"Five Deleted Messages" beim Kunstfest Weimar

Die Pandemie als kafkaesker Albtraum

07:14 Minuten
Ein Probenfoto aus dem Stück:"Five Deleted Messages", das beim Kunstfest Weimar 2020 seine Uraufführung hat.
Szene aus "Five Deleted Messages" © Kunstfest Weimar / Candy Welz
Falk Richter im Gespräch mit Stephan Karkowsky · 26.08.2020
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Das Stück "Five Deleted Messages" eröffnet heute das Kunstfest Weimar. Autor und Regisseur Falk Richter verarbeitet darin die gesellschaftlichen Folgen des Corona-Lockdowns. Den sieht er als einen Übungsfall für die Zukunft.
In "Five Deleted Messages" geht es um einen Schauspieler, der seine Traumrolle "Faust" spielen sollte. Doch die Aufführung wird wegen Corona abgesagt. Eine Situation, die der Autor und Regisseur Falk Richter von Kafka genommen hat, wie er sagt:
"Dieses Gefühl: Man wacht plötzlich auf und die ganze Welt ist anders. Das eigene Leben hat sich komplett verändert. Man ist auf einmal in einem Prozess drin, den man nicht versteht, für den man nicht verantwortlich ist. Und man hat das Gefühl, man wird unentwegt bestraft. So fühlt sich das im Moment für viele an."
Porträt vom Regisseur und Autor Falk Richter.
Die Coronakrise habe Erstaunliches in unserer Gesellschaft hervorgebracht, sagt Falk Richter. Sein Stück "Five Deleted Messages" thematisiert das.© Jean-Louis Fernandez
Im Stück werden vor allem die Thesen der Corona-Leugner thematisiert, die in diesen schwierigen Zeiten nach einfachen Erklärungen suchen, so Richter:
"Im Moment finde ich es schon interessant, wie dieses Virus unsere Gesellschaft durcheinander schüttelt und dann bei einigen Menschen so ganz alte antisemitische Erzählungen hervorruft von dem Juden Bill Gates, der uns alle kontrollieren will. Aber natürlich geht es auch darum, dass Leute – sogar verständlicherweise, finde ich – versuchen zu erklären, was da eigentlich vor sich geht, weil es widersprüchliche Ansagen gibt. Sie versuchen, eine einfache Erklärung zu finden. Und das war für mich theatralisch interessant, dem mal nachzugehen."

Enorme Einschränkungen auch durch Klimakatastrophe

Nach Ansicht Richter hat die Coronakrise Unerwartetes zutage gefördert: "Ich war selber erstaunt, dass es überhaupt möglich ist, eine ganze Gesellschaft dazu zu zwingen, sich so zu verhalten, dass bestimmte gesellschaftliche Gruppen nicht gefährdet werden." Das könne man übertragen:
"Man könnte auch sagen, wenn wir ernsthaft den Klimawandel abwenden wollten, dann könnten wir das. Oder wenn wir Rassismus beenden wollen in der Gesellschaft, also strukturellen Rassismus, können wir das. Denn wir haben gerade erlebt, dass eine Gesellschaft in der Lage ist, unglaublich sich auf Gegebenheiten einzustellen und gemeinschaftlich zu sagen: Wir machen das jetzt so!
Oder auch der Staat sagt: Es muss so gemacht werden, weil es anders nicht geht, weil es sonst zu viele Tote geben wird. Das werden wir ja in 20, 30 Jahren bei der Klimakatastrophe genauso erleben, dass wir da nochmal enorme Einschränkungen unseres Lebens erfahren werden. Das war schon eine Art Übungsfall, denke ich."

Ein Optimist muss heute Aktivist sein

Alles verändere sich rasant schnell. Es sei daher "ein bisschen dumm", einfach optimistisch zu sein und zu sagen: Das wird schon wieder. "Um Optimist zu sein, muss man auch Aktivist sein heutzutage", sagt Richter. "Das heißt, ich muss auch aktiv etwas dafür tun, dass sich Dinge ändern und nicht einfach zu Hause sitzen und sagen, ach, ich bin optimistisch. Das wird schon irgendwie."
(bth)

"Five Deleted Messages" von Falk Richter wird heute beim Kunstfest Weimar uraufgeführt, Deutsches Nationaltheater Weimar Alte Feuerwache, 20:30 Uhr

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