"Das Schwierigste war der Anfang"
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Cannes feiert Terrence Malicks "A Hidden Life" - bei dem viele Geldgeber zunächst abgewunken hätten, sagt Marcus Loges. Der ausführende Produzent erklärt auch, warum es Sinn ergibt, nicht immer dahin zu gehen, wo das meiste Geld ist.
Patrick Wellinski: Vor acht Jahren gewann Terrence Malick mit "The Tree of Life" die Goldene Palme. Nicht wenige behaupten, er könnte dieses Jahr für sein Drama "A Hidden Life" den Erfolg wiederholen. "A Hidden Life" erzählt die Geschichte des Franz Jägerstätter, eines Bauern aus Oberösterreich, der während des Zweiten Weltkrieges den Eid auf Hitler verweigert und in letzter Konsequenz dafür zum Tode verurteilt wird. Diesen stillen Widerstand, der die katholische Kirche dazu veranlasste, Jägerstätter 2007 selig sprechen zu lassen, feiert Malick in seinem Film als großen, göttlichen Akt, als Glaubensbekenntnis. Widerstand als transzendentale Erfahrung, könnte man da sagen. Besetzt ist der Film fast ausschließlich mit deutschsprachigen Schauspielern. Allen voran August Diehl und Valerie Pachner als Ehepaar Jägerstätter.
Auch der ausführende Produzent kommt aus Deutschland: Marcus Loges, ein Experte auf dem Feld der internationalen Koproduktionen. Zu seinen Arbeiten zählen Projekte wie "Sense 8" für Netflix oder "V wie Vendetta". Zum ersten Mal war er mit einem Film aber im Wettbewerb von Cannes. Wir konnten mit Marcus Loges nach der Premiere von "A Hidden Life" sprechen und wollten eingangs von ihm wissen, wie er denn den Abend erlebt hat.
Marcus Loges: Na ja, das ist überwältigend, dieses ganze… man sitzt in diesen Limousinen, man wird dann diese 530 Meter vorgefahren, wo man sich zwischendurch denkt, dass man auch besser laufen könnte. Also diese Zeremonie, da muss man hingehen, und da darf man nicht hingehen, nein, ihr müsst jetzt noch mal einen halben Meter zurück, und dann dürft ihr wieder vor, dann müssen wir noch ein Foto machen, und dann führen wir euch da rein, und dann sitzt man da, und dann… Ich meine, das war schon einzigartig, dass quasi der Applaus anfing, als die Credits begannen und danach aber auch nicht wirklich aufhörte. Als dann Terry ja auch noch erfreulicherweise kam, war das schon sehr, sehr toll.
Wellinski: Sie haben ja schon eines der großen Mysterien gelüftet: Terrence Malick, der große Eremit des Weltkinos war da, aber wie wird man eigentlich Produzent eines Terrence-Malick-Films? Wie sind Sie an das Projekt gekommen?
Loges: Es gibt einen amerikanischen Produzenten, der heißt Grant Hill, und ich hatte die Ehre, mit Grant Hill schon relativ früh in Kontakt zu kommen. Wir haben in Babelsberg damals "V for Vendetta" gemeinsam betreut, also, ich durfte es betreuen, und die damals noch Gebrüder Wachowski kamen, und seitdem haben wir im Prinzip alles, was die Wachowskis in Deutschland gedreht haben, durfte ich mit betreuen. Insofern ist das so eine gewachsene Verbindung. Also was passierte, war: Grant Hill kam und sagte, Terrence Malick möchte so einen Film machen, das ist ein zutiefst deutscher Film, ich brauche unbedingt einen deutschen Produzenten da drauf. Möchtest du das machen? Und wenn man solche Fragen gefragt wird, ist es ganz schwer, da nur nein zu sagen.
"Ein völlig anderes Filmen" mit Terrence Malick
Wellinski: Es ist für Terrence Malick an sich ja ein außergewöhnliches Projekt, weil er zum ersten Mal auch verstärkt nicht mit englischsprachigen Darstellern arbeitet. Hier sind es August Diehl in der Hauptrolle, Valerie Pachner in der weiblichen Hauptrolle. Das ist für ihn schon außergewöhnlich. Das führt ja auch dazu, und es ist unter Kritikern wirklich gerade auch noch in Cannes talk of the town gewesen, dass wir eine englischsprachige Schicht im Film haben und trotzdem auch eine deutschsprachige Schicht. War das je ein Thema für Sie dann als Produzenten, die Frage, machen wir das komplett dann auf englischsprachig? Weil es ist ja schon sehr interessant, das macht etwas mit einem. Das wirkt auch ziemlich kalkuliert und geplant.
Loges: Das sind für mich zwei Fragen. Das Erste war, es war schon immer die Idee, Franz Jägerstätter zu folgen. Franz Jägerstätter ist ein einfacher Bauer, seine Frau Fanny ist eine einfache Bäuerin. Das mit Natalie Portman und Brad Pitt zu besetzen, wäre absurd gewesen, und es ist genau das: Das ist kein Heldenfilm, sondern das ist ein Film über den einfachen Menschen, der kämpft mit dem richtigen Weg, um die richtigen Entscheidungen zu treffen. Deswegen, ja, absichtlich war es, wir machen das als einen Film mit deutschen Schauspielern. Jetzt kommt die andere Frage, und das haben wir tatsächlich anfänglich überlegt: Wollen wir den einfach ganz auf Deutsch drehen? Dann ist es, glaube ich, auch wieder so ein Stilmittel, dass man sagt, das ist nicht ein Film, der davon lebt, dass die Dialoge so wichtig sind. Es wird ja gar nicht so viel gesprochen, sondern man möchte vielleicht lieber mehr Menschen erreichen, was mit der englischen Fassung hier besser ist, und wenn der Bürgermeister vom Haus zurückkommt und mit seinen Kumpeln wieder zurückfällt ins Österreichische, dann ist das… also, uns hat es nicht gestört. Wir diskutieren noch, wie das bei der deutschen Fassung… Also alle Verleiher, glaube ich, müssen sich überlegen, wie man das für das jeweilige Land aufbereitet. Ich finde einfach nur wichtig, dass möglichst viele Menschen diesen Film sehen können.
Susanne Burg: Der Film spielt zu großen Teilen in den Bergen Österreichs und dann auch im Gefängnis in Tegel in Berlin. Gedreht haben Sie in Südtirol, in Zittau und im Studio Babelsberg. Was waren eigentlich die größten Herausforderungen bei der Produktion?
Loges: Ich würde sagen, das Schwierigste war der Anfang, obwohl ja alle denken, das große Mysterium Terrence Malick, gibt es trotzdem Menschen, die sagen, Moment, halt, das ist doch kommerziell völlig unerfolgreich, die letzten Filme sind ja alle nicht gesehen worden, das interessiert uns nicht so, und unser Geld würden wir jetzt auch nicht so… Dann haben wir irgendwann gesagt, okay, wir fangen jetzt an, und dann kam Terrence Malick eingeflogen, und wir haben eine Woche später gedreht, und danach gab es in unseren 40 Drehtagen, wenn man darüber nachdenken würde, was sind denn große Probleme… gab es nicht. Das Wichtige ist nicht, wie häufig bei anderen Produktionen, funktioniert mein Kran, und haben die Beleuchter vorgebaut. Wichtig ist, dass alle, die am Dreh beteiligt sind, fühlen, dass sie die richtigen Sachen filmen, und wenn ein Take 30 Minuten lang dauert, und – das hat August so schön in einer Pressekonferenz erzählt – dass man sagt, ich habe angefangen, was zu spielen, und dann ging es aber trotzdem immer noch weiter, und dann habe ich gesagt, na gut, dann mache ich was anderes, und einfach irgendwann habe ich mich einfach in die Ecke gesetzt und ins Tal gestarrt, und das ist dann das, was es in den Film geschafft hat. Es ist ein völlig anderes Filmen, eine völlig andere Art von Arbeit, die, glaube ich, insbesondere die Schauspieler sehr, sehr lieben, wenn sie es denn annehmen können.
Wellinski: Sie haben schon einige internationale Koproduktionen – das haben wir ja gehört – betreut. Was reizt Sie eigentlich genau an dieser Idee der internationalen Koproduktionen, auch von der Seite des Produzenten, des deutschen Produzenten?
Loges: Ich habe angefangen als Herstellungsleiter, Line Producer, und da sind dann die amerikanischen Gäste zu uns gekommen, und dann habe ich quasi Befehle empfangen, und dann später durfte ich für deutsche Produktionen ins Ausland gehen und habe mir immer gedacht, okay, wie war das denn, als die zu mir kamen und ich die Befehle empfangen habe, und habe daraus für mich als Lehre gezogen, dass man den Eingeborenen vertrauen muss und seinen Partnern trauen muss. Wenn ich das nicht kann, dann darf ich da nicht hingehen. Dann habe ich die falschen Partner gewählt.
Burg: Was macht eigentlich Deutschland attraktiv für andere Länder? Ist es das Geld, die Fördergelder?
Loges: Im internationalen Vergleich stehen wir ja bei den Förderungen nicht so ganz weit oben. Das ist also auch so eine Erfahrung, dass zum Beispiel amerikanische Produktionen gerne so eine Linie in ihr Budget schreiben, und da steht dann, da kann man genau ausrechnen, wie der Rabatt ist. So ist es ja bei uns nicht. Es gibt eine Vielfalt von Fördermöglichkeiten. Das kann sehr gut funktionieren, aber ich denke, der Ansatz sollte immer sein, ich gehe dahin, wo der Film richtig ist. Also als Beispiel habe ich anfänglich betreuen dürfen "Grand Hotel Budapest", diesen Wes-Anderson-Film, und die waren auch so: Wo sollen wir denn hingehen, wo sollen wir denn hingehen, wo gibt es denn das meiste Geld? Dann habe ich gesagt, nein, wie wäre es denn, wenn ihr erst mal überlegt: Wo ist denn das richtige Motiv? Wenn das richtige Motiv in Prag ist, solltet ihr vielleicht nach Prag gehen. Am Ende des Tages war es Cottbus. Wenn wir es da finden, ist da der richtige Ort, und dann sucht man sich was drumherum, weil dieser gern genannte Fördertourismus, dass ich also gezwungen bin, mit meinem Filmteam noch mal für zehn Tage in ein anderes Bundesland zu gehen, weil die uns dann fördern… Ich finde es großartig, und ohne diese Regionalförderung, wie gesagt, würden wir ja diese Filme alle gar nicht machen können, aber es muss auch sinnhaft sein.
Burg: Studio Babelsberg, mit denen Sie ja jetzt auch zusammengearbeitet haben, ist ja ein Ort, der in den letzten Jahren viel auf internationale Koproduktionen gesetzt hat und damit auch Schwierigkeiten immer wieder hatte, immer wieder ja so ein bisschen um die Existenz kämpfen musste. Wo steht Deutschland eigentlich 2019, was internationale Koproduktionen angeht?
Loges: Studio Babelsberg setzt im Prinzip hauptsächlich auf große internationale Koproduktionen. Das funktioniert super, wenn sie kommen. Es funktioniert noch besser, wenn sie Studios mieten. Die Studios sind überall anders, sehr, sehr voll. In Babelsberg füllt sich das so langsam, vielleicht auch weil an den anderen Orten die günstiger sind. Also je weiter wir in den europäischen Osten hineingehen, umso günstiger werden die Produktionsbedingungen. Deutschland ist kein Niedriglohnland. Wir haben allerdings, würde ich behaupten wollen, immer noch eine größere Effektivität. Also wir können mit kleineren Crews auch tolle Dinge machen. Wir sind sehr schnell, wir sind immer noch relativ flexibel, wenn man so daran denkt, wie regulativ andere Filmwirtschaften behandelt werden. Es geht nicht darum, dass man die Arbeitnehmer quälen möchte, aber es geht darum, dass ich nicht von irgendeiner Institution gezwungen werde, zwei Maskenbildner zu engagieren, wenn ich einen Darsteller mit kurzen Haaren habe. Das passiert bei uns nicht, insofern sind wir relativ flexibler als andere Länder. Ich denke, das ist auch das, neben unseren wirklich tollen Motiven und ganz guten Produktionsbedingungen und der Verfügbarkeit von eigentlich allem, sind das, glaube ich, so die wichtigsten Dinge, auf die wir so bauen können und nicht immer nur: Bei uns gibt es das meiste Geld. Weil das stimmt, glaube ich, nicht.
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