Fehlt der Bahn die richtige politische Ansage?
Ein Unternehmen der Widersprüche: Die Deutsche Bahn ist zwar eine Aktiengesellschaft, aber vollständig im Besitz des Bundes. Sie erhält riesige Summen öffentlicher Gelder, soll aber dennoch Gewinn machen. Müsste die Politik der Bahn nicht einen klareren Kurs geben?
Viereinhalb Milliarden Euro: So viel will die Deutsche Bahn AG durch die Teilprivatisierung ihrer beiden Unternehmenstöchter Arriva und Schenker einnehmen. DB Arriva mit Sitz in London betreibt in 14 europäischen Ländern Bus- und Bahnverkehr, Schenker ist der Transport- und Logistikdienstleister der Bahn. Bis zu 45 Prozent der beiden Unternehmenstöchter will die Bahn an die Börse bringen. Wie und wann das geschehen soll – daran feilt der Vorstand noch.
Matthias Gastel, bahnpolitischer Sprecher der Bundestagsfraktion von Bündnis 90/Die Grünen, findet die Idee gut. Sie geht ihm nur nicht weit genug:
"Wir sind der Meinung, dass der DB-Konzern sich mit seinen vielen Geschäftsfeldern, auch teilweise im Ausland, verzettelt, und insoweit können wir uns vorstellen, dass diese zwei Tochterunternehmen veräußert werden, und zwar vollständig, weil: Ansonsten steigt die Komplexität dieses ohnehin schon sehr komplexen Konzerns noch viel weiter, und da darf dann die Gesamtveräußerung beider Konzerntöchter kein Tabu mehr sein."
Doch, widerspricht Martin Burkert, SPD, Vorsitzender des Verkehrsausschusses im Bundestag, eine Gesamtveräußerung ginge zu weit:
"Man muss wissen, dass diese beiden Töchter der Deutschen Bahn AG, Arriva und Schenker Straße, 22 Milliarden an Umsatz beiträgt, sind die bestgehenden Töchter, die die Deutsche Bahn hat, und von daher gibt es von den Grünen ein Ansinnen 'Totalverkauf', aber in der Koalition ist das sicher nicht der Fall."
Warten auf Dobrindts Ansage
Martin Burkert wünscht sich vielmehr endlich eine verlässliche Aussage vom Bundesverkehrsminister, von Alexander Dobrindt, CSU. Der hatte zwar angekündigt, angesichts der Milliardenverluste der Bahn kräftig aufzuräumen im Konzern, ein schlüssiges Konzept, wie das Bundesunternehmen an frisches Kapital kommt, nannte er aber nicht.
Martin Burkert: "Insgesamt wissen wir, dass die Deutsche Bahn AG in einem schwierigen Fahrwasser ist und dass sie Geld braucht – 4,5 Milliarden Euro – die Frage ist nur: Ist der kleinteilige Börsengang der richtige Weg? Wir wollen keinen strategischen Einfluss eines Dritten auf das Unternehmen Deutsche Bahn AG, das muss in jedem Fall ausgeschlossen werden."
Die Politik steckt in einem Dilemma. Von allen Seiten wird sie aufgefordert, sich stärker in die Belange der Bahn einzumischen und dem Unternehmen klare Ziele zu setzen. Auf der anderen Seite muss sie damit leben, dass die Deutsche Bahn eine Aktiengesellschaft ist – per Gesetz dazu verpflichtet, Gewinne zu erzielen.
Martin Burkert: "Der Eigentümer in Form der Hauptversammlung ist der Bundesminister für Verkehr, der als einziger Einfluss nehmen kann, und die Frage ist in der Tat gut 20 Jahre nach der Bahnreform, ob man etwas korrigieren muss. Ein Zurück zur Staatsbahn wäre sicherlich eine falsche Weichenstellung, wir haben ja erlebt, dass es die Deutsche Bahn auch vorwärtsgebracht hat. Der Wettbewerb im Schienenpersonennahverkehr hat deutlich mehr Qualität gebracht, aber insgesamt müssen wir drüber nachdenken: Wenn wir volkswirtschaftliche Ansätze wollen, dass wir dann wie im Nahverkehr auch in anderen Bereichen mit bezuschussen."
Die Branche ist schon jetzt einer der größten Subventionsempfänger des Landes. Allein der Unterhalt des Schienennetzes kostet weit mehr als drei Milliarden Euro im Jahr.
Kritik an der Dividendenerwartung des Bundes
Die hohen Kosten gehen in Ordnung, sagt Matthias Gastel von den Grünen, wenn man nicht nur einen guten Service bieten, sondern auch noch die vereinbarten Klimaschutzziele erreichen will:
"Deswegen ist es einfach nur absurd und seltsam, dass die einzige Zielvorgabe, die der Bund seinem eigenen Konzern, dem Bahnkonzern macht, die Dividendenerwartung ist."
Sie gehöre jetzt ebenfalls auf den Prüfstand. Zumindest über ihre Höhe könne man reden, findet auch der Vertreter der Regierung, Martin Burkert von der SPD:
"Die Frage ist auch: Welche Gewinnerwartung hat man an das Unternehmen? Die Dividende von 800 Millionen oder 1 Milliarde Euro könnte dann einmal auch geschmälert werden. Über solche Dinge muss man mit dem Bahnvorstand und vor allen Dingen dann mit den Bundesminister für Verkehr und Finanzen auch reden."
Um den Konzern fit für die Zukunft zu machen, braucht Bahnchef Rüdiger Grube in den kommenden fünf Jahren etwa 55 Milliarden Euro. 20 Milliarden muss die Bahn aus eigener Kraft finanzieren. Da ist die Teilprivatisierung von Arriva und Schenker nur ein Tropfen auf den heißen Stein. Im Herbst soll der Aufsichtsrat – vier von 20 Mitgliedern sind Abgeordnete des Bundestages – sein Plazet geben.