Filmgeschichte mit Keanu Reeves

Von Vanja Budde |
Ist die Zukunft des Kinos digital? Was bedeutet die neue Technik für die Kreativen am Set? Fragen wie diese diskutiert der Schauspieler und Produzent Keanu Reeves in der Dokumentation "Side by Side", die auf der Berlinale Weltpremiere hatte.
Dank des Beaus aus "Matrix" und "Speed" findet die recht trockene Materie seines neuen Films ein großes Publikum: Die Dokumentation "Side by Side" analysiert die Vor- und Nachteile der digitalen Produktion von Filmen. Nicht gerade Unterhaltungsware für die Massen, aber für Kinofreaks wie Keanu Reeves hoch spannend.

"Für mich war die Intention, diesen historischen Moment einzufangen, diesen Übergang von fototechnisch zu digital. Wir wollten die Ansichten aller Künstler und Techniker, der Filmemacher und Kameramänner zusammen führen. Damit haben wir etwas Einzigartiges: Eine historische Aufzeichnung."

Der 46 Jahre alte Hollywoodstar Keanu Reeves beleuchtet die Facetten der digitalen Revolution sehr umfassend, im Gespräch mit Kinolegenden wie Martin Scorsese, David Lynch, James Cameron, Steven Soderbergh und Lars von Trier. Digital ist schneller und billiger, loben die Befürworter. Man muss bei den Drehabreiten nicht mehr warten, bis die Probebänder aus dem Kopierwerk kommen, sondern sieht auf dem Computerbildschirm sofort das fertige Bild. Doch das ist nur künstlich aus Pixeln erzeugt, beschwert sich Traumfabrik-Urgestein George Lucas in "Side by Side".

Das sei doch Quatsch, hält James Cameron dagegen. Auch Filmaufnahmen auf Zelluloid hätten doch nie die Wirklichkeit abgebildet. Vorreiter Cameron hat für "Avatar" eine rein digitale Welt entwickelt.

Keanu Reeves spielte in den anschließenden Diskussionsrunden mit dem Berlinale-Publikum um seinen Film den charmanten Clown. Auf die Frage, ob er seinen nächsten Spielfilm digital dreht oder analog, gab er aber eine eindeutige Antwort:

"Digital, Baby!"

Beim Berlinale Talent Campus, der Nachwuchsschmiede des Festivals, diskutierte Reeves gemeinsam mit dem irischen Kinoexperten Mark Cousins. Dieser sieht in den günstigen Preisen für digitale Kameras einen Riesenvorteil und in der Möglichkeit, Filme auch ohne Studio oder Verleihfirma auf DVD oder im Internet zu veröffentlichen.

"Natürlich werden mehr Filme gemacht werden denn je. Deswegen wird es auch mehr Schund geben. Aber: Sollte ein neuer Francois Truffaut hier im Saal sitzen oder in einem sehr armen Teil der Welt geboren werden, hat er oder sie es viel einfacher, ihr Werk aufgeführt zu sehen, als jemals zuvor in der Geschichte des Kinos. Und das ist ein Grund zum Feiern."

Mark Cousins zeigte auf der Berlinale seine gewaltige Dokumentation "Story of Film": Eine 15 Stunden lange Filmversion seines gleichnamigen Buches, das als Standardwerk der Branche gilt. Die Dokumentation hat Cousins sechs Jahre lang rund um die Welt getrieben. Er konzentriert sich nicht auf Hollywood, sondern widmet sich intensiv auch dem europäischen, afrikanischen und asiatischen Kino. Doch nach welchen Kriterien hat Mark Cousins entschieden, welches Werk er erwähnt und welches nicht?

"Es ist sehr schwer, auszuwählen. Filme sind zwar eine relativ junge Kunstform, aber es gibt schon schätzungsweise eine halbe Million von ihnen. Ich habe mich darum für das Thema Innovation entschieden: Wer hat etwas Neues gemacht mit der Sprache des Kinos? Und das gab mir einen roten Faden für meine Geschichte."

Trotz dieses begrenzenden Rahmens spicken nicht weniger als 1000 Ausschnitte seine "Geschichte des Films" – ein Leckerbissen für jeden Cineasten, eine leidenschaftliche Liebeserklärung an das Kino.
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