Filmgeschichte per Mausklick

Von Bernd Sobolla |
Europäische und US-amerikanische Filmarchive schließen sich im Internet zusammen, um ihre Bestände in einer Online-Datenbank zugänglich zu machen. Die meisten Downloads sind rechtlich abgesichert - aber nicht alle.
Ein Animationsfilm von 1960, der das urbane Chaos persifliert und sich musikalisch an Gershwins "Rhapsody in Blue" anlehnt. Es ist ein Werbefilm von Campari. "Rapsodia", so der Titel, ist einer von rund 60 Filmen, die bereits auf der Website www.filmarchives-online.eu zu finden sind. Nur leider ist der Link zu diesen Filmen ziemlich versteckt.

Im Moment stammt das älteste Werk dort von 1898, ein tschechischer Film über ein Sommerbadevergnügen. Aber auch Kaiser Wilhelm II ist bei der Einweihung eines Denkmals von 1904 zu sehen. Und in einer sowjetischen Wochenschau von 1954 wird der zehnte Jahrestag der Befreiung der litauischen Stadt Vilnius von der deutschen Besatzung gezeigt. Ein glänzendes Beispiel für die "poetische Propaganda" der Sowjetunion, in dem Wiederaufbau und Optimismus Hand in Hand gehen.

Genau genommen ist www.filmarchives-online.eu ein digitaler Verbundkatalog, zusammengetragen von 18 europäischen Filmarchiven mit dem Ziel, allen Interessierten den Zugang zum Erbe der europäischen Filmkultur zu erleichtern. Bisher können so rund 25.000 Werke schnell und direkt im Internet recherchiert werden. Über das mehrsprachige Internet-Portal können Filme nach Inhalt, nach filmischen Angaben und Eigenschaften gesucht werden.

Wer zum Beispiel einen Begriff wie "Mountain Climbing" eingibt, erhält unabhängig von der Sprache Filme aus Rumänien, Italien oder Deutschland aufgelistet. Geht man dem Pfad nach, folgen alle weiteren Angaben: Produktionsland, Jahr, Regisseur, Produzent, Rechteinhaber - bis man zu einem Bestellformular kommt. Zum Beispiel für den Film "Barcelona", der die Hauptstadt Kataloniens im Jahr 1970 zeigt. Dort begegnet uns auch der Maler Salvador Dali.

Ein Paradies für Filmwissenschaftler. Auch wenn bisher nur wenige Filmausschnitte wirklich online verfügbar sind. Aber das Portal wächst ja beständig und weitere Archive können und sollen sich anschließen. Viel weiter ist da die Website www.archive.org. Das Internet-Archiv, das in San Francisco beheimatet ist und schon seit Jahren existiert, gliedert sich in vier Bereiche: Texte, Audiodateien, Live-Music-Archiv und Moving Images, also Filme. Wer zum Beispiel nach den Werken von Orson Welles sucht, findet Dutzende Interviews, TV-Shows oder Hörspiele, wie den Klassiker "Krieg der Welten”.

Bei den Büchern und Schriftstücken liest man oft: "Digitized for Microsoft Corporation":

"Darf für nicht-kommerzielle, persönliche Recherchen benutzt werden oder für schulische Aufgaben. Darf nicht im Rahmen von kommerziellen Dienstleistungen aufgeführt werden."

Das klingt vorbildlich, ist aber nicht immer zu finden. Und bei Filmen wie zum Beispiel "Triumph des Willens" aus dem Jahr 1934 kann davon keine Rede sein. Der Dokumentarfilmklassiker von Leni Riefenstahl - berühmt als ästhetischer Meilenstein der Filmgeschichte und berüchtigt als glühend heiße NS-Propaganda - darf in Deutschland nicht verkauft werden. Und öffentliche Vorführungen sind nur in Verbindung mit Einführungen gestattet. Das gleiche gilt für den antisemitischen Film "Jud Süß" von Veit Harlan. Beide werden aber zum Download angeboten. Jan Österlin, Filmrechtesexperte von der "Zukunft Kino Marketing GmbH", warnt davor.

"Grundsätzlich gilt: Ist der Download zunächst mal überhaupt legal, was das Urheberrecht angeht? Oder stellt jemand illegal ein? Der Download von offensichtlich illegalem Material ist verboten, ist im Prinzip strafbar. Inwieweit hier dann tatsächlich eine Strafverfolgung stattfindet, ist schwer zu sagen. Gerade wenn Material von international gehosteten Sites ins Internet gestellt wird, ist natürlich eine Strafverfolgung nicht ganz unkompliziert."

Besonders in Amerika. Denn auch wenn die Rechteinhaber gegen die Anbieter klagen und gewinnen, müssen sie die Anwaltskosten selbst zahlen. Und das kann teuer werden. Deshalb zögern die Lizenzinhaber auch, in diesem Fall die Transit-Film in Deutschland. Zumal das US-amerikanische Urheberrecht lockerer ist als das deutsche: Abhängig davon, ob und wann das Copyright für Werke erhoben wurde und ob dies gemäß den amerikanischen Bestimmung geschah.

Wie auch immer: www.archive.org bereichert sich nicht an dem Material, denn alle angebotenen Filme können umsonst runtergeladen werden. Zum Beispiel rund 120 Werke von Charlie Chaplin aus der Zeit vor 1920. Insgesamt bietet "Archive.org" 57.000 Filme an. Sauber gelistet in überschaubaren Rubriken: nach Lehrfilmen, Cartoons, Heimvideos, Kultur oder Wissenschaft. Und dann gibt es natürlich auch Spielfilme, die wiederum in Genres untergliedert sind, zum Beispiel "Film Noir". Dort findet man dann Klassiker wie "Suddenly" mit Frank Sinatra oder "Detour" von Kultregisseur Edgar G. Ulmer, den man hierzulande selbst in ausgewählten Videotheken nur selten findet.

Service:
Die Portale www.filmarchives-online.eu und www.archive.org sind ab sofort online.