Finanzexperte: Fast alle deutschen Banken dürften Stresstest bestehen

Max Otte im Gespräch im Ute Welty |
Der Finanzexperte Max Otte erwartet beim Banken-Stresstest wenig Probleme für deutsche Geldinstitute. Die Schwierigkeiten lägen eher in Spanien und Griechenland, aber nicht so sehr in Deutschland, sagte der Leiter des Instituts für Vermögensentwicklung in Köln.
Ute Welty: Der Tod eines Familienmitgliedes, die Trennung vom Partner und ständiger Zeitdruck – das sind die Faktoren, die beim Menschen den stärksten Stress auslösen. Banken dagegen bekommen vor allem Stress, wenn ihnen auf einmal das Geld fehlt. Und wann das der Fall ist, das will der europäische Stresstest für Banken herausfinden. Heute Abend nach Börsenschluss werden die Ergebnisse vorgestellt.
Der Stresstest für Banken nähert sich seinem Ende, die Ergebnisse werden mit Spannung erwartet und erscheinen eben nicht ohne Grund nach Börsenschluss, um die europäischen Märkte nicht allzu sehr zu irritieren. Und irritieren lässt sich schon gar nicht Max Otte, Professor für Betriebswirtschaftslehre an der Fachhochschule Worms und Leiter des Institutes für Vermögensentwicklung in Köln. Guten Morgen, Herr Otte!

Max Otte: Guten Morgen, vielen Dank für die freundliche Einführung!

Welty: Sehr gerne! 91 Banken in Europa unterziehen sich diesem Stresstest, ein Verlierer steht wohl auch schon fest, nämlich die Hypo Real Estate, jener Immobilienfinanzierer aus München, der mit rund 100 Milliarden gerettet werden und auch verstaatlicht werden mussten. Welche Banken könnten noch durchfallen?

Otte: Ja, es sieht ja so aus, dass zwei deutsche Landesbanken an der Grenze sind, aber wohl nicht durchfallen werden. Und ansonsten liegen die Probleme in der Tat nicht so sehr in Deutschland, sondern eher im Süden, in Spanien, wo natürlich der Immobilienmarkt zusammengebrochen ist, in Griechenland und in anderen Ländern. Aber ich kann mir schon vorstellen, dass ein Dutzend oder etliche durchfallen könnten.

Welty: Welche Landesbanken haben Sie da im Blick?

Otte: Also, man hat über die HSH Nordbank und auch über die Helaba geredet, dass das knapp werden könnte, aber ich denke, sie werden es schaffen.

Welty: Diese Ergebnisse sind ja nicht wirklich überraschend, das sind ja Banken, von denen man schon sehr lange weiß, dass sie in enormen Schwierigkeiten stecken, oder?

Otte: Ja, es wäre ja auch eher kontraintuitiv, wenn jetzt der Stresstest ganz groß Überraschungen bringen würde. Natürlich weiß man, wo die Schwierigkeiten sind und der Stresstest ist eine Möglichkeit, diese Schwierigkeiten transparenter mit einer einheitlichen Methodik dann auch darzustellen und auch messbar zu machen.

Welty: Woran scheitern diese Banken dann vor allem, was ist des Stresstestes höchste Hürde?

Otte: Das muss man so sehen: Also Stresstest, die Banken bekommen ja Eigenkapital von den Kapitalgebern, sie leihen sich dazu Geld und das verleihen sie wieder und investieren es. Und die Hypo Real Estate zum Beispiel hat eben, wie ein Ertrinkender nach dem letzten Strohhalm greift, haben die das Geld genommen und haben es in griechische und ähnliche Staatsanleihen investiert, weil es da ein paar Prozent mehr gab, und haben gehofft, dass sie sich damit mehr Geld verdienen können. Und dann sieht man mal wieder: Kein Geschäft ohne Risiko und wo viel Geld verdient wird, wo die Zinsen hoch sind, ist auch das Risiko höher. Das hätte also, wenn die Leitung der Hypo Real Estate sich das Beispiel Kaupthing Bank, wo es ja auch viele höhere Prozentzahlen gab, vor Augen gehalten hätte, dann hätte man das wahrscheinlich nicht gemacht.

Welty: Wenn wir noch mal den Blick weiten nach ganz Europa: Welche Aussage trifft dieser Stresstest über die europäische Finanzarchitektur?

Otte: Also, ich finde ihn auch sehr gut, sehr richtig, er ist wahrscheinlich sogar noch zu wenig. Er zeigt einfach, welche Banken letztlich bei stark schwankenden Märkten zu wenig Eigenkapital haben. Wenn also der Markt einbricht – also die Konjunktur bricht ein und gleichzeitig brechen die Staatsanleihen ein, dann müssen die Banken ja diese Anleihen neu bewerten, das heißt niedriger bewerten. Und das ist das, was sie besitzen, worin sie investiert sind. Und das schmilzt dann auf der anderen Seite der Bilanz das Eigenkapital weg, sodass sie dann de facto insolvent sein könnten. Das wird jetzt offengelegt, finde ich sehr gut. Und das heißt, die ein oder andere Bank muss wahrscheinlich zusätzliches Eigenkapital bekommen, wie die Commerzbank zum Beispiel und die Hypo Real Estate eben nach der Finanzkrise im Herbst 2008. Also von daher ist das eine ganz sinnvolle Sache.

Welty: Und welche politischen Konsequenzen würden Sie ziehen wollen aus diesem Stresstest?

Otte: Ja, dass die Finanzbranche versagt hat, ist klar. Letztlich haben die Banken aus meiner Sicht zu wenig Eigenkapital, ob Stresstest hin oder her. Das heißt, man müsste eigentlich Regeln schreiben, dass die Banken mehr mit eigenem Geld arbeiten, also dass sie zum Beispiel acht Prozent echtes Eigenkapital haben. Denn die Regeln nach Basel II für Eigenkapital, die sind ganz schön flexibel und dehnbar. Die Deutsche Bank arbeitet immer noch nur mit 1,5 Prozent Eigenkapital und das ist kein Einzelfall. Und das darf eigentlich nicht sein. Im Kapitalismus ist Eigenkapital die Versicherung gegen Krisen und von diesem Eigenkapital haben die Banken zu wenig.

Welty: Die Bankmanager zweifeln – oh Wunder! – an der Aussagekraft dieses Testes. Was halten Sie dem entgegen?

Otte: Also, da muss ich mal gar nicht kommentieren, das ist Quatsch. Natürlich ist der Test vernünftig, natürlich muss man sehen, unter welchen Szenarien unter Umständen in Schwierigkeiten kommt. Man könnte nur sagen: Wenn ihr das nicht wollt, dann stattet eure Banken mit fixem Eigenkapital von mindestens acht Prozent aus und dann kann man drauf verzichten.

Welty: Was haben die Bankkunden von einem solchen Test? Lassen sich aus den Ergebnissen Rückschlüsse ziehen darauf, wie seriös mein Geldinstitut mit meinem Geld umgeht?

Otte: Nein, das eigentlich nicht. Denn die Anlage des eigenen Geldes, also die großen Investmentgeschäfte sind völlig unterschiedlich zu den Investmentgeschäften für kleine Kunden. Und wenn eine Bank jetzt in Schwierigkeiten kommen – das haben wir ja auch gesehen –, wird sie gerettet. Also es hat wenig Bezug zu dem einzelnen Bankkunden, wohl aber natürlich zur Stabilität einer Wirtschaft. Wenn also sich herausstellen sollte, dass in einem Land besonders viele gefährdete Banken sitzen, die durchfallen, dann ist das für diese Wirtschaft sicherlich problematisch.

Welty: Haben Sie eigentlich Stress vor diesem Veröffentlichungstermin heute Abend, 18 Uhr?

Otte: Überhaupt nicht, überhaupt nicht. Immer wenn die Märkte runtergehen, freue ich mich, dann kann ich wieder einkaufen.

Welty: Max Otte war das im Interview der "Ortszeit". Er unterrichtet Betriebswirtschaftslehre an der Fachhochschule Worms und leitet das Institut für Vermögensentwicklung in Köln. Ich danke fürs Gespräch!

Otte: Vielen Dank, guten Tag!
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