Finnland

Bürgerwehren machen gegen Flüchtlinge mobil

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Demonstration in der finnischen Stadt Kemi gegen die "islamische Invasion" im September 2015. © picture alliance / dpa / Foto: Jussi Nukari
Von Carsten Schmiester |
Seitdem in Finnland die rechtspopulistische Partei "Die Finnen" an der Regierung beteiligt ist, hat sie deutlich an Popularität verloren. Doch potenzielle rechte Nachfolger stehen schon in den Startlöchern wie die Bewegung "Rajat Kiinni", was "Grenzen dicht" bedeutet.
Der junge Mann sitzt in einer Art Vereinslokal, er hat weder Namen noch Gesicht. Trägt ein Tuch vor der Nase und einen schwarzen Kapuzenpullover, auf dem Rücken eine martialische Zeichnung des nordischen Kriegsgottes und der Schriftzug "Soldiers of Odin", Odins Soldaten. Eine selbsternannte fremdenfeindliche Bürgerwehr mit beunruhigender Nähe zu Neonazis. Im Interview mit einem britischen Zeitungsreporter sagt er ganz offen:
"Ich denke, es gibt Krieg zwischen Einheimischen und Einwanderern. Uns Finnen ist deren Kultur fremd, wir kennen das nicht. Und, ja, wir sind bereit, unser Volk zu schützen."
Vor angeblichen Vergewaltigungen oder Diebstählen, vor aggressiven Bettlern und überhaupt, vor allem Bösen, dass für "Odins Soldaten" ausschließlich von Fremden ins Land gebracht wird. Beweise? Fehlanzeige! Aber wer fragt schon danach? Odins Soldaten bestimmt nicht, die mit dem Gehabe einer Schlägertruppe in finnischen, neuerdings auch norwegischen und dänischen Städten unterwegs sind und in Finnland nur auf wenig Widerstand stoßen. Der finnische Polizeichef fand die im Herbst 2015 gegründete Truppe anfangs sogar "hilfreich" und musste vom Innenminister zurückgepfiffen werden.

Bürgerbewegung "Rajat Kiinni"

Andere lassen sich nicht zurückpfeifen. Allen voran die Mitglieder der "Rajat Kiinni"-Bewegung, zu Deutsch "Grenzen dicht". Es gibt sie auch erst seit Ende vergangenen Jahres, aber ihre Mitglieder haben schon mit mehreren Anti-Einwanderungsdemonstrationen Schlagzeilen gemacht. Susanna Kaukinen gehört zur Führung von "Rajat Kiinni" und findet die Idee mit den Bürgerwehren gut:
"Ein großer Teil der Finnen unterstützt die Straßenpatrouillen, naja, etwa genauso viele sind dafür wie dagegen. Aber viele stehen eben hinter den Bürgerwehren. Wie könnten wir sie dann verurteilen?"
Verurteilt wird dagegen die Regierung, der ja auch die rechtspopulistische und – in Teilen – ebenfalls einwanderungsskeptische bis offen fremdenfeindliche "Finnen"-Partei angehört. Aber diese Partei ist den Leuten von "Rajat Kiinni" viel zu gemäßigt. Was die Politik macht, ist halber Kram, schimpft Pekka Kemppainen, ebenfalls Sprecher der "Grenzen Dicht"-Bewegung...
"Unser Ziel ist seit der Gründung von ´Rajat Kiinni` im vergangenen August genau das, was längst auch auf den Schreibtisch der EU-Minister gehört, wenn es da noch nicht ist, nämlich die konsequente Schließung der Schengen- und Dublin-Außengrenzen für alle Menschen, die nun einmal nicht nach Europa gehören."

Also Grenzen dicht für alle Fremden? Auch wenn sie in ihrer Heimat Krieg und Vertreibung erleiden? Susanna Kaukinen hat da eine klare Meinung. Eigentlich hat sie ja grundsätzlich nichts gegen Immigranten, nur gegen die falschen:
"...das ist hier keine qualitativ hochwertige Einwanderung wie zum Beispiel in Kanada, dort haben sie ein gutes System. Wir erleben eine schädliche Einwanderung, die Leute wollen doch einfach nur besser leben. Und dann sind unter ihnen auch noch Terroristen. Das ist kein Populismus, das ist eine Tatsache."

Bürger sind gespalten

Und viele Finnen glauben ihr. Aber nicht alle. Dieser Mann in Helsinki hält wenig von "Rajat Kiinni":
"Das geht doch gar nicht: Grenzen schließen, wenn es Menschen gibt, die nach Finnland wollen und die dringend unsere Hilfe benötigen. Man muss ihnen wenigstens die Chance geben, bei uns um Asyl zu bitten."
...andere stehen zwar nicht unbedingt hinter den Grenzschließern, sind aber von "Rajat Kiinnis" Propaganda verunsichert, unter anderem von der Falschmeldung, nach der die finnische Regierung heimlich eine Massenzuwanderung vorbereitet...
"...es ist auch richtig, was der Präsident gesagt hat, dass es passieren kann, dass eine Million Menschen kommen. Und das ist vielleicht erst der Anfang. Es kann also sein, dass Verträge geändert werden müssen, wie EU/Schengen und so..."
Der Präsident hat das nie gesagt, aber das Gerücht geht um und hat mit dazu beigetragen, dass das Land immer fremdenfeindlicher wird. So sehr, dass inzwischen mehrere Tausend Flüchtlinge ihre Asylanträge zurückgezogen haben und freiwillig etwa zurück nach Bagdad geflogen sind. In Finnland ist es zu kalt, sagt dieser junge Iraker, und damit meint er weniger das Wetter, sondern die Menschen.
"Wir waren auf See in höchster Lebensgefahr und sind nach Finnland gekommen, nur um herauszufinden, dass es dort kein Stück besser ist als zu Hause..."
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