Fitnesswahn und Schönheitskult - was steckt dahinter?

Frühlingszeit - Fitness-Zeit: Wer auf sich hält, joggt, stemmt Gewichte, schwimmt oder stählt sich in Kursen wie "Bauch-Beine-Po" oder "Kickboxen". Danach ein "Olymp-Aufbau-Drink Formel 80" oder ein paar Vital-Kapseln - und schon ist man fit. Ist man das wirklich?
Der Psychiater Manfred Lütz beobachtet den Fitness- und Wellness-Boom hierzulande mit Skepsis. "Ich habe überhaupt nichts gegen Sport. Mich stört, dass aus der Gesundheit mittlerweile ein Kult gemacht wird, eine Religion. Es fehlt nicht an selbst ernannten Päpsten, ergebenen Gläubigen und Hohenpriestern des Wohlergehens. " Fünf Millionen Deutsche ackern in Fitnessstudios, Tendenz steigend.

Manfred Lütz, Chefarzt einer psychiatrischen Klinik in Köln, hält es mit Platon: "Nichts ist so krank, wie unser Streben nach Gesundheit. Es gibt Menschen, die leben nicht mehr wirklich, sondern vorbeugend - um dann gesund zu sterben. Doch auch, wer gesund stirbt, ist definitiv tot."

Seine Beobachtungen sind in dem Buch "Lebenslust - Wider die Diät-Sadisten, den Gesundheitswahn und den Fitnesskult" nachzulesen, das gerade als Taschenbuch im Knaur-Verlag erschienen ist: Eine süffisant-polemische Analyse des "Fit-for-Fun"-Zeitgeistes. Aber Lütz, der auch eine Suchtklinik geleitet hat, will nicht nur provozieren. Er weist auf die Gefahren der Gesundheits- und Schönheitswelle hin: In seiner Klinik werden immer mehr Essgestörte behandelt, "Die tödlichste Krankheit in der Psychiatrie ist die Magersucht. Die Leute sehen in der Werbung und im Fernsehen immer mehr dünne Menschen. Damit kommen sie nicht klar."

Fernsehsendungen wie "The Swan", in denen sich Kandidatinnen mithilfe von Fitness- und Ernährungsberatern und Schönheits-Chirurgen vom "hässlichen Entlein" zum "schönen Schwan" zu verwandeln hoffen, hält er für bedenklich: "Wenn die inneren Werte nicht mehr zählen, stürzen sich die Menschen auf das Äußere. Menschen sind so beeinflussbar: Wenn man ihnen suggeriert, nach dem Tod ist alles aus, alles muss vorher passieren, und wenn man dann noch utopische Schönheitsideale verbreitet, dann weckt man das Bedürfnis, alles sei herstellbar. Aber das ist nicht so."

Der Rheinländer Lütz, seines Zeichens lebensfroher Genießer, plädiert für mehr Gelassenheit im Umgang mit der eigenen Gesundheit und dafür, die eigene Vergänglichkeit auch zu akzeptieren.

"Fitnesswahn und Schönheitskult - was steckt dahinter?" - darüber diskutiert Dieter Kassel heute gemeinsam mit Dr. Manfred Lütz, von 9 Uhr 07 bis 11 Uhr in der Sendung ´Radiofeuilleton - Im Gespräch` von Deutschlandradio Kultur.
Hörerinnen und Hörer können sich beteiligen unter der kostenlosen Telefonnummer 00800 / 2254-2254 oder per E-Mail unter gespraech@dradio.de.


Literaturhinweis: Manfred Lütz, "Lebenslust. Wider die Diät-Sadisten, den Gesundheitswahn und den Fitnesskult". Knaur-Taschenbuch, 2005.