Filmmesse "Madrid de Cine"

Spanische Kinoerfolge für die Welt

Die spanische Schauspielerin Ursula Corbero bei der Premiere von "Perdiendo el Norte"
Die spanische Schauspielerin Ursula Corbero bei der Premiere von "Perdiendo el Norte" © picture alliance / dpa / Alberto Martin
Von Wolfgang Martin Hamdorf |
Die Filmmesse "Madrid de Cine" will ausländische Einkäufer für spanische Kinoproduktionen begeistern. Einer der 120 Beiträge ist "Perdiendo el Norte", in dem es um arbeitslose Akademiker geht, die nach Deutschland ziehen. Der Film ist die erfolgreichste Komödie des Jahres.
In den Touristenclubs und Diskotheken auf Gran Canaria wird bis in den Morgen hinein getanzt, geflirtet und getrunken. Darunter auch eine Gruppe junger Spanierinnen. Sie feiern den Junggesellinnenabschied, aber alles geht schief. Der spanische Film "Como sobrevivir una despedida de mujeres" ("Wie man einen Junggesellinnenabschied überlebt") kopiert erfolgreiche US-Amerikanische Komödien wie "Hangover", aber statt der Mittelschichtskumpel sind es hier alte Schulfreundinnen, die mit ihrem schwulen Schulkameraden das Nachtleben unsicher machen. Eine sexuelle aufgeladene Kumpelkomödie, aber aus Frauenperspektive, das ist neu in Spanien, sagt die 24-jährige Hauptdarstellerin Natalia Molino:
"In Spanien standen bisher bei solchen Komödien immer Männer im Vordergrund. Die reden dann über Sex und über Frauen, aber dieser Film stellt zum ersten Mal die Frauen ins Zentrum der Geschichte. Wenn ich mit meinen Freundinnen zusammen sind, dann reden wir auch über Sex und nehmen da kein Blatt vor den Mund."
Die Komödien beherrschen das Programm von "Madrid de Cine". Die Komödien haben die Zuschauer trotz der starken Wirtschaftskrise wieder in die Kinos gelockt und dem spanische Film im vergangenen Jahr einen Marktanteil von 25 Prozent beschert. So zog etwa "Ocho apellidos vascos" acht Millionen Zuschauer in die Kinos.
Lachen über Andalusier und Basken
Der Film lebt in erster Linie vom Lachen über regionale Vorurteile zwischen Andalusier und Basken. Die erfolgreichste Komödie des Jahres 2015 führt nach Berlin: "Perdiendo el Norte" ("Den Verstand verlieren") erzählt von zwei arbeitlosen Jungakademikern, die in Deutschland ihr Glück suchen wollen, aber niemand braucht sie und das Unverständniss zwischen den Kulturen führt von einem Lacher zum nächsten.
Das spanische Kino ist im Zuge der Wirtschaftskrise kommerzieller geworden, die großen erfolgreichen Kinofilme werden nicht mehr mit Unterstützung der arg beschnittenen öffentlichen Fernsehkanäle produziert, sondern von den privaten Fernsehsendern. Aber auch unter dem kommerziellen Druck kann Qualitätskino entstehen, sagt der Produzent José Antonio Félez, Präsident der Staatlichen Filmagentur AEC:
"In meinen Filmen möchte ich dem Zuschauer auch unterschiedliche Lesarten anbieten. Der Zuschauer, der sich einfach zwei Stunden lang im Kino amüsieren will soll auf seine Kosten kommen, aber ebenso der anspruchsvolle Zuschauer, der weitergehende Fragen stellen will, die über den reinen Spass hinausgehen."
Auch das hat eine lange Tradition im spanischen Film. Die Komödien des vor fünf Jahren verstorbenen Altmeisters Luis García Berlanga bedienten in den 60er-Jahren alle volkstümlichen Klischees, kritisierten aber zwischen den Zeilen die versteinerte Gesellschaft des Franco Regimes. Die latente oder offene Gesellschaftskritik ist immer noch ein Markenzeichen vieler spanischer Komödien. So erzählt "Mi gran noche" ("Meine große Nacht") die Geschichte eines Arbeitslosen, der mitten im Hochsommer in der Fernsehaiufzeichnung einer Silvestergala unterkommt.
Während im Studio fürs Fernsehen gefeiert wird und vor dem Studio gegen die drohende Schliessung des Fernsehens demonstriert wird wird der Fernsehdirektor verhaftet. Er wollte mit dem Koffer voller Geld das Land verlassen. Eine Satire über Korruption und falsche Fröhlichkeit, für den Hauptdarsteller Pepón Nieto ist das eine wirkliche Komödie:
"Ich glaube, eine gute Komödie soll uns nicht nur zum Lachen, sondern auch zum Nachdenken bringen. Wenn man nur lacht, dann ist es auch nur ein Witz. Die meisten spanischen Komödien haben aber immer irgendetwas, das dich zum Nachdenken bringt, und für mich ist die Gesellschaftskritik eines Komikers viel effektiver als 50.000 Transparente auf einer Demonstration."
Produktionslandschaft hat sich polarisiert
Heute sei es schwierig in Spanien noch Filme zu finanzieren, die nicht klar als Genrefilm oder Komödie gekennzeichnet seien, sagt Regisseur Alvaro Fernandéz Armero. Seine melancholische Beziehungskomödie trägt den poetischen Titel "Las ovejas no pierden el tren" ("Schafe verpassen keinen Zug"):
"Das Etikett 'Komödie', das kleben dir nachher die anderen auf. Mir geht es nicht in erster Linie darum die Leute zum Lachen zu bringen, sondern ich möchte mit Humor von Dingen erzählen, die mich beschäftigen.Ich würde meine Filme nicht als Komödie bezeichnen, aber wenn es für die Geldgeber und die Verleiher einfacher ist, dann sage ich eben, gut, es ist eine Komödie."
Die Filmmesse in Madrid zeigt auch: Die Produktionslandschaft hat sich polarisiert. Auf der einen Seite die grossen kassenträchtigen Produktionen, die meist mit privaten Fernsehgeldern entstehen und auf der anderen Seite kleine Low Budget oder eher No Budget Produktionen, die dann, wenn überhaupt, auf Festivals zu sehen sind. Verlierer der radikalen Kürzungen bei der staatlichen Filmförderung und dem staatlichen spanischen Fernsehen ist die Mittelschicht der spanischen Filmproduzenten.
Verlorengegangen sind ausreichend finanzierte kreative Projekte, Autorenfilme und besonders Dokumentarfilme, die nicht in die knappen Schablonen der Fernsehsender passen und auch in den Kinosälen keinen Platz mehr finden.
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