"Disclosure: Hollywoods Bild von Transgender"
Dokumentation, USA 2020
Regie: Sam Feder, Amy Scholder
107 Minuten
Wenn Offenbarung zum Problem wird
07:46 Minuten
Indiskrete Fragen zu ihrem Geschlecht ist Schauspielerin Laverne Cox gewohnt. Davon erzählt sie nun in dem neuen Dokumentarfilm "Disclosure". Warum diese Fragen absolut unnötig, der Film aber absolut nötig ist, erklärt Filmkritiker Ekkehard Knörer.
Transmenschen werden immerzu auf bestimmte Bilder und Rollen in der Gesellschaft festgelegt. Das ist ein Problem. Beim Streaming-Dienst Netflix ist nun die Dokumentation "Disclosure" erschienen, die untersucht, woher diese vorgefertigten Bilder in den Köpfen der Menschen kommen. Das Ergebnis: Sie stammen vor allem aus der Film- und Fernsehwelt.
In der Dokumentation äußert sich unter anderem die Schauspielerin Laverne Cox, die aus der Netflix-Serie "Orange is the New Black" bekannt ist: "Ich hätte nie gedacht, dass ich mal in einer Welt leben würde, in der Transmenschen gefeiert würden." Dennoch wünsche sie sich, dass die Medien aufhören würden, schrecklich Fragen zu stellen – wie einst Oprah Winfrey: "Wie verstecken Sie eigentlich ihren Penis? "Und uns mit Respekt behandeln würden", fordert Cox.
In der Dokumentation äußert sich unter anderem die Schauspielerin Laverne Cox, die aus der Netflix-Serie "Orange is the New Black" bekannt ist: "Ich hätte nie gedacht, dass ich mal in einer Welt leben würde, in der Transmenschen gefeiert würden." Dennoch wünsche sie sich, dass die Medien aufhören würden, schrecklich Fragen zu stellen – wie einst Oprah Winfrey: "Wie verstecken Sie eigentlich ihren Penis? "Und uns mit Respekt behandeln würden", fordert Cox.
Die ständige Frage der Identität
Der Titel "Disclosure" (deutsch: "Offenlegung", "Enthüllung") sei doppeldeutig gemeint, sagt Filmkritiker Ekkehard Knörer. Denn eine Enthüllung im eigentlichen Sinn findet nicht statt. Die abgebildeten Menschen sind, wer sie sind und wollen auch so behandelt werden. Stattdessen werde immer wieder die Frage der Identität gestellt. "Sie wird zu etwas Besonderem gemacht, was sie eigentlich gar nicht sein sollte", sagt Knörer.
Im Film kommen ausschließlich Transmenschen aus dem Showbiz zu Wort. Es geht um die Frage der Darstellung. "Das ist für jede Transgenderperson wichtig, die nach Vorbildern und Modellen sucht, bei denen das funktioniert und normal ist", so Knörer. Wenn sich dann immer alles auf die Identitätsfrage fokussiere, sei das anstrengend und zermürbend.
Genaue Analyse der Situation
"Ich habe zuletzt sehr oberflächliche Dokus gesehen und bin wirklich erstaunt, wie analytisch genau das hier gemacht ist", sagt der Filmkritiker. Das liege vor allem an den Menschen, die sprechen: bekannte Persönlichkeiten wie Laverne Cox, Yance Ford (Filmregisseur und –produzent von "Strong Island"), Lilly Wachowski (Drehbuch und Regie bei "Matrix") oder auch Zachary Drucker (Produzentin von "Transparent"). "Die sind unglaublich reflektiert in der Beschreibung der Situation und nicht nur einfach betroffen oder gefühlig", so Knörer.
Es mangelt an Vorbildern
In bisherigen Filmen und Serien zu dem Thema wie "Picket Fences" (ab 1992) oder "The Crying Game" (1992) wird sehr oft ein Geheimnis um das Geschlecht gemacht und sich auf den Akt des Enthüllens fixiert. "Wenn man das alles Revue passieren lässt, wie die Doku es tut, ist es schwer zu ertragen", sagt Knörer. Es werde sich darüber lustig gemacht und nicht ernst genommen. "Es wird als etwas Perverses oder zumindest Unseriöses betrachtet." Das habe das Zuschauerbild enorm geprägt.
Besonders problematisch sei aber, dass auch die Transpersonen davon geprägt sind. "Wenn man nichts als diese Vorbilder serviert bekommt, hat man seine Schwierigkeiten, sich selbst als positiv zu empfinden", so Knörer weiter.
Probleme innerhalb der Community
Es geht in der Dokumentation aber auch um die politische Komponente innerhalb der eigenen LGBTQ-Community. Dort gibt es Schwule und Lesben, die Transmenschen gegenüber diskriminierend auftreten. "Es gibt auch in der feministischen Bewegung die transausschließenden Positionen", erklärt der Filmkritiker. Das prominenteste Beispiel sei derzeit "Harry Potter"-Autorin J.K. Rowling. "Diese Feministinnen gehen aus meiner Sicht aus absurden Gründen davon aus, dass ihnen etwas weggenommen wird, wenn auch Transfrauen selbstverständlich Frauen sind."
Dennoch erzählt "Disclosure" eine Erfolgsgeschichte. Auch Serien wie "Pose" oder "Transparent" zeigen, dass sich unglaublich viel getan habe in den vergangenen zehn bis fünfzehn Jahren, sagt Knörer.
Was die Dokumentation allerdings nicht zeigt, ist ein Blick auf die weltweite Situation. Regisseur Sam Feder schrieb dazu auf Twitter: "Wir brauchen mindestens eine fünfteilige Serie, um an der Oberfläche der unglaublichen Arbeit zu kratzen, die Transmenschen außerhalb Hollywoods leisten."