Filmstudium in der Corona-Pandemie

"Da hilft die beste Zoom-Schalte nichts"

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Silhouette einer Filmkamera vor buten Bühnenlichtern.
in den Erstjahresfilmen häufen sich die Geister- und Isolationsgeschichten: Auch Filmstudierende kämpfen mit der Pandemie und dem Lockdown. © dpa/ Zoonar.com/ Sunshine Seeds
Von Christian Berndt · 06.02.2021
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Der Föderalismus zeigt sich auch bei den Corona-Regeln an Filmhochschulen: In München läuft an praktischer Arbeit nichts, in Ludwigsburg nur ausnahmsweise, in Berlin darf unter strengen Auflagen gedreht werden.
"Heute Morgen hatte ich wie so häufig am Morgen ein Gespräch mit einem Studenten, wir haben 40 Minuten gesprochen – über einen 10-Minüter spricht man normalerweise nicht unbedingt 40 Minuten", berichtet Michaela Krützen. "Es geht natürlich auch viel darum, sich auszutauschen. Alle sitzen alleine in ihren Ein-Zimmerwohnungen, manche auf dem Speicher der Eltern, und sind ausgehungert, sich auszutauschen."

Das persönliche Gespräch fehlt

Michaela Krützen arbeitet an der Hochschule für Fernsehen und Film München. Mit ihren Studierenden kann sie derzeit nur per Telefon oder Zoom kommunizieren: "Das Wichtigste am Studium ist ja nicht unbedingt, was die Professorinnen und Professoren sagen, sondern das Gespräch hinterher im Flur, beim Essen", meint die Medienwissenschaftlerin. "Da hilft die beste Zoom-Schalte nichts. Das persönliche Gespräch, tief in die Nacht hinein, das gehört zur Kunsthochschule dazu, und das fehlt."
Die Hochschule ist zu. Weil Zoom-Seminare ermüdend sind, entstand die Idee für eine neue Art von Online-Unterricht: "Es gibt immer ein Examensseminar in der Theorie zu einem größeren, kulturgeschichtlichen Thema, das war in diesem Semester 'Liebe', also 'Liebe im Film'. Und das habe ich dann als Homestory zuhause gedreht, als richtigen Film."

Homestory in der Pandemie

So heißt es denn auch im Film: "Wo soll man über die Liebe sprechen? Natürlich bei uns zuhause, und so lade ich Sie ein, zu mir nach Hause zu kommen…" Dahin also, wo Michaela Krützen mit Frau und Tochter wohnt. "Nach dem Einstieg mit der Homestory sind Sie vielleicht etwas in Sorge und denken, oh mein Gott, vielleicht fragt die mich in der Prüfung nach meinem Konzept von Liebe. Keine Sorge, natürlich mache ich das nicht."
Immerhin, während der Pandemie waren die Prüfungsergebnisse so gut wie noch nie. Einiges an digitaler Lehre will die Professorin aus der Pandemie-Zeit übernehmen – und in Zukunft eine hybride Lehre anbieten: "Das heißt 90 Prozent in Präsenz, aber immer auch die Möglichkeit, digital was nachzuholen, wenn man beispielsweise krank ist als Studierender."

WG-Sport gegen die Depression

Zoom ist auch an der Filmakademie in Ludwigsburg eine eher traurige Alternative, findet Student Marco Henn: "Dieses Persönliche fehlt einem vor allem, auch da wir gerade so wenige immer sind im Klassenzimmer und uns gegenseitig so gut unterstützen. Und jetzt ist alles so … Wir haben teilweise unsere Mitstudenten über ein Jahr nicht gesehen." Der einzige Vorteil sei, dass über Zoom nun auch Filmleute, zum Beispiel aus den USA, im persönlichen Gespräch zu erleben seien, die nie extra anreisen würden.
Aber die praktische Arbeit findet im Moment nicht statt, die Akademie ist geschlossen – mit wenigen Ausnahmen: "Es gab jetzt eine kleine Sonderausnahme für internationale Studierende, deren Visum abläuft", berichtet Henn, "Studierende, die wieder in die Heimat zurückkehren, nach Afrika, Argentinien, Israel." In einem kleinen Studio dürften die mit minimalem Aufwand drehen. Marco Henn ist als Hygiene-Beauftragter beim Dreh dabei.
Insgesamt gehe es ihm trotz allem gut – auch weil er in einer WG wohne, sagt Henn: "Ich mach jetzt immer zuhause mit meinem Mitbewohner Sport, dass man gar nicht erst in die Depression fällt. Und weil wir uns gegenseitig immer pushen, glaube ich, ist es ganz gut."

Außendrehs und interner Ärger

Auch die Deutsche Film- und Fernsehakademie Berlin (dffb) ist geschlossen. Aber unter besonderen Sicherheitsregeln sind Außendrehs machbar.
Die Pandemie scheint auch inhaltliche Auswirkungen auf die studentische Filmarbeit zu haben, meint der Regisseur und Dozent Christoph Hochhäusler: "Zum Beispiel schauen wir dieser Tage gerade, online natürlich, die Rohschnitte der Erstjahresfilme an: Da häufen sich die Geister- und Isolationsgeschichten durchaus."
Aber nicht nur Corona belastet derzeit die dffb, sondern auch die Furcht vor einer Umwandlung der Institution. Die Akademie soll nach Plänen des verantwortlichen Kuratoriums einem sogenannten Change-Prozess unterworfen werden.

Furcht vor "marktorientierter" Ausrichtung

Eine neue Doppelspitze ist geplant, in der auch für die künstlerische Leitung nach einer "unternehmerisch handelnden Persönlichkeit", wie es heißt, gesucht wird:
"Das ist natürlich etwas, was die gesamte Zukunft der dffb prägen wird", sagt Hochhäusler. "Vor allem hatte man zuweilen das Gefühl, dass da diese Corona-Bedingungen, sage ich mal vorsichtig, auch willkommen waren, um bestimmte Dinge durchzusetzen, die normalerweise kontroverser wären."
In der Dozenten- und Studentenschaft wird befürchtet, dass die Hochschule eine stärker marktorientierte Ausrichtung bekommen soll. "Es gibt die Forderung eines stärker industrieführenden Handelns. Das sind Dinge, die man in der Politik mit Sympathie sieht", berichtet Hochhäusler. "Wenn man nicht weiß, wie Filme entstehen, hört sich das natürlich immer gut an. Wenn man sieht, wie in Deutschland Filme gemacht werden und wo Qualität entsteht, hält man das schnell für einen naiven Traum."
Es ist nicht der erste Grundsatzstreit an der Akademie. Seit ihrer Gründung in den bewegten 60er-Jahren ist sie immer wieder Schauplatz heftiger politischer Richtungskämpfe gewesen. Schon kurz danach drohte angesichts der aufmüpfigen Studentenschaft die Schließung.
"Wir haben auch jetzt sehr engagierte Studenten", sagt Hochhäusler. "Aber der Unterschied ist natürlich, dass in der Pandemie die informelle Kommunikation so abgeschnitten ist, dass alles, was diesen politischen Streit betrifft, darunter leidet. Und das macht mir Sorge."
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