Filmschaffende im Iran
Mutig: Die Schauspielerin Mitra Farahani protestiert beim Gijón International Film Festival. Sie saß selbst einige Wochen im Iran im Gefängnis, lebt aber inzwischen in Frankreich. © IMAGO / Pacific Press Agency / IMAGO / Mercedes Menendez
Nichts ist mehr sicher
05:53 Minuten
Nicht nur auf den Straßen im Iran spitzt sich die Lage zu, auch in der Filmwelt: Die iranische Regierung hat mit den Verhaftungen prominenter Filmschaffender signalisiert, dass kein kritischer Künstler mehr sicher ist, berichtet Christian Berndt.
Die iranische Filmszene lässt sich nicht einschüchtern: Ende November hat sich der erste unabhängige Verband iranischer Filmschaffender gegründet, dessen erklärtes Ziel es ist, an der Protestbewegung im Iran mitzuwirken. Zugleich soll die Gründung des Verbandes aber auch ein Aufruf an die internationale Filmwelt sein, die iranische Opposition zu unterstützen. Gerade von den Europäern erhofft man sich viel.
Abhängig vom Regime
Ein Ausschnitt aus einem Dokumentarfilm des iranischen Regisseurs Saeed Tahernezhad zeigt Straßenszenen aus dem iranischen Alltagsleben. Der Film soll von Umweltverschmutzungen in seiner Heimatregion erzählen. Doch für dieses Projekt wurde ihm die Drehgenehmigung entzogen.
Einen Film über Umweltverschmutzung zu machen, sagt Tahernezhad, ist im Iran hochpolitisch. Viele Umweltaktivisten wurden in den letzten Jahren ins Gefängnis geworfen. Auch Freunde und Kollegen des jungen Teheraner Filmemachers wurden eingesperrt, viele andere gingen ins Exil. Es sei fast unmöglich, regime-unabhängige Filme zu drehen.
Das ginge nur, wenn man seinen Film mit Nebenjobs – etwa Taxifahren – finanziert. Und zumeist werde der Film dann eh verboten. Aber jetzt, so Tahernezhad, geht es für die Filmschaffenden sowieso in erster Linie darum, die Proteste zu unterstützen.
Der neue Verband soll die Mitglieder schützen
Danach gefragt, ob Filmemachen im Iran momentan überhaupt Sinn macht, müsse er an das berühmte Zitat von Adorno denken: Nach Auschwitz ein Gedicht zu schreiben sei barbarisch. Obwohl ein Sprecher des iranischen Präsidenten kürzlich gesagt habe, es sei Terrorismus, mit ausländischen Medien zu sprechen, möchte Tahernezhad, dass sein Name im Radio genannt wird:
Ein Interview zu geben, sei das Mindeste, was er tun kann, sagt Tahernezhad, angesichts dessen, dass so viele andere im Gefängnis sitzen. Trotz allem will er im Land bleiben, um an dem, was gerade passiert, mitzuwirken – so wie viele andere iranische Filmschaffende. Am 28. November hat sich offiziell der Iranische Unabhängige Filmverband gegründet.
"Im Iran gab es bisher keine vom Regime unabhängigen Organisationen", sagt der Filmproduzent und Mitbegründer des Verbandes, Kaveh Farnam, der selbst seit 20 Jahren im Exil lebt:
"Bisher standen Filmschaffende, die gegen Missstände im Iran protestierten, alleine da", meint Farnam. Es gab zwar immer wieder gemeinsame Statements, aber darauf folgten Verhaftungen einzelner, erzählt er. Der neue Verband soll die Mitglieder schützen, Proteste koordinieren und aktiv teilhaben an dem, was Farnam eine neue Revolution nennt. Die Filmschaffenden müssten deren Stimme werden.
Hoffen auf die Oscars
Doch die Mitarbeit im Verband ist gefährlich. Jeden Tag Künstler verhaftet, auch wenn sie nicht an Demonstrationen teilnehmen. Farnam hat die letzten vier Filme des Regisseurs Rasoulof produziert, der seit Juli in Haft ist.
Ein anderes wichtiges Ziel des neuen Verbandes ist, die Aufmerksamkeit der internationalen Filmwelt auf die Anliegen der Opposition zu lenken. Der Einsatz von Hollywoodstars führte in den letzten Jahren tatsächlich dazu, sagt Farnam, dass inhaftierte Künstler freikamen. Wichtig ist für ihn aber auch die Oscar-Verleihung.
Die Oscar-Academy könnte zum Beispiel die von offizieller iranischer Seite eingereichten Filme ablehnen, meint Farnam, und dafür unabhängige iranische Filme nominieren. Aber leider reagiere die Oscar-Academy bisher nicht auf diese Forderungen.
Mehr erwartet er sich von der Europäischen Filmakademie, die bisher die unabhängige iranische Filmszene stark unterstützt habe. Der Direktor der Akademie, Matthijs Wouter Knol:
„Die Europäische Filmakademie hat eine Organisation ins Leben gerufen, diese Organisation hat sich in den letzten zwei Jahren stark dafür eingesetzt, Filmemachern, die gefährdet sind, also wirklich lebensgefährdet sind, zu helfen, beziehungsweise auch ihren direkten Familien zu helfen. Und das betraf natürlich absolut auch Filmemacher im Iran.“
Mit der heiligen Spinne Zeichen setzen
Einer der Botschafter der Organisation, der iranische Regisseur Jafar Panahi, sitzt nun selbst im iranischen Gefängnis. Manchmal hat die Organisation Erfolge. Sie konnte zur Freilassung eines inhaftierten ägyptischen Produzenten beitragen. Im Iran aber hat man bisher nichts erreicht.
Zwar kann die Europäische Filmakademie keinen unabhängigen iranischen Film nominieren, aber man will bei der Preisverleihung am 10. Dezember trotzdem ein Zeichen setzen:
„Der direkte Link zum Iran ist eigentlich, dass wir dieses Jahr den Film „Holy Spider“ bei uns sehr sichtbar in den Nominierungen mit dabei haben.“
Der Thriller über eine Mordserie an Frauen ist zwar eine europäische Koproduktion, aber der iranisch-stämmige Regisseur Ali Abbasi erzählt eine iranische Geschichte mit bitterer Gesellschaftskritik. Die iranische Regierung wird die Nominierung von „Holy Spider“, der auch als dänischer Kandidat für die Oscar-Nominierungen eingereicht wurde und in Deutschland im Januar ins Kino kommt, nicht beeindrucken. Aber im Iran selbst erlebt das Kino gerade einen politischen Aufbruch in einer neuen Dimension.