Auch Kulturstaatsministerin Roth räumt ein, dass der Filmstandort Deutschland „leidet“ und viele große Produktionen einen Umweg machten und in andere Länder gingen, „wo es Anreize gibt und da sind wir nicht mehr konkurrenzfähig“.
Wie will Claudia Roth die Filmförderung reformieren?
Ziel sei, die Standortbedingungen für Filmproduktionen in Deutschland zu verbessern, sagte die Kulturstaatsministerin und Grünen-Politikerin am 13. Februar 2024 in Berlin. Neben Steueranreizen und einer Investitionsverpflichtung soll die Filmförderungsanstalt (FFA) zur zentralen Einrichtung für Förderungen ausgebaut werden.
Mit der Reform sollen Rahmenbedingungen verbessert und eine Stärkung des deutschen Films erreicht werden. Die Branche müsse sich angesichts der zunehmenden Bedeutung von Streamingdiensten und Mediatheken sowie einer verschärften internationalen Konkurrenz der Filmstandorte neu aufstellen. Mit der Bündelung der Filmförderung des Bundes unter dem Dach der FFA will Roth eine „Förderung aus einer Hand“ schaffen. Wesentliche Neuerung sei die Konzentration auf die Förderbereiche Produktion, Verleih und Kino sowie „eine weitgehende Automatisierung der Förderinstrumente“.
Als besonderen Anreiz für Hersteller und Produktionsdienstleister bezeichnete sie die geplante „Einführung eines Steueranreizmodells“. Es soll die bisherigen Standortförderinstrumente - den Deutschen Filmförderfonds (DFFF) und den German Motion Picture Fund (GMPF) - ersetzen. Film- und Serienproduktionen sowie Dienstleister sollen demnach bis zu 30 Prozent der anerkannten deutschen Herstellungskosten als Filmförderzulage zurückerhalten, finanziert aus dem Aufkommen der Körperschaft- und Einkommenssteuer. Dies schaffe im Gegensatz zu der gedeckelten Zuschussförderung Planungssicherheit, insbesondere für internationale Großproduktionen.
Streamer und TV-Sender kritisieren die geplante Investitionsabgabe
Besonders auf ausländische Streamingdienste und Mediatheken mit deutschsprachigem Angebot zielt die dritte Säule von Roths Reformvorhaben: die Einführung einer Investitionsverpflichtung. Geplant ist eine Investitionsquote von 20 Prozent auf den Vorjahresnettoumsatz. Viele deutsche Anbieter erfüllten diese Quote ohnehin. Für sie habe diese Verpflichtung faktisch keine Auswirkung, sagte Roth. In zahlreichen anderen Staaten gebe es ähnliche Verpflichtungen.
Mehrere Verbände wehren sich gegen die Pläne von Kulturstaatsministerin Claudia Roth. Die Investitionsabgabe garantiere nicht, dass in Deutschland mehr produziert werde, heißt es in einem Protestschreiben, aus dem die Frankfurter Allgemeine Zeitung zitiert. Unterzeichner des Schreibens sind der Privatsender-Verband „Vaunet“, der Digital-Verband „Bitkom“ und die europäische Vereinigung „Motion Picture Association“. Die ab 2025 geplante Neufassung des Filmförderungsgesetzes berücksichtige nicht ausreichend die unterschiedlichen Geschäftsmodelle der Anbieter, die nötig sind, um Vielfalt und Wettbewerb zu sichern.
Zur Stärkung der Filmförderung soll der Deutsche Filmpreis außerdem künftig ohne Preisgelder auskommen. Die bislang mit rund drei Millionen Euro dotierten Nominierungen und Auszeichnungen aus dem Haus von Roth sollen laut einem Entwurf für den Bundeskulturetat ab 2025 umgewidmet werden. Sie fließen stattdessen in die kulturelle jurybasierte Filmförderung, wie es in einer Mitteilung hieß.
Wie funktioniert derzeit die Filmförderung in Deutschland?
In den bestehenden Förderfonds DFF und GMPF standen im vergangenen Jahr rund 166 Millionen Euro zur Verfügung. Weitere Infos zur bisherigen Förderung, der auch als deutscher Filmförder-Dschungel berüchtigt ist, finden sich auf den Webseiten der Filmförderfonds sowie der Kulturstaatsministerin. Abzurufen ist dort auch die Reform der Filmförderung auf einen Blick.
Ingo Fliess, der unter anderem den jüngst für den Oscar nominierten Kinofilm „Das Lehrerzimmer“ produziert hat, beschrieb das bisherige Fördersystem so: „Im Moment haben wir ja ein Kleinklein der Filmförderung.“ Die Bundesländer machten Filmförderung. Zudem gebe es noch „drei selektive Förderungen auf Bundesebene, die alle mehr oder weniger kompatibel miteinander sind“. Aber die Filmproduzenten seien dabei „in der Hand von Jurys“.
Fliess: „Ich will gar nicht sagen, dass diese Jurys nicht kompetent sind.“ Aber der „vielgescholtene Gremienfilm“ aus Deutschland, der es „jedem und allen recht macht“, damit man durchkomme mit diesen verschiedenen Jurysitzungen, der würde mit einer grundlegenden Reform „zum großen Teil der Vergangenheit angehören“, so der Filmproduzent. „Wir versprechen uns davon bessere Filme tatsächlich.“
Was halten Filmschaffende und Beobachter von den Plänen?
Björn Böhning, Vorstandssprecher der Produzentenallianz, bezeichnete die geplante Reform als „einen Meilenstein“. „Das ist der Booster, den die deutsche Film- und Fernsehwirtschaft braucht“, sagte Böhning in einer ersten Reaktion. Besonders wichtig sei den Produzenten, dass Rechte in Deutschland und bei den Produzenten verbleiben.
Doch die Begeisterung ist nicht einhellig. Der Vorstandsvorsitzende der Gilde deutscher Filmkunsttheater, Christian Bräuer, sagte: „Die große Sorge, die wir immer noch haben: Der Schwerpunkt, um den es gerade geht, das sind die Steueranreize, das sind die Investitionsverpflichtungen. Und beides sind Themen, da geht es zuerst mal um die Filmfinanzierung.“ Fürs Kino sei das „aber eine massive Verschiebung, denn bislang waren die öffentlichen Fördermittel vorrangig für Kinofilme bestimmt“. Die Sorge der Gilde ist, dass künftig vermehrt für Streamingdienste produziert wird und Filme nur kurze Zeit im Kino laufen. Für die Kinos sei nicht klar, so Bräuer, wie ihre finanzielle Stärkung aussehen solle. Das 2017 gestartete Zukunftsprogramm Kino ist gekürzt worden. Viele Fragen bei der Filmförderreform bleiben also offen.
Die Filmkritikerin Katja Nicodemus urteilte, die bisherige Filmförderung sei in entscheidenden Teilen „einfach nicht mehr zeitgemäß“. Das bisherige „Tingeln“ von Filmproduktionen durch die Bundesländer, um sich dort Fördergelder zu sichern, sei „absurd“ und „unökologisch“. Bei der Filmförderung sei ein „Wildwuchs“ entstanden aus „Pfründen“, „Kleinstaaterei“, „Lobbyismus“, so Nicodemus.
„Wenn man mit Produzent:innen spricht, die werden schier wahnsinnig angesichts der Formulare und Anträge.“ Deshalb hält sie eine umfassende Reform für notwendig. Es seien allerdings noch nicht alle davon überzeugt. Zum Beispiel würden sich die Fernsehsender „juristisch genau anschauen, ob sie sich zu einer pauschalen Investitionsabgabe für das deutsche Kino verpflichten lassen“. Das größte Problem sieht sie bei den Länder-Förderanstalten. Diese „werden sich erstmal anschauen, wie sie um ihre regionale Förderung kämpfen“.
Kritik an Roths Plänen kommt auch von der Initiative ProQuote, die der Ministerin vorwirft, eine historische Chance verpasst zu haben. Die Möglichkeit per Gesetz Geleichberechtigung und Diversität in der Filmbranche zu fördern, habe Roth konsequent ignoriert. Die Dokumentarfilmerin Uli Decker vom Vorstand der Initiative sprach sich gegenüber des Katholischen Nachrichtendienstes für ein Punktesystem wie in Österreich aus. Wer dort Parität und Diversität beachte, bekäme bei der Förderung Punkte gutgeschrieben.
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