Fisch - welchen darf man noch essen?

Eine Liste von Greenpeace, der sich entnehmen lässt, welche Fische in ihrem Bestand bedroht sind und deshalb nicht oder nur selten auf dem Tisch landen sollten. Dazu gehören die meisten beliebten Speisefische wie Heilbutt, Kabeljau, Lachs, Rotbarsch, Shrimps oder Viktoriabarsch. Als akzeptabel gelten lediglich Karpfen, Hering, Köhler und Makrele.
Dumm gelaufen: Da predigt die Ernährungsberatung jahrzehntelang endlich mehr Seefisch zu essen und kaum haben sich die Menschen daran gewöhnt, schon ist alles wieder falsch. Von Garnelen, Ölsardinen oder Calamares sollen sie nun auf Karpfen umsteigen, sonst sind eines Tages die Meere erschöpft und die Flüsse dank der medialen Klimakatastrophe vertrocknet. Doch damit nicht genug: In Sushi und Hering lauern Nematoden, in Muscheln tödliche Algengifte und im Restaurant verdorbener Fisch. Wer nun glaubt, er könne die Probleme lösen, indem er seinen Fisch tiefgekühlt aus Aquakultur bezieht, der kommt vom Regen in die Traufe: für Aquakultur werden sowohl Besatzfische als auch Futterfische im Meer gefangen. Das Ganze wird dann – so lesen wir weiter – in einer Medikamentenbrühe gemästet. Und am Ende kriegt man davon wohl noch den Heringswahn oder die Flossengrippe.

Was ist von der Greenpeace-Liste zu halten? Es ist verdienstvoll auf die Probleme der Seefischerei und der Aquakultur hinzuweisen. Daraus dann Verbrauchertipps zu stricken ist allerdings nicht immer zielreich. Zum Beispiel der neuseeländische Hoki, der seit einiger Zeit in Tiefkühlprodukten den gefährdeten Kabeljau ersetzen soll. Der Hoki trägt sogar das MSC-Siegel. Das MSC (Marine Stuartship Council) wurde vom WWF und einem Lebensmittelkonzern gegründet, die ein Regelwerk für eine ökologisch verträgliche Fischerei unter der Mitarbeit von Fachleuten etwa aus unserer Bundesforschungsanstalt für Fischerei erarbeitet haben. Nach diesen Regeln wird nun Fisch gegen Gebühren zertifiziert, was Unternehmen wie Verbrauchern die Möglichkeit gibt, Fisch aus nachhaltiger, kontrollierter Fischerei zu erwerben. Nicht nur die Fischgründe und die Fangmethoden, sondern auch die Handelswege werden überprüft. Greenpeace bewertet nun den Zustand des mit MSC-Siegel versehenen Hoki als "katastrophal". Die Bestände würden durch die Ökobewirtschaftung zusammenbrechen und durch die Art der Fangmethode Albatrosse und Robben kläglich verenden sowie die Lebensräume der Tiefsee zerstört. Was folgern wir daraus: Finger weg von Ökosiegeln und Umweltorganisationen!

Ist das Kontrollsystem faul? Nein. Das MSC erfüllt im Grundsatz alle wesentlichen Forderungen der Umweltverbände. Es klingt auch alles ganz logisch. Jeder, der aufmerksam Zeitung liest, wird die Anforderungen leichten Herzens unterschreiben. Allein der Fisch weiß noch nichts davon – vermutlich weil er noch keinen Fernseher hat. Er folgt seinen Gesetzmäßigkeiten. Ob die Bestände abnehmen oder nicht, hängt eben nicht nur von bösen Taten der Menschen ab, die sich Nahrung auch aus dem Meer holen, sondern von vielen weiteren Faktoren. Das Meer ist nicht eine wohltemperierte Badewanne in der ein paar Goldfische schwimmen, die durch Streicheln bei Laune gehalten werden müssen, sondern ein dynamisches System mit vielen, vielen Unbekannten.

Es ist doch nicht zu leugnen, dass der Zustand von Lachs oder Aal nicht nur laut Greenpeace als ziemlich problematisch angesehen wird? Beim Lachs in Nordamerika fand man über einen Zeitraum von 300 Jahren enorme Schwankungen in den Beständen, die damals nichts mit der Fischerei zu tun hatten. Man vermutet als Ursache die einstigen Klimaschwankungen. Auch die Probleme des Aals haben im Gegensatz zur Darstellung von Greenpeace herzlich wenig mit den Fangmethoden zu tun. Vor 25 Jahren wurden aus Asien einige Parasiten eingeschleppt, die sind dem Fisch zum Verhängnis geworden. Oder: Gewaltige Fischsterben vor Namibia, die vor allem die Bestände an Jungfischen vernichteten, werden von Schwefelwasserstoff ausgelöst, der in gewaltigen Blasen vom Meeresboden aufsteigt. Manchmal sind den auf einen Schlag zigtausende von Quadratkilometern betroffen, was den Tod von Milliarden von Fischen zur Folge hat.

Wenn wir weniger Fisch essen, schont das doch die Meere? Es ist keine Frage, dass angesichts der modernen technischen Möglichkeiten Fangquoten notwendig sind. Aber wir sollten uns auch im Klaren sein, dass die Nahrungsketten der Meere nicht nur davon abhängig sind, ob wir Hering oder Hoki speisen. Auch Meeressäuger fressen erhebliche Mengen an Fisch, weil sie nun mal im Meer leben. Derzeit fängt der Mensch jährlich etwa 80 Millionen Tonnen, während Meeressäuger etwa 800 Millionen Tonnen Fisch fressen. Dazu kommt der Verzehr durch Seevögel. Durch Robbenjagd und Walfängerei hat man wichtige natürliche Feinde des Seefischs massiv dezimiert. Ein großer Wal frisst am Tag locker eine Tonne Biomasse. Natürlich macht es einen Unterschied, ob ein Wal Krill frisst oder der Mensch gezielt den Thunfisch bejagt. Aber bitte Vorsicht mit Schuldzuweisungen.

Wohin geht die Reise? Ganz klar in Richtung Aquakultur. Wer ein Schnitzel will, erwartet ja auch nicht mehr, dass der Metzger im Wald mit der Flinte eine Wildsau erlegt. Gleiches gilt für die Produktion von Fisch. Auch die Vorstellung im Greenpeacepapier, dass nur pflanzenfressende Fische auch moralisch "gute" Fische für die Aquakultur sind, wie beispielsweise Karpfen, kann man so nicht stehen lassen. Es fallen bei der Veredelung jede Menge tierischer Abfallstoffe an, egal ob es die Innereien von Fischen sind, die Borsten von Schweinen oder das viele Blut, das in den Schlachthöfen gewonnen wird. All das kann man wieder verfüttern. Mit dem Einzug der Gentechnik werden sich die Ökobilanzen der Aquakultur recht schnell verbessern.

Und worauf soll der Verbraucher achten? Dass der Fisch nicht verdorben ist. Ansonsten geht das größte Risiko für den Verbraucher von den zahlreichen natürlichen Giftstoffen aus, die die Kleinstlebewesen der Meere produzieren und die sich in Muscheln oder Fischen anreichern können. Daneben sollten wir auch die Parasiten nicht vergessen. Insofern heißt der Rat den Verbraucher: Nehmen Sie Tiefkühlware. Die ist frischer als Frischfisch und die Parasiten sind in der Kälte erfroren. Alles andere liegt nicht in der Macht des Verbrauchers.

Literatur:
Hubold G: Der Marine Stuartship Council (MSC) Zertifizierte Fischprodukte aus bestandserhaltender Fischerei. Forschungs-Report 2004; H.2: 42ff
Finney BP et al: Impacts of climatic change and fishing on Pacific Salmon abundance over the past 300 years. Science 2000; 290: 795ff
Sures B et al: Parasites as a threat to freshwater eels? Science 2004; 304: 206f
Weeks SJ et al: Hydrogen sulfide eruptions in the Atlantic Ocean off southern Africa. Deep See Research Pt1 2004; 51: 153ff
Holmes B: Whales, seals or men in boats. Who took all the fish? New Scientist 2004; 2447: 6f