Griechenland vergrault seine Unternehmer
Philipp Brinkmann ging 2005 aus München nach Athen und gründete dort ein Online-Reiseportal. Heute ist der 35-jährige Deutsch-Grieche damit Marktführer. Doch er denkt darüber nach, Griechenland zu verlassen - wegen Standortnachteilen durch die Krise. Er ist nicht der Einzige.
Ein altes Bürogebäude im Zentrum von Athen. Das Treppenhaus ist grau und düster. Geht man aber durch eine Glastür im vierten Stock erreicht man fast so etwas wie einen anderen Planeten: nämlich die bunte Bürowelt von Travelplanet24. Alles ist verglast, viele poppige Farben, schicke moderne Büromöbel und überall eifrige, junge Mitarbeiter. Der Chef Philipp Brinkmann sitzt in einem Glaskasten. Kurze Hosen, Polohemd, Segelschuhe - so als ob er gerade zum Strand will. 2004 hatte er während eines Griechenland-Urlaubs die zündende Geschäftsidee für sein Start-up.
"Die ursprüngliche Idee war, eine Plattform zu entwickeln, auf der Deutsche, Italiener, Franzosen, Engländer etc. Schiffstickets online buchen können."
Im Mai 2005 packte der Deutsch-Grieche die Koffer und ging mit 40.000 Euro Startkapital nach Athen.
"Natürlich waren 40.000 Euro sehr naiv und viel zu wenig Geld, um das Ganze aufzubauen. Aber wir haben es trotzdem irgendwie geschafft."
Nicht so hart getroffen - bis zu den Kapitalverkehrs-Kontrollen
Trotzdem irgendwie geschafft - und das obwohl es auf dem griechischen Arbeitsmarkt kaum Menschen mit Joberfahrungen im Ausland gibt. Und die brauchte Brinkmann dringend. Und dann ist da ja noch die berühmt-berüchtigte griechische Bürokratie.
"Als ich 2005 hierher gekommen bin, war es auf jeden Fall extrem. Also damals war es wirklich noch sehr extrem und sehr schwierig. Es hat ewig gebraucht, bis wir die Firma fertig hatten. Aber ich glaube insbesondere da hat sich wirklich sehr viel getan. Also heute kann man eine Firma in einer Woche gründen in Griechenland oder in zwei, aber es ist lange nicht mehr so schlimm."
Heute - zehn Jahre später - ist aus der Ursprungsidee, der Buchungsplattform für Fährfahrkarten, ein Reiseportal geworden. Am Anfang also 2005/2006 boomte Travel-planet24 so wie auch Griechenland boomte. Mit der Krise 2010 wurde auch Brinkmann gezwungen, ins Ausland zu expandieren. Heute hat man weitere Standbeine vor allem in Osteuropa. 80 Prozent des Umsatzes macht der Deutsch-Grieche außerhalb Griechenlands. Deswegen wurde Travelplanet24 gemessen am Umsatz auch nicht so hart von der Krise getroffen – bis vor knapp zwei Monaten die Kapitalverkehrs-Kontrollen kamen.
"Da war es dann doch relativ schwierig, dass immer alles so zu managen, dass wir immer genug Geld auf unseren ausländischen Konten haben, so dass wir wirklich unsere ganzen Geschäftspartner bezahlen konnten."
Horrende Zinssätze in Griechenland, billiges Geld im Rest von Europa
Ein Problem gelöst - und schon stellte sich das nächste: Wegen der Krise wurden den griechischen Reisebüros die Lizenzen zum Ausstellen von Tickets entzogen – auch Travelplanet24 war von dieser Maßnahme betroffen.
"Glücklicherweise hatten wir eine Lizenz, in Deutschland Tickets auszustellen, die hatten wir mal vor eineinhalb, zwei Jahren beantragt, hatten aber sie aber nie genutzt. Und die mussten wir dann schnellstmöglich und in kurzer Zeit anbinden, so dass wir dann alle unsere Tickets über Deutschland ausstellen konnten. Und das hat dann auch geklappt. Ich glaube, zwei, drei Tage hat das dann gebraucht, bis wir das fertig hatten, und dann konnten wir eigentlich normal weiterarbeiten."
Vor kurzem hat Brinkmann den griechischen Hauptkonkurrenten Airtickets übernommen. Die Mitarbeiterzahl ist inzwischen auf 280 angestiegen. Eigentlich sollte man meinen: Alles ist im grünen Bereich und Brinkmann ein Hoffnungsträger für die krisengebeutelte griechische Wirtschaft. Doch der Jungunternehmer denkt wegen der politischen Instabilität, der Kapitalverkehrskontrollen und der hohen Kreditzinsen über einen Weggang aus Athen nach.
"Es ist ja jetzt nicht nur so, dass das jetzt nur in den letzten zwei, drei Monaten passiert ist. Das ist ja schon seit Beginn der Krise, seit 2009 ist das ja im Endeffekt so, dass die Banken keine Kredite mehr geben an Unternehmen, dass die Zinssätze horrend sind. Im Vergleich zu Deutschland sind die Zinssätze viermal höher, wenn man hier einen Kredit aufnimmt. Und überall im Rest von Europa ist Geld billig - insofern: Warum soll man so einen Standortnachteil hier haben."
Und Brinkmann weiß von vielen Unternehmer-Kollegen, dass sie ähnlich denken. Der Weggang junger, engagierter Unternehmer wäre aber wohl das letzte, was Griechenland jetzt bräuchte.