Flammendes Bekenntnis zur Evolution
Was haben wir mit urzeitlichen Würmer gemein? Warum ist für einen Leistenbruch unsere Vergangenheit als Fisch verantwortlich? Über die Antworten auf solche Fragen klärt uns der Paläontologe Neil Shubin in seinem Sachbuch "Der Fisch in uns" auf, das zugleich ein engagiertes Plädoyer für die Evolutionstheorie ist.
Das Buch "Der Fisch in uns" von dem Paläontologen Neil Shubin verspricht, laut Untertitel, eine Reise durch die 3,5 Milliarden Jahre alte Geschichte unseres Körpers. Es ist eine über weite Strecken unterhaltsame Reise.
Sie beginnt auf einer einsamen Insel in der Arktis, auf der der Autor Steine klopft und dabei einen kleinen Gral der Paläontologie findet: das Fossil, das den Übergang von den Fischen zu den Landtieren kennzeichnet. Ein Tier namens Tiktaalik, das sowohl Schuppen und Flossen als auch Ellenbogen und Handgelenke besaß. Mit diesem Fund ist Neil Shubin als Wissenschaftler berühmt geworden.
Und er dient Neil Shubin als Ausgangspunkt für sein Buch, seine These, die zeigt, wie wir Menschen geworden sind, was wir sind. Vom winzigen Embryo, der noch denen der meisten anderen Tiere verblüffend ähnelt über die ersten Knospen, die später zu Armen und Beinen werden, bis hin zum Aufbau des Kopfes.
Das alles ist Stoff aus Biologiebüchern und aus Vorlesungen, aber Neil Shubin schafft es, die zum Teil kuriosen und zum Teil tragischen Geschichten zu erzählen, die hinter diesen ganzen Entdeckungen standen. Etwa die von einem Wissenschaftler, der den Grundbauplan des Kopfes entschlüsselte, aber kaum Zeit hatte, seinen Erfolg zu feiern, weil er nur wenig später beim Bergsteigen ums Leben kam.
Der Charme des Buches besteht darin, dass er bei seinen Ausflügen in die Welt der Paläontologie und der Anatomie immer wieder ins wirkliche Leben zurückkehrt, zum Beispiel wenn er beschreibt, was unsere Bandscheiben mit dem einfachen Nervenstrang urzeitlicher Würmer gemein haben, warum für einen Leistenbruch unsere Vergangenheit als Fisch verantwortlich ist oder was unser Schluckauf mit der Kiemenatmung von Kaulquappen zu tun hat.
Der Leser lernt, wie sich aus einem Organismus die DNA gewinnen lässt - und zwar in einer ganz normalen Küche, mit wenig mehr als Wasser, Salz, Spülmittel und einem Mixer. Es sind die Verwandtschaftsverhältnisse zwischen Hühner- und Fischembryos, zwischen Schimpansen und Seeanemonen und letztlich zwischen den ersten lebenden Zellen auf dem Planeten und uns Menschen, die den Autor faszinieren.
Und immer wenn es um dieses große Ganze geht, wird Neil Shubin geradezu poetisch: "Wenn man weiß, worauf man achten muss, wird unser Körper zu einer Zeitkapsel, und wenn man sie öffnet, berichtet sie von entscheidenden Augenblicken in der Geschichte unseres Planeten sowie von einer fernen Vergangenheit mit urzeitlichen Ozeanen, Flüssen und Wäldern."
Neil Shubin ist studierter Paläontologe und kommt damit aus einer auf den ersten Blick sehr ungewöhnlichen Richtung, um die Evolution des Menschen zu erzählen. Im Vorwort schreibt er auch selbst, dass es purer Zufall war, der ihn auf die Idee für dieses Buch gebracht hat.
Er war für einen Kollegen eingesprungen, der einen Anatomiekurs für Medizinstudenten halten sollte. Und während dieses Kurses fiel Shubin auf, dass er als Paläontologe einen entscheidenden Vorteil mitbrachte:Er kannte die Baupläne von urzeitlichen Fischen und Reptilien. Diese Logik zieht sich auch durch sein Buch.
Er erklärt, wie die ersten und einfachsten Lebewesen aufgebaut waren und funktionierten und zeigt, dass alle höheren Tiere inklusive des Menschen nur komplexere Varianten dieser einfachen Körperbaupläne darstellen. Aus dem Text schimmert immer wieder die Faszination durch, die der Autor selbst ganz offensichtlich bis heute empfindet, ob des Wunders der Evolution.
"Der Fisch in uns" ist - ohne mit einem einzigen Wort auf den in den USA lodernden Kampf zwischen Befürwortern und Kritikern der Evolutionstheorie einzugehen - ein flammendes Bekenntnis zur Evolution. Mit einem großen Fachwissen und einer Liebe zum Detail führt Neil Shubin unzählige Belege für die Evolutionstheorie an.
Es ist ein anspruchsvolles Buch, das tief in die Materie einsteigt. Eine lange Liste von Literaturangaben zu jedem Kapitel am Ende wendet sich an diejenigen Leser, die das Thema des Buches noch weiter verfolgen wollen. Aber auch für alle anderen ist es ein lohnenswertes Buch, unterhaltsam und spannend geschrieben.
Rezensiert von Monika Seynsche
Neil Shubin, Der Fisch in uns. Eine Reise durch die 3,5 Milliarden Jahre alte Geschichte unseres Körpers
Aus dem Amerikanischen von Sebastian Vogel
S. Fischer Verlag, 2008
281 Seiten, 19,90 Euro
Sie beginnt auf einer einsamen Insel in der Arktis, auf der der Autor Steine klopft und dabei einen kleinen Gral der Paläontologie findet: das Fossil, das den Übergang von den Fischen zu den Landtieren kennzeichnet. Ein Tier namens Tiktaalik, das sowohl Schuppen und Flossen als auch Ellenbogen und Handgelenke besaß. Mit diesem Fund ist Neil Shubin als Wissenschaftler berühmt geworden.
Und er dient Neil Shubin als Ausgangspunkt für sein Buch, seine These, die zeigt, wie wir Menschen geworden sind, was wir sind. Vom winzigen Embryo, der noch denen der meisten anderen Tiere verblüffend ähnelt über die ersten Knospen, die später zu Armen und Beinen werden, bis hin zum Aufbau des Kopfes.
Das alles ist Stoff aus Biologiebüchern und aus Vorlesungen, aber Neil Shubin schafft es, die zum Teil kuriosen und zum Teil tragischen Geschichten zu erzählen, die hinter diesen ganzen Entdeckungen standen. Etwa die von einem Wissenschaftler, der den Grundbauplan des Kopfes entschlüsselte, aber kaum Zeit hatte, seinen Erfolg zu feiern, weil er nur wenig später beim Bergsteigen ums Leben kam.
Der Charme des Buches besteht darin, dass er bei seinen Ausflügen in die Welt der Paläontologie und der Anatomie immer wieder ins wirkliche Leben zurückkehrt, zum Beispiel wenn er beschreibt, was unsere Bandscheiben mit dem einfachen Nervenstrang urzeitlicher Würmer gemein haben, warum für einen Leistenbruch unsere Vergangenheit als Fisch verantwortlich ist oder was unser Schluckauf mit der Kiemenatmung von Kaulquappen zu tun hat.
Der Leser lernt, wie sich aus einem Organismus die DNA gewinnen lässt - und zwar in einer ganz normalen Küche, mit wenig mehr als Wasser, Salz, Spülmittel und einem Mixer. Es sind die Verwandtschaftsverhältnisse zwischen Hühner- und Fischembryos, zwischen Schimpansen und Seeanemonen und letztlich zwischen den ersten lebenden Zellen auf dem Planeten und uns Menschen, die den Autor faszinieren.
Und immer wenn es um dieses große Ganze geht, wird Neil Shubin geradezu poetisch: "Wenn man weiß, worauf man achten muss, wird unser Körper zu einer Zeitkapsel, und wenn man sie öffnet, berichtet sie von entscheidenden Augenblicken in der Geschichte unseres Planeten sowie von einer fernen Vergangenheit mit urzeitlichen Ozeanen, Flüssen und Wäldern."
Neil Shubin ist studierter Paläontologe und kommt damit aus einer auf den ersten Blick sehr ungewöhnlichen Richtung, um die Evolution des Menschen zu erzählen. Im Vorwort schreibt er auch selbst, dass es purer Zufall war, der ihn auf die Idee für dieses Buch gebracht hat.
Er war für einen Kollegen eingesprungen, der einen Anatomiekurs für Medizinstudenten halten sollte. Und während dieses Kurses fiel Shubin auf, dass er als Paläontologe einen entscheidenden Vorteil mitbrachte:Er kannte die Baupläne von urzeitlichen Fischen und Reptilien. Diese Logik zieht sich auch durch sein Buch.
Er erklärt, wie die ersten und einfachsten Lebewesen aufgebaut waren und funktionierten und zeigt, dass alle höheren Tiere inklusive des Menschen nur komplexere Varianten dieser einfachen Körperbaupläne darstellen. Aus dem Text schimmert immer wieder die Faszination durch, die der Autor selbst ganz offensichtlich bis heute empfindet, ob des Wunders der Evolution.
"Der Fisch in uns" ist - ohne mit einem einzigen Wort auf den in den USA lodernden Kampf zwischen Befürwortern und Kritikern der Evolutionstheorie einzugehen - ein flammendes Bekenntnis zur Evolution. Mit einem großen Fachwissen und einer Liebe zum Detail führt Neil Shubin unzählige Belege für die Evolutionstheorie an.
Es ist ein anspruchsvolles Buch, das tief in die Materie einsteigt. Eine lange Liste von Literaturangaben zu jedem Kapitel am Ende wendet sich an diejenigen Leser, die das Thema des Buches noch weiter verfolgen wollen. Aber auch für alle anderen ist es ein lohnenswertes Buch, unterhaltsam und spannend geschrieben.
Rezensiert von Monika Seynsche
Neil Shubin, Der Fisch in uns. Eine Reise durch die 3,5 Milliarden Jahre alte Geschichte unseres Körpers
Aus dem Amerikanischen von Sebastian Vogel
S. Fischer Verlag, 2008
281 Seiten, 19,90 Euro