Finanzkrise für Anfänger

Das gesamte Ausmaß der Wirtschafts- und Finanzkrise ist noch immer nicht vollständig abzusehen - selbst für Experten. Und wie soll es da erst Jugendlichen ergehen? Gerd Schneider und Christiane Toyka-Seid haben in ihrem Band "Die Finanzkrise" die komplexe Thematik speziell für junge Leute aufbereitet.
Das vergangene Jahr brachte die schlimmste Finanz- und Wirtschaftskrise seit 1929 mit sich. Ihre Ausmaße sind heute erst im Ansatz zu erkennen. Doch wie kommt eine solche Krise überhaupt zustande? Wie ist es möglich, dass die gesamte Weltwirtschaft an den Rand eines Abgrunds geraten ist? Liegt es an der Globalisierung? Oder am zweifelhaften Gebaren einiger Banker, die offenbar unverantwortlich mit Wertpapieren und Krediten gehandelt haben? Was kommt noch auf uns zu? Warum haben selbst die Experten erst dann die Krise bemerkt, als es schon sehr spät war? Und: Wie lange wird es dauern, bis die Krise überstanden ist?

Es liegt in der Natur der Sache, dass das Büchlein "Die Finanzkrise" mehr Fragen aufwirft als es Antworten geben kann. Die Autoren sind um Sachlichkeit bemüht, ohne lehrbuchhaft, hochgestochen oder langweilig zu werden.

Die Sonderausgabe in der Arena-Reihe "Bibliothek des Wissens" punktet in mehreren Bereichen: Erstens ist das Buch wirklich brandaktuell, das erkennt man an Zitaten aus Nachrichtensendungen, die erst vor kurzem ausgestrahlt worden sind.
Zweitens schaffen es die Autoren, Jugendliche sehr direkt anzusprechen, indem sie immer wieder die Belange junger Menschen in den Mittelpunkt stellen. So werfen die Autoren die Frage auf, welche Auswirkungen die Krise auf die heutigen Kinder hat.

Drittens gelingt es den Autoren, wichtige Fachbegriffe aus der Finanzwelt prägnant zu erklären, ohne ihre Leser durch eine unnötige Fülle an Fachbegriffen abzuschrecken. In einem Kurz-Glossar werden zwanzig dieser Begriffe auf drei Seiten erklärt. "Verbriefung" beispielsweise wird als "die Umwandlung von Krediten oder Schuldverschreibungen in Wertpapiere" definiert.

Wer die 64 Seiten gelesen hat, kann zumindest mitreden, wenn über die aktuelle Wirtschaftskrise gesprochen wird. Die Autoren argumentieren deduktiv, das heißt, aus allgemeinen Theorien entwickeln sie ihre Einzelerkenntnisse. "Die Gier, schnelles Geld zu verdienen, vernebelt den Verstand", schreiben Gerd Schneider und Christiane Toyka-Seid in ihrem ersten Kapitel, später führen sie unter der Rubrik "amerikanische Immobilienkrise" aus, wohin es geführt hat, dass Banken Schulden gewissermaßen "weiterverkauft" haben. Im gesamten Buch gelingt es, einfache Beispiele für komplizierte Zusammenhänge zu geben. Banken, Investmentgesellschaften und amerikanische Häuslebauer werden mit drei Personen gleichgesetzt: Leonie schuldet Jan 500 Euro. Jan bekommt es mit der Angst zu tun, sein Geld nicht zurückzuerhalten, und deshalb springt Alina ein. Sie gibt Jan aber nur 450 Euro, aber er ist seine Sorgen los. Falls Leonie später doch zurückzahlen kann, hat Alina 50 Euro zusätzlich zu den Zinsen gewonnen, falls Leonie nicht zahlt, hat Alina Pech gehabt.

Das Büchlein erschöpft sich jedoch nicht in Beispielen, in denen die Weltwirtschaft vereinfacht dargestellt wird. Es zeichnet außerdem die Geschichte der aktuellen Krise nach: Der Häuserkrise in den USA folgte die Krise in der Realwirtschaft, und die Autoren drücken sich auch nicht um Lösungsansätze: Fairness im weltweiten Wirtschaften, Abbau von Misstrauen unter den Banken und eine Reform des internationalen Finanzsystems. Ein auf zwei Seiten abgehandelter Rückblick auf den Börsencrash vor 80 Jahren zeigt, dass die damalige Situation nicht auf die heutige globalisierte Welt übertragen werden kann. Zugleich macht der Vergleich aber auch deutlich, dass die Finanzpolitiker der einzelnen Länder gut daran tun, die Probleme nicht im Alleingang in den Griff bekommen zu wollen.

Wie so oft bei Sachbüchern für Jugendliche fragt man sich allerdings, warum das Buch als "Buch für Jugendliche" klassifiziert ist. Es ist ganz bestimmt für Erwachsene nicht minder geeignet, die sich in Kürze einen Überblick über Gründe, Verlauf und weitere potentielle Folgen der aktuellen Wirtschaftskrise verschaffen wollen. Für Jugendliche unter 13 Jahren – und auch für viele Erwachsene – wird es trotz seines geringen Umfangs ohne Finanzwörterbuch nur schwer zu bewältigen sein, denn "Die Finanzkrise" erklärt zum Beispiel zwar, was "Hedgefonds" sind, ohne jedoch vorher eine Definition des Begriffs "Fonds" zu leisten. Bereits ein umfangreicheres Glossar würde hier Abhilfe schaffen.

Rezensiert von Roland Krüger

Gerd Schneider und Christiane Toyka-Seid: Die Finanzkrise
Sachbuch für Jugendliche
Sonderausgabe in der "Arena Bibliothek des Wissens"
Arena-Verlag, Würzburg 2009
64 Seiten, 5 Euro