Wie die Parteien dem deutschen Kino helfen wollen
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Das deutsche Kino erlebt die größte Krise seiner Geschichte. In der Politik ist man sich weitgehend einig, dass geholfen werden muss. Doch was sagen die Parteien konkret dazu? Ein Überblick.
Aus der Politik wurde während der Pandemie immer wieder der Erhalt der deutschen Kinolandschaft als zentrale Aufgabe kulturpolitischen Handelns beschworen. Aber spielen diese Bekundungen auch eine Rolle im Bundestagswahlkampf? Das deutsche Kino ist noch lange nicht über den Berg, mit den Wiedereröffnungen der Filmtheater fangen die finanziellen Probleme oft erst richtig an. Was sagen die Parteien dazu?
"Wir haben uns von Anfang an der Pandemie dafür eingesetzt, dass es kein Kinosterben gibt, dass wir die Kinos erhalten, nicht nur in den Städten, sondern auch ganz besonders im ländlichen Raum", sagt Elisabeth Motschmann. Als medienpolitische Sprecherin der CDU/CSU-Bundestagsfraktion äußert sie sich zu den Vorwürfen, die Politik habe Filmkunst nicht als systemrelevant eingeschätzt.
Um den nun angelaufenen Kinoneustart zu unterstützen, denkt man in der Union über spezielle Hilfen nach. Die Kinos ständen durch die Konkurrenz der Streamingdienste zusätzlich unter Druck, "sodass wir die Attraktion des Kinos stark betonen müssen und überlegen, ob wir einen Besucherrückgewinnungsfonds auflegen, weil nicht automatisch, wenn die Kinos, Theater oder Konzerthäuser wiederöffnen, die Besucher zurückströmen".
Wie in den anderen Parteien, sieht man auch in der Union dringenden Reformbedarf bei der Filmförderung und will erreichen, "dass die deutschen Filme so unterstützt werden, dass sie mit amerikanischen oder anderen konkurrenzfähig sind", erläutert Motschmann. "Da gibt es tatsächlich Nachholbedarf, und den werden wir versuchen zu korrigieren."
Im Wahlprogramm der Union wird Wert auf die Förderung der deutschen Sprache gelegt. Dass mittlerweile deutsche Filme, um sie international zu vermarkten, nicht selten auf Englisch gedreht werden, findet Motschmann zwar in Ordnung, aber bei der Filmförderung sollte Deutsch als Filmsprache eingefordert werden. Plänen der SPD, die Filmförderungen auch an Gender- und Diversitätskriterien zu koppeln, sei die Union nicht abgeneigt: "Es kann nicht sein, dass vor und hinter der Leinwand nur 20 Prozent Frauen vertreten sind", unterstreicht die Politikerin.
Das sieht auch die medienpolitische Sprecherin der Linken-Fraktion im Bundestag, Doris Achelwilm, so: "Wir fordern auch quotierte Vergabe von Fördergeldern an Projekte, die in den Gewerken Drehbuch, Produktion und Regie Frauen besetzen. Es braucht ein Gender-Budgeting und die Einführung von Diversity-Checklisten."
Achelwilm will damit auch für erweiterte, künstlerische Perspektiven im deutschen Kino sorgen, dabei aber nicht in die Filminhalte eingreifen: "Es geht nicht darum, das daran zu koppeln, was dann in welcher Form im Film stattfinden soll. Das ist eine Frage der Kunstfreiheit, die unabhängig ist."
Auch die Linkspartei will, so Achelwilm, Reformen bei der Filmförderung: Experimentellere und gewagtere Produktionen sollten stärker gefördert werden, zudem fordert Die Linke eine erhöhte finanzielle Förderung der Kinos durch den Bund:
"Die kann auch an Konzepte gekoppelt sein, dass Kinohäuser unterstützt werden, die ein Angebot der Vermittlung an Schülerinnen und Schüler haben. Wir sind für die Förderung von Kinos, die sich auch als Kulturort inszenieren."
Die Linkspartei setzt zum Erhalt einer Kinokultur auch auf Filmbildung: "Altersgerechte Filmbildung im Rahmen von schulischer Medienbildung muss aus unserer Sicht frühzeitig verankert werden, um Filmwissen weiterhin lebendig zu halten. Entsprechend braucht es auch Filmpädagogik, und dass lokale Kinos zum Ort schulischer und außerschulischer Filmbildung werden."
Auch die AfD, sagt deren kulturpolitischer Sprecher im Bundestag, Marc Jongen, will einem möglichen Kinosterben entgegenwirken. Aber man setzt dabei nicht auf zusätzliche finanzielle Hilfen:
"Ich glaube nicht, dass der Weg darin liegen kann, dass man jetzt mehr und mehr auf Subventionen geht", so Jongen. "Für eine gewisse Unterstützung sind wir sehr wohl, vor allem, was die kleineren Kinos, Programmkinos, Arthaus im ländlichen Raum angeht. Die werden ja kommunal meistens unterstützt, das finden wir gut. Aber es kann nicht sein, dass jetzt die Politik oder gar der Bund beginnt, die Kinos mit großflächigen Steuergeldern zu subventionieren."
Stattdessen solle der Bund für Chancengleichheit der Kinos gegenüber den Streamingdiensten sorgen: "Beispielsweise muss es doch so sein, dass die Filme, die im Kino sind, eine Zeitlang dort auch exklusiv gespielt werden und nicht zugleich schon in die Streamingdienste wandern."
Auch bei der Filmförderung sieht man bei der AfD Reformbedarf, weil sie zu wenig Qualität fördere. Das liege auch an Gender- und Diversityvorgaben sowie politisierten Fördergremien: "Es gibt genug Beispiele dafür, wo man sieht, dass ideologisch aufgeladene Produktionen eine Förderung bekommen, die aus Gründen der politischen Korrektheit diese bekommen haben."
Das gelte zum Beispiel für Julia von Heinz‘ Spielfilm "Und Morgen die ganze Welt", der von einer Studentin in der Antifa erzählt und der letztes Jahr im Wettbewerb von Venedig lief. Der Film sei laut Jongen fast Propaganda, diese Politisierung beginne bereits an den Filmhochschulen:
"Auch da muss ein Qualitätsbewusstsein schon geweckt werden, auch da darf so eine politische Manipulation nicht im Vordergrund stehen."
Ein Film, wie er Jongen vorschwebt, wäre in diesem Klima nicht denkbar: "Der Film entsteht ja schon gar nicht, da ist ja die Zensur schon im Kopf." Um dem entgegenzuwirken, strebt die AfD, so Jongen, ein Klima in der Filmbranche an, in dem man ohne Angst seine Meinung sagen könne.
"Ich glaube, dass wir das Kino erhalten müssen, gerade in der Fläche, in der regionalen Präsenz als Kulturort", sagt der Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion für Kultur und Medien, Martin Rabanus. Für den Fall der Regierungsbeteiligung kündigt die SPD im Programm Finanzhilfen an, um Kinos in der Breite zu erhalten:
"Sicherlich wird es nicht möglich sein", so der Sozialdemokrat, "dass jeder und jede ein Kino in der Nachbarschaft hat. Aber ich will, dass jeder die Möglichkeit hat, ein Kino zu erreichen und nicht erst 50 Kilometer fahren muss."
Dabei setzt die SPD Prioritäten: "Ich glaube, dass die SPD in besonderer Weise die Arthousekinos, die kleineren, die kommunalen Kinos stärker im Blick behalten hat, weil das für uns einfach wichtige Debattenorte für gesellschaftspolitische Fragen sind." Die SPD solle, erläutert Rabanus, Schwerpunkte setzen, und diese seien nicht bei den großen Multiplexen.
Weil der Kinoneustart alles andere als leicht für die Filmtheater ist, hält Rabanus öffentliche Kampagnen für notwendig: "Ich glaube, dass wir auch werben müssen für das Kinoerlebnis, das es eben besser ist am Ende als Netflix oder Amazon Prime. Ich halte es für richtig, so etwas dann auch mit öffentlichen Mitteln zu machen."
Ein anderes wichtiges Anliegen der SPD ist die Filmförderung. Rabanus hält sie für stark reformbedürftig, weil sie zu wenig Qualität fördere. Außerdem soll die Finanzierung von Filmprojekten an faire Arbeitsbedingungen, Diversität und Inklusion gebunden werden.
Dem kulturpolitischen Sprecher der FDP-Bundestagsfraktion, Hartmut Ebbing, ist das zu viel Eingriff in die Filminhalte. Aber Reformbedarf bei der Filmförderung sieht auch die FDP – auch wenn das Kino im liberalen Wahlprogramm nicht vorkommt:
"Wir haben das Filmfördergesetz wegen der Pandemie nicht in der Form reformiert, in der es angedacht war", so Ebbing, "aber da muss was getan werden. Der deutsche Film als solches – wenn es um die deutsche Filmförderung geht – steht nicht unbedingt gut da in der Welt und auch nicht in Europa."
Das deutsche Fördersystem sei zu kompliziert und unkoordiniert, Filmschaffende müssten zu viele Klinken putzen:
"Das führt dazu, dass wir in Deutschland eine ziemlich hohe Konzentration der Filmproduzenten haben. Die größten haben natürlich ihre eigene Marketingabteilung, komischerweise bekommen die auch immer am meisten Geld, was sie aber nicht bekommen, weil die Qualität gut ist, sondern weil sie einfach dort sehr viel mehr Zeit investieren."
Die FDP setzt sich für finanzielle Anreize nach dem Vorbild Englands ein, wo für Filmprojekte Steuergutschriften in Höhe von bis zu 80 Prozent der Produktionskosten beantragt werden können:
"Ich würde die jetzige Form der Förderung zurückfahren und würde das dann mit dem Modell der privaten Förderung fahren."
Aber was den Erhalt der Kinolandschaft betrifft, so Ebbing, denke man bei den Liberalen ähnlich wie bei der SPD: "Da bin ich sozusagen auf der sozialliberalen Ebene, auf der Vielfaltsebene. Von daher ganz klare Aussage: Wenn Arthouse Erfolg hat, muss ich es nicht fördern, wenn es keinen Erfolg hat, sollte ich es fördern."
Den Erhalt der deutschen Kinolandschaft nennen auch die Grünen in ihrem Programm als Ziel. Allerdings soll die Förderung an Bedingungen geknüpft sein, sagt Tabea Rößner:
"Wenn ich sehe, dass es einzelne Kinos gibt, die im ländlichen Raum ums Überleben kämpfen, dann muss man dafür eben auch neue Konzepte entwickeln, wie man die Attraktivität steigern kann, wie man diese Kinos auch mehr zu Kulturveranstaltungsorten machen kann. Das zu unterstützen, ist wichtig, weil davon hängt letztlich die Zukunftsfähigkeit des Kinos ab."
Auch der ökologische Umbau der Kinos, so die Grünen-Filmpolitikerin Rößner, soll stärker gefördert werden. Und wie SPD und FDP sehen auch die Grünen eine Reform der Filmförderung als dringlich:
"Wir erleben, dass sehr viele Menschen bei der Entstehung von Filmen mitreden und dadurch natürlich auch viele Bedenken geäußert werden, das Risiko minimiert werden soll. Es gibt viele, die beklagen, dass der Film in Deutschland dadurch eher Mittelmaß ist. Deshalb müssen wir die Filmförderung neu aufstellen."
Anders als die FDP wollen die Grünen die Filmförderung nicht zugunsten privatwirtschaftlicher Anreize kürzen, aber sie wollen das Geld anders verteilen: weniger Gießkanne und mehr Konzentration auf ambitionierte Projekte.
Die Idee der SPD, Fördergelder von Diversitätskriterien abhängig zu machen, sieht Rößner kritisch: "Gewisse Quoten könnte man vielleicht sogar noch festlegen. Aber letztlich fände ich es falsch, zu stark in die inhaltliche Ausgestaltung einzuschreiten. Die Kultur muss unabhängig sein von Politik."
Die Einigkeit hinsichtlich der Qualität des deutschen Films und der Bedeutung der deutschen Kinolandschaft ist bei den drei Kulturpolitikern von FDP, SPD und Grünen groß. Ginge es nach deren Ideen, dürfte einer Ampelkoalition nichts im Wege stehen.