Flaneurin mit der Kamera
Die Berlinische Galerie zeigt etwa 130 Fotografien von Marianne Breslauer, die 1909 in Berlin geboren wurde und 90 Jahre später mit dem Hannah Höch Preis für ihr Lebenswerk geehrt wurde. Lebenswerk - das bedeutet in ihrem Fall: Neun Jahre, die sie der Fotografie, genauer der künstlerischen Fotografie widmete. Als Wegbereiterin der Straßenfotografie ist sie heute zu nennen.
Gartenstühle im Jardin du Luxembourg: sie stehen aufgeklappt auf hellem Boden, ihre Holzleisten werfen Schatten, sie stehen ungeordnet nebeneinander oder einander gegenüber: Man ahnt, dass hier eben noch Liebespaare, alte Menschen, Geschäftsleute gesessen haben und jetzt vielleicht weiterspazieren. Das Foto ist eines jener poetischen Bilder, die Marianne Breslauer in Paris aufnahm, 1929. Da war sie gerade 20 Jahre alt, hatte ihr Examen an der Photografischen Lehranstalt Lettehaus in Berlin bestanden und war aufgebrochen, um sich fern ihrer Geburtsstadt selbstständig zu machen:
"Paris war das Ziel meiner Träume - dort wollte ich wenn irgend möglich, eine Zeitlang leben", "
schrieb sie später in ihren Memoiren.
Ulrich Domroese: " "Paris Ende der 20er-Jahre war natürlich die große Stadt der Moderne, alle Welt ging dorthin und wollte dort leben, die Stadt der Kunst, Marianne Breslauer ging aus dem selben Grunde hin, hat aber bis dahin nur die traditionelle Atelierfotografie kennen gelernt und zwar im Letteverin in Berlin - Sie ging da hin und war so überrascht von der Dynamik der Stadt, von diesem Leben und merkte, dass sie mit dieser Bildsprache nicht weiterkommt. (…) dass sie das für die Umsetzung dessen, was sie erlebt, zu einer anderen Form finden muss."
Ulrich Domroese, Kurator für Fotografie in der Berlinischen Galerie ist froh, einige Fotos von Marianne Breslauer in der Sammlung zu haben. Ihre Porträts, die sie für ihre Abschlussmappe am Lettehaus inszeniert hatte, waren zwar schon beeinflusst von den fotografischen Experimenten der Bauhausschüler, vom zeittypischen Stil des Neuen Sehens: Das Motiv von oben oder aus der Froschperspektive, mit geheimnisvollen Licht- und Schattenspielen, aber Marianne Breslauer suchte in jener Zeit etwas Eigenes. Ihre Selbstporträts gehören dazu: eines, auf dem sie den Blick von der Kamera abwendet, über dem einen Auge liegt eine Strähne des dunklen Haars, das andere schaut traurig oder suchend aus dem Bild heraus. Ein Foto, auf dem sie etwas von ihrer inneren Bewegtheit preisgibt.
Wenn sie Ende der 20er-Jahre in Berlin mit der Kamera die Stadt einfängt, dann sind das eher stille Momente: Brücken, Wasser, Ufer. In Paris wuseln Menschen vor der "Galerie Lafayette": Das abgerundete Eckhaus "La Rotonde" stößt von oben links in die Bildmitte, davor eilen Passanten über die Straße, ihre Körper werfen lange Schatten auf den Asphalt.
Marianne Breslauer nähert sich mehr den Menschen in der Stadt, wenn auch zunächst meist von oben und oft von hinten, und immer mit dem Blick für dramatisierende Bildkompositionen: Zwei einsame Angler an der Seine rückt sie ins obere Drittel des Fotos und lässt das grobe Straßenpflaster dominieren.
"Eine Flächigkeit des Bildes, die gegen die zentralperspektivische Hierarchisierung des Bildes angeht, und das hat sie gelernt auf der einen Seite von den Impressionisten, die sie in Paris kennen lernte, da hat sie gesehen, wie man so etwas macht und es gehörte damals auch schon zu dem Formenvokabular des Neuen Sehens, es waren alles Regelverstöße gegen die Gesetze der damals gültigen Handwerksfotografie der Ästhetik dieser Fotografie."
Bald wagte sie sich auch näher heran an Clochards und Zirkuskinder.
"Das waren die unbeachteten Momente, weil sie nämlich nicht, wie die Journalisten, die damit anfangen, durch die entstehende Pressefotografie, die großen Sensationen fotografiert, die ganz besonderen Ereignisse, sondern sie entdeckt für sich in den unbeachteten Momenten, in den kleinen abwegigen Szenerien eine Art Poesie."
Die Flaneurin mit der Kamera reist Anfang der 30er-Jahre für zwei Monate bis nach Palästina und Alexandria, später mit Annemarie Schwarzenbach durch Spanien. Marianne Breslauer kehrt allerdings immer wieder zurück zu Walter Feilchenfeldt, den sie später heiratet und mit dem sie schließlich emigrieren muss: Erst nach Amsterdam, dann in die Schweiz. Eine Karriere als künstlerische Fotografin ist mit dem Beginn des Nationalsozialismus ausgeschlossen und die Biografie der selbstbestimmten Frau, die wie manche andere Fotografin in dieser Zeit nach neuen Perspektiven im doppelten Sinn sucht, gebrochen: 1936 ist Schluss mit der Fotografie.
Marianne Feilchenfeldt wird Ehefrau, Mutter und Kunsthändlerin. Die Bilder, die in der Berlinischen Galerie und in der Schweizer Fotostiftung aufbewahrt werden, und die jetzt in der Ausstellung zu sehen sind, geben eine Ahnung davon, welche freien und freigeistigen Wege sie gehen wollte. Eines ihrer Selbstporträts im Jahr 1933 ist von umwerfender Erotik und Provokation in jener Zeit: in einem halb geöffneten luxuriösen Bademantel steht sie neben ihrer Kamera und schaut von oben hinein. Das kurze dunkle Haar ist wie ein Schleier, der ihre Identität nicht preisgibt, wohl aber die Schönheit ihres Körpers.
"Paris war das Ziel meiner Träume - dort wollte ich wenn irgend möglich, eine Zeitlang leben", "
schrieb sie später in ihren Memoiren.
Ulrich Domroese: " "Paris Ende der 20er-Jahre war natürlich die große Stadt der Moderne, alle Welt ging dorthin und wollte dort leben, die Stadt der Kunst, Marianne Breslauer ging aus dem selben Grunde hin, hat aber bis dahin nur die traditionelle Atelierfotografie kennen gelernt und zwar im Letteverin in Berlin - Sie ging da hin und war so überrascht von der Dynamik der Stadt, von diesem Leben und merkte, dass sie mit dieser Bildsprache nicht weiterkommt. (…) dass sie das für die Umsetzung dessen, was sie erlebt, zu einer anderen Form finden muss."
Ulrich Domroese, Kurator für Fotografie in der Berlinischen Galerie ist froh, einige Fotos von Marianne Breslauer in der Sammlung zu haben. Ihre Porträts, die sie für ihre Abschlussmappe am Lettehaus inszeniert hatte, waren zwar schon beeinflusst von den fotografischen Experimenten der Bauhausschüler, vom zeittypischen Stil des Neuen Sehens: Das Motiv von oben oder aus der Froschperspektive, mit geheimnisvollen Licht- und Schattenspielen, aber Marianne Breslauer suchte in jener Zeit etwas Eigenes. Ihre Selbstporträts gehören dazu: eines, auf dem sie den Blick von der Kamera abwendet, über dem einen Auge liegt eine Strähne des dunklen Haars, das andere schaut traurig oder suchend aus dem Bild heraus. Ein Foto, auf dem sie etwas von ihrer inneren Bewegtheit preisgibt.
Wenn sie Ende der 20er-Jahre in Berlin mit der Kamera die Stadt einfängt, dann sind das eher stille Momente: Brücken, Wasser, Ufer. In Paris wuseln Menschen vor der "Galerie Lafayette": Das abgerundete Eckhaus "La Rotonde" stößt von oben links in die Bildmitte, davor eilen Passanten über die Straße, ihre Körper werfen lange Schatten auf den Asphalt.
Marianne Breslauer nähert sich mehr den Menschen in der Stadt, wenn auch zunächst meist von oben und oft von hinten, und immer mit dem Blick für dramatisierende Bildkompositionen: Zwei einsame Angler an der Seine rückt sie ins obere Drittel des Fotos und lässt das grobe Straßenpflaster dominieren.
"Eine Flächigkeit des Bildes, die gegen die zentralperspektivische Hierarchisierung des Bildes angeht, und das hat sie gelernt auf der einen Seite von den Impressionisten, die sie in Paris kennen lernte, da hat sie gesehen, wie man so etwas macht und es gehörte damals auch schon zu dem Formenvokabular des Neuen Sehens, es waren alles Regelverstöße gegen die Gesetze der damals gültigen Handwerksfotografie der Ästhetik dieser Fotografie."
Bald wagte sie sich auch näher heran an Clochards und Zirkuskinder.
"Das waren die unbeachteten Momente, weil sie nämlich nicht, wie die Journalisten, die damit anfangen, durch die entstehende Pressefotografie, die großen Sensationen fotografiert, die ganz besonderen Ereignisse, sondern sie entdeckt für sich in den unbeachteten Momenten, in den kleinen abwegigen Szenerien eine Art Poesie."
Die Flaneurin mit der Kamera reist Anfang der 30er-Jahre für zwei Monate bis nach Palästina und Alexandria, später mit Annemarie Schwarzenbach durch Spanien. Marianne Breslauer kehrt allerdings immer wieder zurück zu Walter Feilchenfeldt, den sie später heiratet und mit dem sie schließlich emigrieren muss: Erst nach Amsterdam, dann in die Schweiz. Eine Karriere als künstlerische Fotografin ist mit dem Beginn des Nationalsozialismus ausgeschlossen und die Biografie der selbstbestimmten Frau, die wie manche andere Fotografin in dieser Zeit nach neuen Perspektiven im doppelten Sinn sucht, gebrochen: 1936 ist Schluss mit der Fotografie.
Marianne Feilchenfeldt wird Ehefrau, Mutter und Kunsthändlerin. Die Bilder, die in der Berlinischen Galerie und in der Schweizer Fotostiftung aufbewahrt werden, und die jetzt in der Ausstellung zu sehen sind, geben eine Ahnung davon, welche freien und freigeistigen Wege sie gehen wollte. Eines ihrer Selbstporträts im Jahr 1933 ist von umwerfender Erotik und Provokation in jener Zeit: in einem halb geöffneten luxuriösen Bademantel steht sie neben ihrer Kamera und schaut von oben hinein. Das kurze dunkle Haar ist wie ein Schleier, der ihre Identität nicht preisgibt, wohl aber die Schönheit ihres Körpers.