Klimafolgen rücken immer stärker in den Fokus
Fast 60 Kilogramm Fleisch werden in Deutschland pro Kopf gegessen. Die Böll-Stiftung und der BUND untersuchen seit einigen Jahren die Folgen dieses Konsums und betonen immer stärker einen Aspekt: die Treibhausgasemissionen.
59 Kilogramm Fleisch pro Kopf werden in Deutschland jährlich verzehrt. Das ist etwas weniger als in den Vorjahren. Für Ernährungswissenschaftler und Umweltschützer ist dieser Wert jedoch viel zu hoch. Sie empfehlen höchstens die halbe Menge.
Der am Mittwoch vorgestellte Fleischatlas listet seit fünf Jahren die ökologischen und sozialen Auswirkungen der industriellen Tier- und Fleischproduktion auf. Und jenseits aller ethischen Fragen der Massentierhaltung wird für die Autoren der Klimaaspekt immer wichtiger: Laut Zahlen der Bundesregierung trägt die Landwirtschaft zu knapp acht Prozent der Treibhausgasemissionen bei – und mehr als Hälfte davon ist auf die Tierproduktion zurückzuführen.
Fleischproduktion und Emissionen
Ökologen befürchten, dass durch das globale Bevölkerungswachstum und die dadurch vermehrte Nachfrage nach Fleischprodukten die Emissionswerte künftig deutlich ansteigen werden; dass zudem durch den dafür notwendigen Anbau von Futtermittel Rodungen von kohlenstoffbindenden Flächen wie großen Wäldern ebenfalls weitergehen. Für Barbara Unmüßig vom Vorstand der Grünen-nahen Heinrich-Böll-Stiftung ein Schreckensszenario:
"Die Tierproduktion wird bis 2030 knapp dreißig Prozent und bis 2050 über achtzig Prozent aller erlaubten Emissionen zu verantworten haben."
Internationale Vorgaben, wie etwa das Pariser Klimaschutzabkommen, könnten mit einer weiterhin wachsenden industriellen Tierhaltung nicht eingehalten werden. Landwirte also als wesentliche Mitverursacher des Klimawandels?
Eberhard Hartelt, Umweltbeauftragter des Deutschen Bauernverbandes (DBV), präsentierte heute die Klimastrategie des Verbandes. Er verweist zuerst auf Erfolge bei der Reduzierung der Treibhausgase:
"Seit 1990 hat hier eine Reduktion um 16 Prozent stattgefunden. Sowohl im Ackerbau und in der Tierhaltung. Das ist vor allem durch Effizienzsteigerungen geschehen."
Gülle in Biogasanlagen verwerten
Zudem würden die Treibhausgasemissionen der Agrarwirtschaft im Gegensatz zum Industrie- oder Verkehrssektor oft natürlichen Kreisläufen entstammen, sie könnten somit nur gemindert, nicht gänzlich unterbunden werden. Die Klimastrategie des DBV sieht vor, künftig beispielsweise mehr Gülle in Biogasanlagen zu verwerten oder auch den Stickstoffeinsatz zu reduzieren.
Umweltschützern reicht das nicht: Allein durch höhere Produktivität sei eine ökologische Wende nicht hinzubekommen. Sie kritisieren vor allem die hohe Exportorientierung der deutschen Fleisch- und Tierproduktion: Mit vielfältigen negativen Auswirkungen, sagt Hubert Weiger, der Vorsitzende des Bundes für Umwelt- und Naturschutz (BUND).
"Dass wir eben hier nicht nur die bäuerlichen Strukturen im eigenen Land zerstören. Sondern auch noch weltweit zu den Zerstörungsprozessen beitragen. Weil wir so billig Fleisch im eigenen Land produzieren. Zu Lasten der Umwelt."
Export von Fleisch
Auch dies weist der Bauernverband zurück: Ein Stopp der Exporte oder eine Verlagerung würde sich in den nationalen Klimabilanzen nur marginal auswirken, vor allem aber Arbeitsplätze kosten. Umweltbeauftragter Eberhard Hartelt:
"Wenn die Nachfrage in anderen Ländern vorhanden ist, wird dann woanders produziert werden. Und häufig klimaineffizienter produziert werden als bei uns in Deutschland."
Die Diskussion über die Zusammenhänge einer weiterhin steigenden industriellen Tierproduktion und notwendigem Klimaschutz wird weitergehen. Auch auf der Grünen Woche. Die weltgrößte Agrar- und Ernährungsmesse beginnt kommende Woche in Berlin.