Mit "Aulos" auf afroeuropäischen Pfaden
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Wer den Finnen Jimi Tenor kennt, weiß: Heitere Klänge sind von dem Musiker nicht zu erwarten. Sein neues Album "Aulos" ist anders: Es mixt europäische mit afrikanischer Musik. Ein spannendes Hörerlebnis.
Der finnische Musiker Jimi Tenor schafft einen besonderen Spagat: Obwohl er regelmäßig verschiedenste Genres, Einflüsse und Stimmungen verbindet und durcheinander wirbelt und man nie so genau weiß, was man als nächstes zu hören bekommt, klingt seine Musik doch immer nach Jimi Tenor.
Es ist seine spezielle Mischung aus Humor und Dystopie, Elektronik und Jazz, Chaos und Pop. Sein neues Album "Aulos" ist diesmal aber weniger elektronisch, es kling organisch und: afrikanisch.
Verantwortlich für diesen Klang ist der Schlagzeuger Max Weissenfeldt, der das Album auch produziert hat. Weissenfeld lebt mittlerweile in der Stadt Kumasi in Ghana und hat sich dort auch sein Studio eingerichtet.
Produktion an drei verschiedenen Orten
"Wenn man mit Max arbeitet, dann bekommt man immer einen organischen, akustischen und eben sehr afrikanischen Sound", berichtet Jimi Tenor. "Und das wollte ich ja auch genau so. Das Polyrhythmische, das Repetitive, das kommt meiner Art zu komponieren sehr entgegen."
Aufgenommen wurde das Album an drei verschiedenen Orten, in Helsinki, Berlin und Ghana: "Es war ein Zusammenmusizieren aus großer Distanz, ein wildes Hin- und Herschicken von Tonspuren, natürlich auch wegen der Corona-Pandemie. Aber es hat auch so sehr gut funktioniert, es ist ja auch besser, nicht dauernd ins Flugzeug zu steigen. Aber ich muss trotzdem unbedingt mal nach Ghana!"
"Aulos" ist ein sehr fröhliches, fast schon euphorisches Album. Erstaunlich für einen Musiker, der in der Vergangenheit oft düster und apokalyptisch klang. Auch die neuen Stücke haben ausufernde, komplizierte Arrangements und Melodien, es gibt Free Jazz-Attacken und Chaos, aber Jimi Tenor weiß dies mit seinem ausgeprägten Popverständnis zu bändigen.
"Wenn es zu viele Dissonanzen gibt, dann wird die Musik zum Chaos. Und Chaos ist vielleicht zunächst farbenfroh, wird dann aber schnell zu einem monochromen Grau. Deshalb muss man Lichter setzen, Ordnung, Melodien, auch mal Vorhersehbares und Bekanntes", erläutert Tenor.
Ein weiteres Highlight auf dem Album sind die Gäste aus Ghana, wie die beiden Fra-Fra-Gospel-Sängerinnern Florence Adooni und Lizzy Amaliyenga. Dass ein finnischer Saxophonist mit einem deutschen Schlagzeuger afrikanische Musik macht, ist für Jimi Tenor ganz natürlich.
"Musik ist Freiheit, es geht um das Spielen, das Spielerische. Es geht um Freude. Ich nutze die Musik, wie ich die englische Sprache nutze, als Lingua Franca, also der Idee einer einfachen Sprache, die für alle verständlich ist."
Sibelius-Enkel war sein Flötenlehrer
"Aulos" ist aber auch kein reines Afro-Beat Album geworden, Jimi Tenor hat wie immer scheinbar Unvereinbares zusammengeführt: Mal lässt er eine offenbar verrückt gewordene Marching Band zu Krautrock spielen, mal mischt er High Life mit Soul und Sixties Pop.
"Ich habe immer sehr stark nach äußeren Einflüssen gesucht, ich kann nur sehr wenig mit der Musik anfangen, die aus Finnland kommt. Weder mit der Folk-Tradition noch mit der finnischen klassischen Musik, wie der von Komponisten wie Sibelius. Das ist gar nicht mein Ding. Und dabei war sein Enkel mein Flötenlehrer!"
Die finnische Seite ist immer präsent
Und doch gibt es eine finnische Seite in Jimi Tenors Musik, die vergleichbar ist mit der sehr eleganten, kultivierten aber überhaupt nicht protzigen Stadt Helsinki.
"Wenn es etwas Finnisches in meiner Musik gibt, dann ist es ein Do-It-Yourself Gedanke und eine gewisse Bodenständigkeit. Ich mag keine angeberischen Effekte – die kleinen Details machen es einzigartig. Hauptsache, es ist simpel, zubereitet mit einfachen Zutaten."
Einfach ist vieles an "Aulos": Man kann zum Beispiel sehr einfach dazu tanzen. Man kann aber auch einfach darüber staunen, wie leicht es Jimi Tenor fällt, Anspruch und Unterhaltung zu verbinden. Und das auf musikalisch sehr hohem Niveau.